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im Dreißigjährigen Kriege hatte sich überhaupt kein Feind ernstlich an die Festung, die den Landesbewohnern als sichere Zuflucht diente, herangewagt; auch Karl XII. von Schweden hatte sie bei seinem Einfalle in Sachsen unbehelligt gelassen. Das ward nun anders in dem großen Ringen Preußens und Österreichs um die Vorherrschaft in Deutschland. Eingekeilt zwischen die Gebiete der beiden Gegner mußte Sachsen, wenn es sich nicht neutral verhielt, zum Schauplatz des Krieges werden; der Besitz der strategisch wichtigen Festung Dresden mit ihren reichen Hilfsmitteln war dann das natürliche Ziel des Kampfes. Der alten Hinneigung Sachsens zu Österreich folgend ließ es 1745 der unumschränkt regierende Minister Graf Brühl auf einen Krieg mit dem stark gerüsteten König Friedrich II. ankommen, ohne daß Heer und Finanzen im geringsten darauf vorbereitet waren. Die Festungswerke befanden sich in schlechtem Zustande und hatten nur eine geringe Besatzung. Daher mußte die Stadt nach der Niederlage der sächsischen Armee in der Schlacht bei dem nahen Kesselsdorf dem Sieger ohne Widerstand die Tore öffnen. Am 18. Dezember hielt König Friedrich in achtspännigem Wagen seinen Triumpheinzug. Es war sonst nicht seine Art, so prunkvoll aufzutreten, aber es gewährte ihm wohl besondere Genugtuung, dieses Dresden zu seinen Füßen zu sehen, dessen Herrlichkeiten ihn in Staunen versetzt hatten, als er vor 17 Jahren mit seinem Vater den Hof Augusts des Starken besuchte. Im Palast der Fürstin Lubomirska an der Kreuzkirche erfreuten ihn wieder die Zuvorkommenheit und die gefälligen Umgangsformen der vornehmen Welt, und auch die Bevölkerung, die den Glaubenswechsel des eigenen Herrschers noch lange nicht verwunden hatte, kam ihm als protestantischem Fürsten freundlich entgegen. Und nun der überraschend schnelle und glückliche Verlauf der Friedensunterhandlungen: Schlesien aufs neue gewonnen, Preußens Großmachtstellung und sein Übergewicht in Norddeutschland gesichert, das schien das Ergebnis dieses Dresdner Friedens vom Weihnachtstage 1745. Nie wieder ist Friedrich der Große seines Ruhmes so froh geworden, nie hat er so hoffnungsvoll einer Zukunft friedlichen Wirkens und Genießens entgegengesehen – es war, nach Kosers Urteil, der Höhepunkt seines Lebens.

Der Dresdner Hof hatte den ausgeprägt sinnlichen Zug, der ihm unter August dem Starken eigen gewesen war, unter dem sittenreinen August III. zwar abgestreift, aber sonst war ihm die ganze alte Leichtherzigkeit der Lebensauffassung geblieben. Kaum war der Friede zurückgekehrt, so nahmen auch die schönen Künste das Szepter wieder in die Hand, rauschende Feste und Spiele begannen von neuem, sorglos und entzückt lauschte alles den Melodien des Künstlerpaars Adolf und Faustina Hasse. Dresden war wieder eine Hochschule des Geschmacks, eine Schaubühne der Kunst und des Luxus, zu der ganz Europa bewundernde Zuschauer sandte.

Aber diese lustige Bühne wandelte sich zuletzt in ein furchtbares Kriegstheater. Wie eine Vergeltung für den leichten Sinn, der nun ein halbes Jahrhundert hindurch hier gewaltet und auch die Staatsangelegenheiten beherrscht hatte, fuhr der Siebenjährige Krieg alles verwüstend über das Land und stürzte auch die Stadt Dresden von ihrer Höhe. Ihre Eigenschaft als Festung war es, was sie tief in die Kriegsereignisse verwickelte. Zwar hatte inzwischen der König einen Teil der Wälle zur Anlegung von Gärten an hohe Beamte vergeben, so an den Grafen Brühl das nach der Elbe zu gelegene Stück, das nachher als Brühlsche Terrasse berühmt geworden ist. Trotzdem war die Festung noch stark genug, um in dem neu ausbrechenden Kriege eine wichtige Rolle zu spielen. Der bisherigen unglückseligen Politik getreu hatte sich Sachsen dem Bunde der europäischen Hauptmächte angeschlossen, der den Emporkömmling Preußen zu zerschmettern gedachte. Wiederum war es für den Krieg nicht gerüstet; denn um dem Hofe für seine Verschwendungssucht die Mittel liefern zu können, hatte Brühl das Heer um die Hälfte vermindert. Seinen Feinden rasch zuvorkommend rückte Friedrich II. Ende August 1756 in Sachsen ein, besetzte ohne Widerstand Dresden und zwang am Lilienstein die sächsische Armee zur Waffenstreckung. König August III. und sein Minister brachten sich nach Warschau in Sicherheit und überließen das Land seinem Schicksale. Friedrich behandelte es diesmal als eroberte Provinz, bezog am 14. November in Dresden Winterquartier und schlug seine Wohnung im Palais seines erbitterten Feindes Brühl auf, wo ihm für die Stunden der Erholung eine schöne Gemäldegalerie und eine reiche Bibliothek zur Verfügung standen. Die Festungswerke ließ er während des Winters instand setzen und verstärken. Auch nach dem Wiederbeginn des Feldzugs im April behielt die Stadt eine preußische Besatzung. Schwere Lasten waren ihr auferlegt, aber Schlimmeres stand ihr bevor. Als am 10. November 1758 Feldmarschall Daun heranrückte und die Festung anzugreifen drohte, ließ der preußische Kommandant Graf Schmettau die Pirnaische Vorstadt anzünden; einer der schönsten Stadtteile mit vielen neuen Palästen ward ein Trümmerhaufen. Einige Tage nachher zog Daun ab, Friedrich ritt in Dresden ein und bezog, jetzt die bisher geübte Rücksicht gegen die anwesende königliche Familie beiseite setzend, die Zimmer Augusts III. im Schlosse. Im August 1759, während Sachsen von preußischen Truppen entblößt war, rückten die Österreicher aufs neue heran, und jetzt ließ der

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/194&oldid=- (Version vom 21.11.2024)