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unterstützte ihn hierbei im März 1634 wiederum durch eine kleine Geldsumme und erhielt von dem Verlassenen dafür aus Dankbarkeit eine „geringe Handarbeit“: das „ganze Churwappen“, zum Geschenk[1]. Noch 1634 ward die große Tafel von Dresden vollendet, kam also in den Zustand, in dem sie gegenwärtig erscheint.

Aus den folgenden Jahren erfahren wir nichts über unsern Künstler. Nur vom November 1638 ist noch ein Brief erhalten, den er an den Hausmarschall richtete[2]. Der Briefschreiber war unterdes wegen seiner völligen Mittellosigkeit und unausgesetzten Kränklichkeit am 14. März 1638 ins Spital aufgenommen worden. Aber auch hier hatte er in dieser schweren Zeit nicht einmal das Notwendigste zu erwarten. Seit Juli hatte er nichts mehr ausgezahlt bekommen. Der Winter stand jetzt vor der Tür. Der kranke Mann hatte kein ganzes Hemd, auch kein Bettüchlein mehr und dabei keine Aussicht, Geld aus der Kammer zu erhalten, um sich etwas anschaffen zu können. Dennoch war er auch an diesem Orte der Not nicht untätig. Er hatte ein „Abendmahl“ in Ölfarbe gefertigt, das er dem Hausmarschall verehrte, nicht – wie er selbst hervorhebt – um empfangenes Gutes damit zu verdienen, sondern zu einem Gedächtnis. Noch immer hoffte er, die rückständigen 500 Gulden Besoldung erhalten zu können, und bat daher seinen edlen Gönner um Vermittelung. Hatte er das Geld, dann war ihm ja auf einmal aus aller Not geholfen. Aber er sollte wohl nicht mehr sich daran erfreuen können.

Dieser Brief vom 24. November 1638, der schon wie ein Abschied von der Welt klingt, ist die letzte urkundliche Nachricht über Andreas Vogel, die wir besitzen. Nicht lange nachher scheint der vom Glück so Vernachlässigte aller irdischen Not durch den Tod entrückt worden zu sein. Er hatte demnach nur ein Alter von etwas über fünfzig Jahren erreicht, und wir würden als Umfang seines Lebens etwa die Jahre 1588 bis 1638/39 anzunehmen haben[3]. Und doch, wie bezeichnend ist dieses armselige Leben! So wie Vogel, mag mancher strebsame und strebensfreudige Künstler in jener traurigen Zeit zum stillen Mann und zum hoffnungslosen Bettler geworden sein. Man könnte der Behauptung, daß der Dreißigjährige Krieg die Blüte heimischer Kunst nicht gebrochen habe, wohl kaum ein treffenderes und typischeres Beispiel entgegenstellen, als das Lebensbild unseres Malers. Hier ist eine Kette von Künstlerelend in seiner krassesten Gestalt.

Und die Zeitverhältnisse waren auch daran schuld, daß der Meister schon kurz nach seinem Tode fast vollständig vergessen war. Bereits der ältere Tobias Beutel, der bekannte Kunstkämmerer unter Johann Georg II. und III., spricht 1659 von „einem Maler allhier namens Vogeln“, den er bald Andreas, bald Daniel mit Vornamen nennt[4]. Noch viel weniger kennen die späteren Kunsthistoriker den Dresdner Hofmaler. Gebhard in seinen „Beiträgen“ 1823 ist meines Wissens der erste, der ihn überhaupt erwähnt[5]. Vierzig Jahre später hat der hiesige Galeriedirektor Julius Hübner in Webers „Archiv für die Sächsische Geschichte“ von 1864[6] anerkennend auf ihn hingewiesen. Endlich 1895 erinnerte der verdienstvolle Inspektor an der Königlichen Gemäldegalerie Gustav Müller in den „Vergessenen Künstlern“ erneut an ihn[7]. Alle diese Nachrichten überschreiten indessen nicht den Raum von wenigen Zeilen. Müller-Singer widmet im 5. Bande des Allgemeinen Künstlerlexikons 1901 dem Maler sogar zwei ganze Zeilen[8]!

II.

Und doch haben wir noch Erinnerungen anderer, sprechender Art an den Vergessenen: es sind die schon in der obigen Schilderung erwähnten Dresdner Ansichten. Erhalten sind deren allerdings nur noch vier, aber gerade die, über die uns auch urkundliche Belege zur Verfügung stehen.

Zunächst drei kleine Ansichten kurfürstlicher Gebäude, die sich früher im Historischen Museum befanden, seit Ende 1892 indessen ins Grüne Gewölbe überführt sind. Sie hängen hier im sogenannten „Wappenzimmer“ an der Fensternische[9]. Es sind Ölbildchen auf Holz. Auf schwarzem Grunde sind hier zweimal das Schloß und einmal das Stallgebäude, gleichsam freistehend, stark von der Höhe aus abgebildet, sodaß sie nicht vollständig im Grundriß, sondern von seitlich aus großer Ferne gesehen und dementsprechend perspektivisch verkürzt erscheinen. Die beiden Ansichten des Schlosses – eine (nach Maßgabe der großen Tafel Vogels) von Nordwesten, die andere von Südwesten – sind quadratisch von durchschnittlich 37 cm Höhe und Breite. Das Bild vom Stallgebäude, 32 cm hoch und 50 cm breit, zeigt

dieses weitberühmte Werk Paul Buchners von Norden her. Nicht erhalten hat sich die Ansicht des Zeughauses,


  1. Ebenda Bl. 6 – 8.
  2. H.-St.-A. Loc. 7287 Einzelne Schriften – 1592 – 1677.
  3. Vgl. oben den Schluß der Einleitung!
  4. S. Akten der Generaldirektion Xa, 22 [Einnahme] S. 64; Außgabe – – S. 27.
  5. Vgl. dess. „Beiträge zur Geschichte der Cultur der Wissenschaften, Künste und Gewerbe in Sachsen vom 6ten bis zum Ende des 17ten Jahrhunderts“ (Dresd. 1823) S. 136.
  6. 2. Band (Leipz. 1864) S. 188 f.
  7. Vgl. G. O. Müller, „Vergessene und halbvergessene Dresdner Künstler des vorigen Jahrhunderts“ (Dresd. 1895) S. 135.
  8. Vgl. Müller-Singer, Allg. Künstlerlex. 5. Band (Frankf. 1901) S. 27.
  9. Das gütige Entgegenkommen des Herrn Geh. Hofrates Dr. Erbstein ermöglichte mir, dieselben einer genaueren Betrachtung zu unterziehen,
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/22&oldid=- (Version vom 21.12.2024)