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Eigentümlichkeit an und für sich[1]. Erwünschte Sicherheit gegenüber so manchem Zweifel ergab sich durch Beobachtung der auf diesem Gebiete bis zur Humanistenzeit herab durchgängig feststehenden Terminologie in anderen grammatischen Schriften jenes Zeitabschnittes[2].

Inhaltlich bringt die kleine Schrift nichts, woraus sich eine wesentliche Bereicherung unserer Kenntnis auf dem einschlägigen Wissensgebiete ergäbe. Immerhin ließ es das besondere Interesse, das gerade wir in Dresden an Peters Persönlichkeit haben, angebracht erscheinen, dieses einzige nachweisbare Produkt seiner Tätigkeit an dieser Stelle zu veröffentlichen.

Es ist, von unserem Standtpunkte aus bemessen, ein ganz eigentümlicher Gedankenkreis, in dem sich seine Ausführungen bewegen. Ihn des näheren zu kennzeichnen, ist allerdings hier nicht der Ort. Nur einige Bemerkungen auf Grund dankbarer Benutzung eingehender Darstellungen dieses Literaturgebiets seien gestattet[3].

Auch die Behandlung der Grammatik war schließlich gleich derjenigen der übrigen profanen Wissenschaften unter die Herrschaft der scholastischen Philosophie gekommen und zu einer rein spekulativen Wissenschaft geworden. Sie sah ihre Aufgabe nicht sowohl mehr darin, die Regeln und Gesetze der Sprache auf Grund der Autoren als Tatsache hinzustellen, als vielmehr ihre Ursachen nach den Grundprinzipien des Denkens zu erforschen, beziehentlich zu verbessern und umzugestalten, dabei ausgehend von der Voraussetzung, daß die Sprachen durch Reflexion entstanden und ausgebildet seien. Die Grundlage bildeten ja nach wie vor Donat und Priscian, aber das von ihnen übernommene Material wurde nun unter solche Gesichtspunkte gestellt und in fein verästelten Untersuchungen, bei denen es freilich nicht ohne mannigfache Spitzfindigkeiten und Haarspaltereien abging, klassifiziert und besonders nach der Richtung der Syntax hin erweitert. Zu hoher Bedeutung war dabei seit dem 13. Jahrhundert die Betrachtung sprachlicher Erscheinungen unter dem Gesichtspunkte der modi significandi gekommen, eine Betrachtungsweise, die ihren Vertretern die Bezeichnung modistae eintrug und später von den Humanisten besonders lebhaft angegriffen wurde.

Das maßgebende, vielfach auch von Amts wegen ausdrücklich vorgeschriebene Lehrbuch an Universitäten und Schulen, sofern sich diese nicht auf den elementarsten Unterricht beschränkten, wurde das bald nach Beginn des 13. Jahrhunderts verfaßte Doctrinale des Alexander de Villa-Dei. Auch in Prag ist nach Ausweis einer im Jahre 1390 geschriebenen Handschrift darüber gelesen worden[4], und an der Kreuzschule war es, wie oben erwähnt ward, wenigstens mit seinen zwei ersten Teilen[5] schon in Gebrauch, als Nicolaus Thirman 1413 ihre Leitung übernahm.

Peter verweist in seiner kurzen Darlegung nicht weniger als viermal ausdrücklich auf den zweiten Teil des Doctrinale und bewegt sich in der Hauptsache durchaus auf dem Gebiete, das in diesem behandelt wird.

Von einer Übersetzung der kleinen Schrift hatte ich aus naheliegenden Gründen abzusehen. Für solche unter ihren etwaigen Lesern, denen bei sonstiger Bekanntschaft mit mittelalterlichem Latein doch die von unserer gegenwärtigen Terminologie zum Teil weitabliegenden grammatischen Ausdrücke nicht geläufig sein sollten, habe ich einige erläuternde Bemerkungen beigefügt. Die von Peter in seine Erörterung eingefügten, übrigens in entsprechender Form auch anderwärts vorkommenden Beispiele sind kursiv gedruckt.



  1. Ganz eigentümlich ist z. B. das Zeichen für die so häufig vorkommenden Worte ex vi. Auffällig ist ferner, daß, während a parte post stets und a parte ante zweimal (Z. 59 und 60/61) ganz rationell abgekürzt wird, dies mit dem letzteren Ausdrucke sonst überall in geradezu irrationeller und selbst unorthographischer Weise geschieht. Der Sinn dieser Abbreviatur würde in der Tat rätselhaft bleiben, wenn sie nicht an einer Stelle, und zwar sogar auf einer und derselben Zeile der Handschrift (Z.55/56 des Abdrucks: a parte ante ex vi persone, a parte post ex vi nature) vorkäme, und wenn nicht gerade dieser Ausdruck für die Sache in der einschlägigen Literatur stehend gebraucht würde. So aber behebt sich jede Schwierigkeit, und der Sinn wird auch an den übrigen Stellen mit entsprechender Abkürzung klar. Ich bemerke dies, um die Nachprüfung zu erleichtern, falls jemand sie an der Handschrift selbst oder an der in der hiesigen Stadtbibliothek aufbewahrten Photographie des Textes vorzunehmen wünscht. Eine Nachbildung der letzten vier Zeilen, die übrigens der Lesung nicht eben besondere Schwierigkeiten bieten, ist unten beigefügt im Hinblick darauf, daß gerade in ihnen der Name des Verfassers und die Jahreszahl enthalten ist.
  2. Unter ihnen sei als besonders förderlich in dieser Hinsicht die Glosa notabilis zum Doctrinale Alexandri genannt.
  3. Vgl. u. a. Bäbler, J. J., Beiträge zu einer Geschichte der lateinischen Grammatik im Mittelalter, Halle 1885 (besonders vom vierten Abschnitt an, die Anhänge eingeschlossen) and die vortreffliche Einleitung von Dietrich Reichling zu seiner kritisch-exegetischen Ausgabe des Doctrinale des Alexander de Villa-Dei (Monumenta Germaniae paedagogica, Bd. 12, Berlin 1893), bei denen auch reichliche Literaturnachweise zu finden sind. An sie lehne ich mich in dem, was oben zunächst folgt, in der Hauptsache wörtlich an.
  4. Reichling, D., a. a. O., S.XLIX und CXXXV unter Nr. 51.
  5. Das Proömium und die Kapitel 1 – 7 (V. 1 – 1073; Vorwort und Formenlehre betreffend) wurden als erster, die Kapitel 8 und 9 (V. 1024 – 1549; Syntax oder vielleicht richtiger Syntaktisches betreffend) als zweite, Kapitel 10 (V. 1550 – 2280; Prosodisches) als dritter, die Kapitel 11 und 12 (V. 2281 – 2645; Akzente und Redefiguren betreffend, nebst kurzem Schlußwort) als vierter Teil des Doctrinale bezeichnet.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/204&oldid=- (Version vom 3.12.2024)