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Aufgabe gelangte, wie „ungeheuer ernst er es“ nach seinen eigenen Worten in einem der hier zum ersten Male veröffentlichten Briefe „mit der Sache und mit sich nahm“, wie er geglaubt haben würde „einen Meineid zu begehn, wenn er anders gewollt hätte, als er es gefühlt, erkannt und demnach gemußt“, errät nicht bloß nachfühlend, sondern empfindet mit wohltuender Gewißheit, daß er ein Werk vor sich hat, das aus einem innersten Kerne mannhafter Tüchtigkeit erwachsen ist, sieht sich als Betrachter, vor anderen begünstigt, auf eine erhöhte Stufe sicherer Erkenntnis gestellt, von der aus er sich leichter zu einem noch höheren Grade wohlbegründeten Wissens emporheben kann.

Die Originalschriftstücke, die hiermit der Öffentlichkeit übergeben werden, umfassen den erhalten gebliebenen Briefwechsel zwischen Ernst Rietschel und Julius Schnorr von Carolsfeld, ausgenommen sechs undatierte und wenig belangreiche Briefchen Rietschels, deren Abdruck zwecklos schien. Beiderlei Briefe, nicht nur die Rietschels an Schnorr, sondern auch die Schnorrs an Rietschel, befinden sich im Besitz des Bearbeiters selbst Dank der Güte der am 14. April 1906 in Groß-Lichterfelde verstorbenen Witwe Rietschels, die ihm Schnorrs Briefe bald nach dessen im Jahre 1872 erfolgtem Tode zum Geschenk gemacht hat. Nur ein Brief Schnorrs: der vom 30. Juni 1858, war im Nachlaß der Frau Rietschel zurückgeblieben und wurde mir für den Zweck gegenwärtiger Veröffentlichung gütigst von ihrer Frau Tochter nachträglich zur Verfügung gestellt.

Einige wenige Vorbemerkungen genügen, in das Verständnis der Korrespondenz einzuführen.

Schnorr, um zehn Jahre älter als Rietschel, kurz zuvor aus Italien zurückgekehrt, hatte eben seine Stellung in München angetreten, als am 6. April 1828, dem dreihundertjährigen Todestage Albrecht Dürers, in Nürnberg ein allgemeines deutsches Künstlerfest abgehalten wurde, dessen Mittelpunkt die Feier der Grundsteinlegung zur Denkmale Dürers bildete. Dieses denkwürdige Fest bezeichnet, soviel man weiß, den Zeitpunkt, wo Rietschel und Schnorr zum ersten Male mit einander in Berührung kamen. Rietschel gedenkt in seinen „Jugenderinnerungen“ dieses Dürer-Festes und erzählt: „Der berühmte Schnorr, mein Landsmann, hatte seine schöne junge Frau mit nach Nürnberg gebracht; sein Name glänzte neben dem von Cornelius oben an ... Obgleich zurückhaltend, fast schüchtern, hatte ich doch die Freude, die Bekanntschaft der hervorragendsten jüngern Künstler zu machen.“

Schon im darauf folgenden Jahre führte der Auftrag seines Lehrers Rauch, ihm bei Vollendung des Kolossaldenkmals des Königs Max Joseph zu helfen, Rietschel zu längerem Aufenthalt nach der Bayerischen Hauptstadt selbst. Es ward ihm dort wohl, er fand dort seinen Jugendfreund Thäter und sonstigen angenehmen freundschaftlichen Umgang; auch zu Schnorr kam er zuweilen, doch „an Cornelius“, sagt er, „wagte er sich nicht“. Für die Giebelgruppe der Münchner Glyptothek ward ihm der Auftrag, eines der Skizzenmodelle Johann Hallers, den Vasenmaler, auszuführen. Über diesem Werke und der Arbeit an der Bavaria am Fuße des Königsdenkmals verlängerte sich die glückliche Zeit, die der junge Meister in München verlebte, bis in das nächste Jahr. Am 2. August 1830 veranstaltete er vor Antritt seiner Reise nach Italien eine Abschiedsfeier. Zu den näheren Freunden, die er zurückließ, zählte nun sicherlich auch Schnorr. Jedenfalls war der Bruderbund zwischen ihm und Schnorr, den schon im ältesten der erhaltenen Briefe das Du bezeugt, mit dem sie einander anreden, abgeschlossen worden, bevor sie an demjenigen Orte, wo beide ihr Leben beschlossen, dauernd zu gemeinsamem Wirken aufs neue zusammengeführt wurden; wenn nicht noch früher, dann vielleicht 1835, im Jahre der feierlichen Enthüllung des Max-Joseph-Denkmals, als Rietschel bei diesem Anlaß wieder nach München gekommen war.

Eine Berufung Rietschels an die Münchner Akademie war zu Ende des Jahres 1834 angebahnt worden, zerschlug sich aber dadurch, daß nicht nur er ablehnte, sondern überdies seltsamer Weise noch vor Eintreffen seiner ablehnenden Antwort die erledigte Professur einem anderen, nämlich Schwanthaler übertragen wurde.

Schnorrs Berufung nach Dresden, die der Anlaß wurde, daß dieser im Jahre 1846 in das Land seiner Geburt zurückkehrte, war von dort aus angeregt worden, fiel jedoch in eine Zeit, in der seine Stellung in München unter Veränderungen zu leiden anfing, die sich schon, als Cornelius im Jahre 1841 von München wegging, bemerkbar gemacht hatten. „Manche herbe Erfahrungen in meinen amtlichen und künstlerischen Verhältnissen“, so berichtet er selbst in einer ungedruckten kurzen Beschreibung seines Lebens, „begannen die Bande, welche mich in Bayern hielten, zu lockern. Im Frühjahr 1841 hatte ich mich in mein Heimatland Sachsen begeben, um meinen ältesten Sohn in das Erziehungshaus meines Schwagers Blochmann zu bringen ... In Dresden ward mir bei Freunden und Verwandten, sowie in den weiteren Künstlerkreisen eine sehr freundliche Aufnahme zuteil, und es mag mein Aufenthalt daselbst wohl Veranlassung geworden sein, daß man an meine Berufung dahin dachte, als einige Jahre nachher die Gelegenheit sich ergab, mich an die dortige Akademie zu bringen. Es war zu Anfang Mai des Jahres 1845, als ich von dort her die Anfrage erhielt, ob ich geneigt sei, eine Professur an der Akademie anzunehmen. Der

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/255&oldid=- (Version vom 28.11.2024)