Kommandant auch noch die Wilsdruffer Vorstadt abbrennen. Am 4. September sah er sich trotzdem gezwungen, die Festung gegen die Bedingung freien Abzugs zu übergeben. Bald jedoch waren die Preußen wieder im Lande, und den ganzen Winter über lagen die feindlichen Heere in unmittelbarer Nähe Dresdens einander gegenüber. Erst Anfang Juli 1760 zog Friedrich nach Schlesien hin ab und Daun folgte ihm, aber plötzlich kehrte der König um und suchte sich vor Dauns Rückkehr der Stadt zu bemächtigen. Die vom 14. bis 21. Juli dauernde mörderische Beschießung verfehlte jedoch ihren Zweck und er mußte die Belagerung aufgeben, um zunächst in Schlesien den ihm entrissenen Boden wiederzugewinnen. Über Kesselsdorf zog der große König ab: was er dort vor 15 Jahren errungen, schien alles wieder verloren. Er glaubte seinen Untergang nahe; am Tage nach dem Abzuge äußerte er, wenn ihn nicht die Pflicht hielte, würde er alles preisgeben.
Und was für ein furchtbares Andenken hinterließ er! Neben den Vorstädten lag auch die Osthälfte der innern Stadt, im ganzen nun etwa 800 Häuser, in Asche; die Kreuzkirche, in der er einst den Sieg von Kesselsdorf gefeiert, war ein Trümmerhaufen, nur die mächtige Steinkuppel der Frauenkirche hatte den preußischen Bomben erfolgreich widerstanden, und bis zum Schlosse und zur katholischen Hofkirche waren sie bloß vereinzelt gedrungen. Ringsum Vernichtung und Elend, viele Einwohner getötet, Tausende an den Bettelstab gebracht, die übrigen durch Kontributionen, Requisitionen und Plünderung erschöpft und ausgesogen! Was der Stadt in früheren Kriegen Schutz und Sicherheit gewährt hatte, die Festungswerke, das war ihr nun zum Verderben geworden. Um sie vor der Wiederholung eines solchen Schicksals zu bewahren, befahl August III. noch vor Beendigung des Krieges die Niederlegung der Befestigungen, die herrschende Geldnot aber ließ diesen Befehl nicht zur Ausführung kommen. Die Werke verfielen nun allmählich und verloren auch da durch ihren Wert, daß man den Bau hoher Steinhäuser bis dicht an den Stadtgraben heran zuließ. Endlich im Jahre 1809 wurde die Abtragung der Umwallung, ebenso wie der im Bayrischen Erbfolgekriege neu errichteten Schanzen außerhalb der Vorstädte, ernstlich in Angriff genommen, bei Beginn des russischen Feldzugs 1812 aber einstweilen wieder eingestellt. Noch einmal war Dresden dazu ausersehen, Hauptstützpunkt eines fremden Eroberers zu werden.
Napoleons I. Beziehungen zu Dresden bilden ein wichtiges, wenn auch nicht ruhmvolles Kapitel in der Geschichte der Erniedrigung und Wiedererhebung unsers Volkes. Die erzwungene, nur zu dauerhafte Bundesgenossenschaft des Königs von Sachsen ließ den Imperator hier heimischer werden als irgendwo in Deutschland. Zum ersten Male verweilte er auf der Rückreise von Tilsit im Juli 1807 einige Tage in Dresden und wurde von dem irregeleiteten Volke als der große Friedensfürst bejubelt. Mit andern Augen schon betrachteten ihn die Verständigeren, als er im Mai 1812 wiederkam, um von hier aus die letzten Anstalten zum Feldzuge gegen Rußland zu treffen. Man fing an, in ihm den Unterdrücker Europas zu erkennen. Zahlreicher als je war die Schar der Fürsten, die sich huldigend um ihn versammelten, auch die vornehmsten seiner Verbündeten, der Kaiser von Österreich und der König von Preußen, mußten erscheinen, um dem Hoflager, das er im Dresdner Schlosse hielt, Glanz zu verleihen. Napoleon stand auf dem Gipfel seiner Macht und seines Übermuts. Er hoffte den Zaren einschüchtern zu können: Vielleicht, hatte er geäußert, weicht er schon, wenn er die unerhörte Waffenrüstung sieht und die europäische Revue, die ich zu Dresden halten werde. Aber er hatte sich verrechnet. Sieben Monate nach diesen prunkvollen Huldigungstagen kam er in kalter Dezembernacht als Flüchtling im Reiseschlitten vor der Wohnung seines Gesandten de Serra auf der Kreuzstraße an und eilte nach wenigen Stunden der Rast, ungesehen von der Bevölkerung, nach Paris weiter, und hinter ihm her flog die Kunde, daß von den stolzen Heeren, die im Frühjahr in unendlichem Zuge über die Dresdner Brücke nach Osten marschiert waren, nichts mehr übrig sei als elende Trümmer. Aber die Machtmittel des Gewaltigen waren noch nicht zu Ende, Dresden sollte ihn wiedersehen. Mit frischen Truppen rückte er im Mai 1813 in Sachsen ein, zwang den schwankenden König Friedrich August aufs neue unter sein Joch und machte Dresden, das die verbündeten Gegner nach kurzer Besetzung hatten räumen müssen, zu seiner Hauptstellung. Nach der Schlacht bei Bautzen kehrte er hierher zurück und wohnte während der ganzen Dauer des Waffenstillstands im Marcolinischen Palais, dem jetzigen Stadtkrankenhause in der Friedrichstadt. Hier war es, wo er die berühmte, fast neunstündige Unterredung mit dem Fürsten Metternich hatte, die den Beitritt Österreichs zu dem russisch-preußischen Bündnis und damit seinen Sturz vorbereitete. Noch einmal hielt er am 10. August eine glänzende Heerschau im Ostragehege, es war sein letztes militärisches Prunkschauspiel auf deutschem Boden.
Napoleon hatte Dresden durch Anlegung von Schanzen aufs neue zu einem befestigten Platze gemacht, der ihm mit seinen Vorräten an Kriegsmaterial und Proviant einen starken Rückhalt bot. Es war großer Opfer wohl wert, ihm diesen wichtigen Platz, den Schlüssel des Elbtals, abzugewinnen. Für die aus Böhmen heranrückende Hauptarmee der Verbündeten
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/195&oldid=- (Version vom 21.11.2024)