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verbunden. Desgleichen nennt Äneas Sylvius bei der Erwähnung von Peters unfreiwilliger Übersiedelung aus Dresden nach Prag ihn noch nicht anders als „einen vom waldensischen Aussatz Angesteckten“. Allerdings deutet er zugleich darauf hin, und eine unter den böhmischen Quellen[1], die auf Peters Dresdner Tätigkeit näher eingeht, spricht ausdrücklich davon, daß er bereits hier für die Austeilung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt eingetreten sei, eine andere berichtet, daß er und seine Genossen es auch wirklich insgeheim unter beiderlei Gestalt ausgeteilt hätten. Für die Glaubwürdigkeit dieser Angaben scheint mir namentlich auch die neuerdings von O. Richter (Gesch. von Dresden, Bd. 1, S. 56) nachgewiesene Tatsache zu sprechen, daß der Rat zu Dresden um jene Zeit der kirchlichen Bewegung besonderes Interesse gewidmet hat, wobei u. a. auch Vergehungen wider die von der herrschenden Kirche durchgesetzte Lehre von der Handhabung des Altarsakraments in Betracht gekommen sind. Widerspruch gegen diese Lehre war bekanntlich seit ihrer Festlegung nie verstummt und ist nicht erst in Böhmen im Verlauf der husitischen Bewegung aufgekommen, wenn er auch erst durch sie zu höherer Bedeutung gelangte und den weitesten Kreisen eindringlich vor Augen geführt ward.

Was die „Gesellen“, die Lokaten, Meister Peters an der Dresdner Schule anlangt, so wird Magister Friedrich überhaupt nur von Drändorff erwähnt, und zwar ohne jeden weiteren auf seine Herkunft bezüglichen Zusatz. Es ist ganz wohl möglich, daß er identisch ist mit dem Fridericus de Dresden, der am 11. September 1400 in Prag baccalaureus artium ward und am 2. Oktober auf Ansuchen dimissionem bursarum secundum formam statuti erhielt, doch läßt sich mehr nicht sagen[2].

Andrerseits wird in einer böhmischen Quelle Magister Nicolaus als gleichzeitig mit Peter am Unterricht von Knaben in Dresden beteiligt und als vom Ausweisungsbefehl des Meißner Bischofs mitbetroffen bezeichnet, und eine andere[3] nennt einen „Nicolaus Lorizes“ – doch wohl dieselbe Persönlichkeit – nicht nur unter diesem Gesichtspunkte, sondern auch als Mitarbeiter Peters an der weiterhin in Prag eröffneten Schule und als beteiligt an der Gewinnung des Jakob(ellus) von Mies dafür, das Abendmahl dort – im Jahre 1414 – unter beiderlei Gestalt auszuspenden[4]. In den übrigen Quellen, soweit sie sich mit der Einführung dieser Neuerung in Prag beschäftigen, wird Peter allein als derjenige bezeichnet, der den Anstoß dazu gegeben habe.

Die Dresdner Magister mußten also, wie erwähnt, mit ihren Anhängern unsere Stadt und die Meißner Diözese überhaupt verlassen. Unter den Schülern, die sie begleiteten, ist sicher Drändorff gewesen. Sie begaben sich nach Prag als dem unter den obwaltenden Verhältnissen naturgemäßen Zufluchtsorte, dem asylum haereticorum, wie Äneas Sylvius sagt. Von ihren Volksgenossen wurden sie hinausgestoßen: so blieb nicht wohl etwas anderes übrig, als sich dahin zu wenden, von wo wenige Jahre vorher ihr Haupt vor tschechischem Andrang gewichen war.

In Prag haben sie unter Peters Leitung in der Neustadt am Graben nahe dem Hause zur Schwarzen Rose eine Schule (Burse) gehalten, und augenscheinlich um als Unterlage für den Unterricht in dieser, vielleicht als Diktat, zu dienen, ist von Peter das weiter unten folgende Schriftchen verfaßt worden.

Auch von ihren dortigen Schülern lernen wir einen mit Namen kennen, Bartholomäus Rautenstock. Im Jahre 1417, um dieselbe Zeit wie Drändorff, empfing er dann von demselben Prager Weihbischof die Priesterweihe, entsagte aber bald dem Priesterstande, verheiratete sich und wirkte von ungefähr 1420 an reichlich zwei


  1. S. den oben in Anm. 8 an erster Stelle angezogenen Traktat (vgl. Kr. S. 57), der weiterhin auch über ihre entsprechende Betätigung in Prag berichtet, und J. Jungmanns Auszug aus den von Palacky im 3. Bande der Scriptores rer. Bohem. herausgegebenen tschechischen Annalen bei Höfler, C., Geschichtschr. d. hus. Beweg. usw., Teil 3, S. 234. Was der Traktat sie in Prag außer der Forderung des Laienkelches u. a. vertreten läßt: die Ablehnung der Kirchenlehre vom Fegefeuer und von der Fürbitte der Heiligen, sowie die Gleichsetzung des Papstes samt seinem Klerus mit dem Antichrist, gehört zu dem längst vorhandenen Bestande waldensischer Anschauungen.
  2. H. Haupt hat ihm unter dem Stichworte „Friedrich von Dresden“ in der Allgemeinen deutschen Biographie, Bd. 49 (1904), S. 139 einen Artikel gewidmet. Auch V. Hantzsch, a. a. O., S. 12 unter Nr. 12 nimmt die Identität beider Persönlichkeiten als sicher an, irrt jedoch in Bezug auf Zeit und Ort des Todes Friedrichs.
  3. Es sind die beiden oben in Anm. 14 bezeichneten Schriften.
  4. Ob er, wie V. Hantzsch, a. a. O., S. 12 unter Nr. 13 annimmt, mit einem „Nicolaus Babinberg de Dresen“ zusammenfällt, der im Winterhalbjahre 1400/1401 zu Erfurt inskribiert ward (ddt. 5 gr.), muß dahingestellt bleiben. Der Beiname Babinberg ist aus dem damaligen Dresden sonst nicht bekannt. Da nach der Bezeichnung des Nicolaus in der an zweiter Stelle benutzten böhmischen Quelle zu vermuten ist, daß sein Vater Lorenz hieß, so kann er wenigstens nicht mit dem bei V. Hantzsch a. a. O. unter Nr. 15 erwähnten Nycolaus Pistoris de Dresen identisch sein. – Bemerkenswert ist, daß die oben in Anm. 14 an zweiter Stelle genannte Quelle gleich nach Peter und noch vor Nicolaus Lorizes einen „Nicolaus Englisch“ nennt; er sei mit jenen wegen der heimlichen Austeilung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt aus Dresden ausgewiesen worden, mit ihnen an der Schule in Prag tätig und an der Gewinnung zunächst des Magisters Giczin und durch diesen des Jakob(ellus) von Mies für den Utraquismus beteiligt gewesen. So bedeutsam diese Nachricht im Verein mit anderen für die Erkenntnis der Einwirkung der englischen religiösen Bewegung auf die deutsche ist, so wenig läßt sich doch aus ihr völlige Sicherheit dafür entnehmen, daß dieser Magister Nicolaus auch schon in Dresden wirklich mit tätig gewesen ist.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/201&oldid=- (Version vom 18.12.2024)