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daß Deine liebe Tochter, wie wir hier von Frau Loth[1] gehört, alsbald aufgebrochen und zu Euch geeilt ist. Das sind jetzt Festtage in Eurem Hause, und wie freun wir uns derselben. Wie oft auch haben wir Dich und Deine liebe Frau herausgewünscht aus den Schranken der täglichen Berufspflicht, wenn wir auf der Reise einen schönen Punkt fanden, der einlud zu Genuß und Ruhe. Nur aber freilich nicht in Ems, oder irgend welchem Bad, was meine Bestimmung zu werden scheint, wenn ich Zeit und Geld für meine Erholung opfern muß.

Ich fand hier Briefe vor und meine Schwägerin hat mir ein solch Paquet geschickt, daß ich meinte, Alles habe gewartet auf Ems, wo ich Zeit genug dazu hätte, und doch kein Brief, der nicht etwas Nothwendiges zu beantworten enthielt.

Das wär nun hier nicht der Fall, theurer Freund, denn Du foderst ja keine Antwort, doch diese zu geben, ist mir wohlthuend, es ist mir eine angenehme Erholung, und wartete nicht Andres auf mich, so würdest Du mich noch nicht los.

Meine Frau grüßt herzlich mit mir Dein ganzes Haus.

In Freundschaft und Liebe treu
Dein E. Rietschel.     

     Ems den 9. Juni 58.


Schnorr an Rietschel.
25[2].
Lieber theurer Rietschel!

Nach allem, was ich von Dir höre, darf ich annehmen, daß es Dir wohl gehe. Gott gebe, daß dem so sei und daß Du und Deine liebe Frau eine erquickende Ruhe genießet.

Was mich heute veranlaßt Dir zu schreiben, ist eine Angelegenheit unseres Ordens. Du wirst eben so wie ich die Aufforderung zu einer Neuwahl erhalten haben, oder sie noch erhalten. Und zwar werden wir angewiesen diesesmal eine Person aus dem Gebiete der Architectur zu wählen, welche unter den Rittern deutscher Nation noch gar nicht vertreten ist; bis zum 30. Juli müssen die Stimmen an die General-Ordens- Commission in Berlin eingeliefert sein. Da es nun nicht nur erlaubt, sondern wünschenswerth ist, daß Mitglieder des Ordens sich untereinander über eine neue Wahl verständigen, um eine zu arge Zersplitterung der Stimmen zu vermeiden und ein Resultat zu erzielen, und zu dem Ende von dem Kanzler schon bei der Ausschreibung der Wahl das Gebiet, aus welchem gewählt werden soll, so scharf begränzt als möglich bezeichnet wird; so erlaube ich mir meine Gedanken bei der jetzt zu bewerkstelligenden Wahl Dir mitzutheilen.

Ich maße mir nicht an die Bedeutung sämmtlicher jetzt lebender deutscher Architecten vollkommen richtig zu würdigen; ich glaube aber nicht zu irren, wenn ich annehme, daß seit Schinkels Tod und dem Ausscheiden Sempers aus dem Gebiete der Wählbaren kein deutscher Architect bedeutender ist als Leo von Klenze.

Klenze hat seit einem reichlichen Menschenalter in seiner Kunst gewirkt und unter den günstigsten Verhältnissen geschaffen. Er hat dem König Ludwig ein neues München gebaut, und was man Tadelndes gegen seine Werke und Rühmliches von den Werken seiner Kunstgenossen in Bayern sagen kann, Alles in Allem erwägend, muß man in ihm doch denjenigen erkennen, welcher neben Schinkel am mächtigsten auf eine würdige Umbildung der architectonischen Kunstformen eingewirkt hat. Darum gedenke ich ihm meine Stimme zu geben, glaube auch, daß Cornelius und Kaulbach eben so denken wie ich. Bist Du anderer Meinung als ich, so wäre es mir angenehm es zu erfahren und bin auch gern bereit einer anderen Ansicht zu folgen, wenn mir überzeugende Gründe entgegen gehalten werden. Könntest Du mit Deiner Stimme Dich aber uns anschließen, so würde es mich freuen, und ich möchte fast glauben, daß wir die Meinung der Mehrzahl der wählenden Ritter treffen würden.

So viel von dieser Angelegenheit. Da ich aber einmal schreibe, so erlaube ich mir zu erwähnen, daß ich von Stuttgart aus noch einmal an den früher ausgesprochenen Wunsch erinnert worden bin, Du möchtest für unser (von Schnaase, v. Grüneisen und mir herauszugebendes) christliches Kunstblatt, dessen erste Nummer im October erscheinen wird, eine Mittheilung über Dein Luther-Denkmal uns zukommen lassen. Wenn in irgend einem Punkte Deine Gedanken noch flüssig wären, so sähe ich darin keinen Nachtheil. Die Hauptsache würde uns sein, daß die Theilnahme für das Werk in möglichst weiten Kreisen angeregt würde. – Das Programm des Blattes mit einer von mir componirten Vignette werde ich demnächst Dir zusenden können.

Und nun zum Schluß. Gott sei Dank! es geht uns gut. Emmy und Ludwig sind bei uns und bald wird Franz, später dann auch noch Paldamus kommen. In wenig Tagen zieht die Familie wieder nach dem weißen Hirsch. – Tausend Grüße von den Meinen und von mir Dir und Deiner lieben Frau. Gott schenke uns allen fröhliches Wiedersehen!

Unwandelbar
Dein treuer Freund                         
J. Schnorr.     

     Dresden, den 30. Juni 1858.


  1. Loth, geb. Olivier, eine Verwandte Schnorrs.
  2. Das Original befindet sich im Besitz der Frau Rudorff, geb. Rietschel.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/267&oldid=- (Version vom 6.12.2024)