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Peters Verdrängung aus ihm im kirchlichen Interesse gewiß möglichst rasch wieder besetzt worden ist. Daß nun Nicolaus Thirman mit diesem Amte zugleich[1] oder wenigstens nur kurze Zeit darauf dasjenige des Stadtschreibers angetreten hat, darf nach dem, was sonst über entsprechende Verhältnisse bekannt ist, als sehr wahrscheinlich betrachtet werden. Wir werden also annehmen dürfen, daß Peter und seine Genossen sich durch den bischöflichen Erlaß eine Zeit lang zu größerer Vorsicht mahnen ließen, weiterhin aber wieder offener hervortraten und sich dadurch, etwa im letzten Teile des Jahres 1412 oder vielleicht noch wahrscheinlicher im ersten Teile des Jahres 1413[2], den Ausweisungsbefehl zuzogen. Vielleicht findet sich auch dafür noch einmal ein urkundlicher Beleg. Welche Umstände es herbeigeführt haben mögen, daß der Bischof sich nicht bewogen fand noch schärfer zuzugreifen, muß dahingestellt bleiben.

Wie weit Peter, als er hier in Dresden wirkte, in der Abweichung von den Lehren der herrschenden Kirche vorgeschritten war, läßt sich nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aus Äußerungen seines Schülers Johannes Drändorff, der am 17. Februar 1425 in Heidelberg[3] auf dem Scheiterhaufen gestorben ist, und sonstiger Quellen erschließen. Im allgemeinen werden wir uns seinen Entwicklungsgang ähnlich denken dürfen wie denjenigen Drändorffs, der sich nach dessen Aussagen vor dem Inquisitionsgericht in seiner vollen Ausdehnung von waldensischer Grundlage mit wiklifitischem Einschlag bis zu nächster Verwandtschaft mit dem radikalen Husitismus hinreichend deutlich überblicken läßt[4]. Nur daß sich bei Drändorff, der als erheblich Jüngerer in bereits wesentlich erregtere Zeiten hineintrat, der Prozeß wohl entsprechend rascher vollzogen hat.

Schon einige Jahrzehnte vorher waren einmal Lehren im Sinne jener Waldensergemeinden, die sich während des 13. und 14. Jahrhunderts trotz aller Gegenanstrengungen der kirchlichen Inquisition in der Stille über weite Strecken des Deutschen Reichs verbreitet hatten, hier in Dresden verkündet und vom Landesherrn verfolgt worden[5]. Unentschieden muß freilich bleiben, ob sich etwa trotzdem insgeheim ein Kreis ihrer Anhänger hier erhalten hatte und Peter dadurch veranlaßt worden war, sich hierher zu wenden, oder ob er das Werk der Begründung einer solchen Gemeinde neu in Angriff genommen hat. Fußend auf der Heiligen Schrift als alleiniger Norm des Glaubens und Lebens standen jene Kreise in scharfem Gegensatz ebenso zu einer Reihe von Lehren der bestehenden Kirche wie zu ihren Einrichtungen, insbesondere ihrem Verhalten gegenüber den Gütern dieser Welt und dessen Folgeerscheinungen. Verstärkt wurde die Opposition noch durch Wiklifs Lehren, die kennen zu lernen sich für Peter bei seinem früheren Aufenthalt in Prag reichlich Gelegenheit geboten hatte.

Drändorff nennt den Magister Friedrich, Peters Gesellen an der Dresdner Schule, dem er sich für die von ihm empfangene religiöse Anregung zu besonderem Danke verpflichtet fühlte, einen demütigen und frommen Mann, mit Ausdrücken, die so recht auf den Gedankenkreis der Waldenser hinweisen. Auch versichert er, Friedrich sei weder von der Sekte der Husiten, noch sei er es gewesen; und mit dem Namen Husit wurde damals, als er dies sagte, ein ganz bestimmter, entschieden

über das Waldensertum hinausgehender Begriff


  1. Daß er schon am 15. August 1413 Schulmeister hier gewesen sei, dürfte vielleicht angenommen werden im Hinblick auf die Angabe der Schulordnung: „Item Meteheller, der had man nicht genomen bie Magistro Nicolao Thirman“. Derartige Abgaben der Schüler waren in der Regel an bestimmte kirchliche Feste gebunden, und nach der Bautzner Schulordnung vom Jahre 1418, allerdings meines Wissen der einzigen, die außerdem noch eine solche Abgabe an den Schulmeister erwähnt, wurde sie erlegt „zu unser lieben Frowen Worzwey“ (= Mariä Himmelfahrt). Ich möchte übrigens glauben, daß Nic. Thirman gerade als Vertrauensperson des Bischofs, dem sein Verhältnis zur Schule (vgl. Kr. S. 3. 38. 51f.) dies nahelegte und ermöglichte, und durch dessen Einfluß als zuverlässig rechtgläubiger Mann in das Amt befördert worden sei. Sein Anteil an der am 10. Februar 1412 zu Meißen ausgestellten Urkunde (Cod. dipl. Sax. r. II, 2, Nr. 839, S. 384) könnte wohl darauf hindeuten.
  2. Bemerkenswerterweise stimmt der 15. Artikel der vom Bischof Rudolf unter dem 16. Oktober 1413 promulgierten Beschlüsse der Meißner Diözesansynode (Concilia Germ., ed. J. Hartzhem, Bd. 5, Köln 1763, S. 38) zwar sonst in allen wesentlichen Punkten mit dem Erlaß vom 18. Oktober 1411 überein, enthält aber nicht mehr die besondere Bezugnahme auf Dresden, doch wohl deswegen, weil die Irrlehrer eben nicht mehr hier waren.
  3. Nicht in Worms, wie Kr. S. 34 versehentlich angegeben ist (richtig S. 55 Heidelberg). Das – leider unvollständig erhaltene – Verhörsprotokoll ist abgedruckt bei Kapp, J. E., Kleine Nachlese einiger ... zur Erläuterung der Reformationsgeschichte nützlicher Urkunden usw., Bd. 3, Leipzig 1730, S. 33 ff., die auf Drändorffs Aufenthalt als Kreuzschüler in Dresden bezüglichen Stellen finden sich auf S. 38 f. und 58 f. (vgl. Kr. S. 55).
  4. Von grundlegender Bedeutung für die Erkenntnis dieser Verhältnisse sind die Veröffentlichungen von H. Haupt: Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland seit der Mitte des 14. Jahrhunderts, in der Deutschen Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 3 (1890), S. 337–411 (auch gesondert erschienen: Freiburg i. Br. 1890); ferner mit besonderem Bezug auf Drändorff in der Realenzyklopädie für protest. Theologie u. Kirche, 3. Aufl., herausg. von A. Hauck, Bd. 5, Leipzig 1898, S. 17 f. und in der Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, neue F. 15, Karlsruhe 1900, S. 479 ff. Mit dankbarer Benutzung derselben habe ich in den Dresdner Geschichtsblättern, Jahrgang 10 (1901), S. 21–28 einen Überblick über die Geschicke dieses ersten mit Namen bekannten Kreuzschülers gegeben.
  5. H. Haupt in der Deutschen Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 3 (1890), S. 354, bez. Weck, A., Der .. Residentz- und Hauptvestung Dresden Beschreib- und Vorstellung, Nürnberg 1680, S. 305 (zum Jahre 1366).
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/200&oldid=- (Version vom 18.12.2024)