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zufammenfielen, gerecht und trat für jene Ansprüche und dieses Recht als Anwalt in einem Briefe ein, den er unter dem 18. Januar 1858 an Alexander von Humboldt, den damaligen Ordenskanzler, richtete. Da Schnorr aber wußte, was Klenze, als er sein Postskriptum schrieb, nicht wußte oder bedachte, daß nämlich Rietschel, der große Schüler und ebenbürtige Genosse Rauchs, den Orden noch nicht besaß, gedachte er in seinem Schreiben an Humboldt auch dieses Umstandes in folgenden Worten: „Soll ein Bildhauer gewählt werden, so könnte ich mich in Ansehung der Erteilung meiner Stimme keinen Augenblick bedenken; ja ich bin des hohen Wertes der Person, die ich im Auge habe, so versichert, daß ich, ginge das an, gern meine eigene Stelle derselben überlassen würde.“ Humboldt antwortete Schnorr am 7. Februar, lehnte, obschon in zartester Form, die Fürsprache für Klenze und die Architektur ab und gab deutlich zu erkennen, daß König Friedrich Wilhelm IV. selbst es war, der die Entscheidung nicht nur begünstigte, sondern geradezu herbeiführen half, durch die sich Rauchs Ordenskreuz sofort und unmittelbar auf Rietschel vererbte. Am 30. März 1858 wurde die Neuwahl ausgeschrieben, weil, wie es in dem amtlichen Schriftstück heißt, die aus Pietät für den dahingeschiedenen Meister bis nach Abhaltung der Totenfeier ausgesetzte Wahl eines neuen Mitgliedes nun nicht länger beanstandet werden könne. Der Kanzler bat, diejenige Person aus dem Gebiete der Bildhauerkunst namhaft zu machen, welche zur Berücksichtigung am würdigsten erscheine. Rietschels Wahl erfolgte sonach unter besonders ehrenvollen Umständen vermutlich einstimmig. Dem Grundsatze nach wurde Klenzes Wunsch zwar baldigst erfüllt. Denn bereits am 23. Juni 1858 forderte Humboldt zu einer Neuwahl an Stelle des verstorbenen Philologen Friedrich Creuzer auf, und diesmal lautete die Anweisung auf Wahl einer Person aus dem Gebiete der Architektur. Aber dieser sachliche Erfolg war für Klenze mit einem persönlichen Mißerfolge verknüpft. Die Mehrheit der Stimmen erlangte jetzt nicht Klenze, sondern August Stüler in Berlin. Klenze wurde erst 1861 neben Stüler in den Orden aufgenommen nach Rietschels Tode und merkwürdiger Weise als dessen Nachfolger.




Rietschel an Schnorr.
1.
Hochverehrtester Freund,

Dein schönes Geschenk, Thäters Stich nach Deinem trefflichen Carton, Barbarossas Einzug, hat mich als solches und als ein Beweis Deines freundlichen Andenkens aufs freudigste überrascht; habe den herzlichsten Dank dafür; noch in den nächsten Tagen wird es unter Glas und Rahmen meine Stube schmücken, und ich freue mich, diese großartigen Gestalten immer vor Augen zu haben.

Die Begeistrung, welche Deine Cartons uns erregt haben, rief den lebhaften Wunsch hervor, sie zu besitzen oder doch davon zu besitzen; doch leider stehn unsre Wünsche mit den Mitteln hier nicht im Einklange, und deshalb werden wir auch von dem Besitze nur Eines Cartons abstehn müssen, da Du Dir den Anspruch drauf nöthigenfalls vorbehalten mußt, für uns aber das Besitzthum dann ein unsichres ist. Dagegen ist durch Deine vom Kunstverein gekaufte Zeichnung eine andre Idee erweckt worden, wovon Dir Bendemann schreiben und anfragen wird.

Diese Zeichnung, deren Ankunft uns Thäter voraus meldete, wurde auch voraus vom Directorio des Kunstvereins mit Beschlag belegt und ist eine Acquisition, wie noch keine, und mit so allgemeinem Anklang das Kunstvereinslocal geschmückt hat, sie ist von Künstlern und Kennern mit Begeistrung aufgenommen worden, und die nichts davon verstehn, ahnen wenigstens, daß es etwas Bedeutendes ist.

Du bist unser Stolz, und könnten Deine Verehrer hier, wie sie möchten, so müßten wir hier im sächsischen Vaterlande nicht blos Deinen Namen besitzen, sondern auch Werke. Doch was nutzen Wünsche, wo die That fehlt. Möge ein Andrer genießen, was wir nicht besitzen können, wenn nur Dein Genius immer ein reiches Feld für seine Thätigkeit findet und Dir es dafür wohl geht.

Erwartungsvoll bin ich auf Deine Antwort auf Bendemanns Brief. Bald kommen wir vielleicht wieder mit einer andern Anfrage, verzeih die Anlässe, die Dir Deine kostbare Zeit unterbrechen.

Deiner verehrten Gattin, die sich meiner wohl schwerlich wird erinnern können, empfiehl mich bestens, erhalte mir Deine freundschaftliche Gesinnung.

Mit den lebhaftesten Wünschen für Dein Wohl und mit wahrer Verehrung

Dein Freund Rietschel.     

An Freund Jäger die herzlichsten Grüße. Wie weit ist Eure Bibel?[1]


2.
Mein verehrter Freund

Du wirst mich für recht unhöflich und undankbar

halten, da ich auf Dein freundliches Geschenk des schönen


  1. Gustav Jäger, Maler, geboren 12. Juli 1808 in Leipzig, gestorben 19. April 1871 ebenda als Direktor der dortigen Akademie, war beteiligt bei Herstellung der Illustrationen zu der im Jahre 1850 im Verlage der Bibelanstalt der J. G. Cottaschen Buchhandlung herausgekommenen Bibel.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/258&oldid=- (Version vom 2.12.2024)