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an Ausdehnung und Stärke. Aufs deutlichste offenbarte sie sich in dem Verhalten der Dresdner zum Fürsten Bismarck. Nach der Entlassung des Reichskanzlers, als noch über dem deutschen Volke ein dumpfes Schweigen lagerte, fühlte man hier sich gedrungen, die Dankbarkeit gegenüber dem Begründer des Reiches laut zu bekennen. Bei seiner Durchreise nach Wien im Juni 1892 äußerte die Bevölkerung Dresdens, unbekümmert um die Wirkung nach oben hin, ihre Gefühle mit einer Gewalt und Herzlichkeit, die den Gefeierten aufs tiefste ergriff und andere Städte Deutschlands zu gleich begeisterten Kundgebungen fortriß. Hier ward ihm die tröstliche Gewißheit zurückgegeben, daß das deutsche Volk doch nicht aufgehört habe, seinen Führern und damit sich selbst die Treue zu bewahren. „Deutschland in Dresden!“ – dieses Wort des gewaltigen Mannes steht für immer mit goldnen Lettern in der Geschichte unserer Stadt geschrieben.


Ein Traktat Peters von Dresden.
Eingeleitet und herausgegeben von Otto Meltzer.

Peter von Dresden ist, wenn sein Beiname den Geburtsort bezeichnet, die älteste bekannte Persönlichkeit bürgerlicher Abkunft aus unserer Stadt, die eine geschichtliche Bedeutung erlangt hat.

Die Verfasser früherer Darlegungen, die sich auf ihn bezogen, hatten in der Hauptsache mit einer recht dürftigen und wenig zuverlässigen Überlieferung arbeiten müssen, und nur einer unter ihnen, J. Thomasius (De Petro Dresdensi, Leipzig 1678), hatte sich bemüht, an dieser eine für jene Zeit immerhin bemerkenswerte Kritik zu üben. Im Hinblick darauf stellte ich im 7. Hefte der Mitteilungen unseres Vereins (Die Kreuzschule zu Dresden bis zur Einführung der Reformation[1], Dresden 1886, S. 54-59, vgl. 33 f.) von dem mittlerweile bekanntgewordenen besseren Material in der Hauptsache zusammen, was mir damals zugänglich war und, wenn auch in verschiedenem Grade, beanspruchen durfte als Geschichtsquelle benutzt zu werden. Und seitdem hat dieses Material eine erfreuliche Vermehrung erfahren.

Zunächst – wenn wir der Zeitfolge der Ereignisse in Peters Leben nachgehen – ist durch V. Hantzsch im 19. Hefte der Mitteilungen unseres Vereins (Dresdner auf Universitäten vom 14. bis zum 17. Jahrhundert, Dresden 1906, S. 10) die von mir seinerzeit übersehene Tatsache ans Licht gestellt worden, daß ein Petrus de Dreste zu Prag im Winterhalbjahre 1373/74, und zwar feria 2. post Reminiscere (= 27. Februar 1374), baccalaureus artium geworden ist[2]. Es ist hiernach anzunehmen, daß dieser Baccalaureus um die Mitte des 14. Jahrhunderts geboren war, und als mindestens sehr wahrscheinlich darf betrachtet werden, daß er mit dem historischen Peter von Dresden identisch war. Ist es doch kaum glaublich, daß aus der kleinen, in jeder Hinsicht unbedeutenden Stadt Dresden in jenem Zeitabschnitte mehrere junge Leute, obendrein gleichen Namens, des Studiums halber in Prag geweilt haben sollten. Auch die nachweislichen späteren Beziehungen Peters zu Prag und der böhmischen Bewegung weisen nach der bezeichneten Richtung hin. Es entfiel damit die Möglichkeit, die früher offengelassen werden mußte, daß die Benennung „von Dresden“ dem später, im Jahre 1412/13, von hier nach Prag Gewichenen und seinen Begleitern erst dort beigelegt worden und an ihnen haften geblieben wäre, wie man dies nach der Art ihrer Bezeichnung in den böhmischen Quellen (Petrus Theutonicus de Drazdian, Theutunici de Draždan, magistri Theutonicorum de Drazdyan und dergleichen mehr) wohl auch annehmen konnte. Desgleichen wird der unter der anderen Voraussetzung früher noch von mir gemachte Vorbehalt aufzugeben sein, daß Peters Geburtsort vielleicht nicht Dresden selbst, sondern ein kleinerer Ort der Umgegend[3] gewesen sei. Zwar ist damals und weiterhin noch lange so manche Persönlichkeit in solcher Weise beibenannt worden. Doch sehen wir, daß gerade hier in Dresden Herkunft aus der Umgegend in sehr weitem Umfange genau bezeichnet worden ist[4].

Der geschichtliche Peter von Dresden wird uns zuerst sicher vor Augen gestellt in der von jeher bekannten und benutzten Mitteilung des Äneas Sylvius (Hist. Bohem., c. 35), daß er 1409 im Zusammenhange mit den an der Universität zu Prag hervorgerufenen Mißhelligkeiten diese Stadt mit anderen Deutschen verlassen habe. Näheres über seinen Anteil an diesen Vorgängen wie über die Dauer seines vorherigen Aufenthalts in Prag und seine damalige Stellung dort ist mir bisher noch nicht bekannt geworden; vielleicht ergibt sich aus Archiven und Bibliotheken


  1. = Kr. in den folgenden Ausführungen. Auf dem a. a. O. gegebenen Materiale beruht im wesentlichen der Artikel von P. Pfotenhauer über Peter von Dresden in der Allgemeinen deutschen Biographie, Bd. 25 (1887), S. 474f.
  2. Monumenta hist. univ. Carolo-Ferd. Pragensis, Bd. 1, Prag 1830, S. 159. Allerdings hat V. Hantzsch in die angezogene Darlegung auch einige, wie sich aus dem Nachstehenden ergeben dürfte, irrige Angaben aus seinen Vorlagen herübergenommen.
  3. Mehr müßte auch aus der Angabe bei Äneas Sylvius „patria pulsus“ nicht unbedingt abgeleitet werden.
  4. Richter, O., Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden, Bd. 1 (Dresden 1885), S. 207f. (lehrreich in dieser Hinsicht ist z. B. besonders die Bürgerliste vom Jahre 1396, ebenda S. 372 ff.); derselbe, Geschichte von Dresden, Bd. 1 (Dresden 1900), S. 125.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/198&oldid=- (Version vom 18.12.2024)