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von Kameelen und Maultieren mit Mohren und anderm fremden Volke brachte der Hof mit sich, Kavaliere aus allen Ländern Europas kamen herbei, um die Feines glänzenden Hoflebens mitzugenießen. An jedem Karneval, bei jedem Fürstenbesuche, zu jeder Verlobung, Vermählung oder Kindtaufe am Hofe veranstaltete der König wochenlang dauernde Lustbarkeiten, und diese spielten sich nicht bloß im Schlosse ab, sondern mehr noch als früher wurden die Maskenfeste, Vogelschießen und Bauernwirtschaften öffentlich im Zwinger und im Stallhofe abgehalten, die Aufzüge zu den Ringrennen, die Schlittenfahrten mit all ihrem bunten Aufputz bewegten sich durch die Straßen der Stadt, auf der Elbe waren Gondelfahrten und Wasserjagden zu sehen und auch in nächtlicher Stunde fand die Schaulust des Volkes in Illuminationen und Feuerwerken Befriedigung. Und mit dem Hofe wetteiferte der Adel Sachsens und Polens in Sinnenrausch und Vergnügungssucht, in seinen Palästen gab es Bilder orientalischen Reichtums und Wohllebens. Dazu die Paraden eines zahlreichen prächtig uniformierten Militärs, die häufigen Festaufzüge der bei dem herrschenden Luxus blühenden Handwerke – kurz, es war ein Getriebe, wie es nur der leichte Sinn jenes genußfreudigen Geschlechts hervorzubringen vermochte.

Im Mittelpunkte dieses bewegten Lebens aber glänzte stets der König in eigener Person, und in seinem Gefolge nicht etwa bloß Venus, sondern auch die Musen und Grazien. Die italienische Oper, die er unterhielt, war mustergültig, seine Hofdichtung freilich nicht besser als anderswo in dieser Zeit des tiefsten Verfalls der deutschen Poesie. Die bildenden Künste, besonders die Bildnerei, fanden bei seiner großen Bautätigkeit von selbst ausgiebige Beschäftigung und Förderung. Der Goldschmiede und Emaillierkunst seines Hofjuweliers Dinglinger wandte er eine ganz persönliche Anteilnahme zu, und die Schätze an Gold- und Silbergerät, die er von seinen Vorfahren ererbt und in dem nach eigenem Entwurfe neu ausgestatteten Grünen Gewölbe aufgestellt hatte, bereicherte er durch manches von ihm selbst erdachte Prachtstück. Mit beispielloser Verschwendung fröhnte er seiner Vorliebe für chinesisches und japanisches Porzellan und häufte solches zu einer Sammlung an, die noch heute an Reichhaltigkeit in Europa unübertroffen dasteht. Diese seine Leidenschaft gab im Grunde auch den Anstoß zu der Erfindung Böttgers. Die Porzellankunft ist unstreitig eins der liebenswürdigsten Kinder unsrer Stadt, ihre Erzeugnisse haben in Millionen Familien auf dem Erdenrund einen Hauch von dem erlesenen Geschmack des alten Dresdens getragen. Bei aller Freigebigkeit für die lebenden Künste ward aber auch die Kunst der Alten nicht vernachlässigt. Zu den in der Kunstkammer schon vorhandenen Resten des Altertums erwarb der König für teures Geld in Italien ganze Sammlungen klassischer Bild. werke und schuf dadurch ein Antikenmuseum, das einen Einblick in die Kunst Griechenlands und Roms gewährte wie kein anderes diesseits der Alpen.

Auch sein Sohn August III. war, wiewohl in engeren Grenzen, ein verständnisvoller Förderer der Künste; er wandte seine Fürsorge vorwiegend der Malerei zu und betätigte sich namentlich als Kenner und Sammler der Werke vergangener Zeiten. In ganz Europa hatte er seine Vertrauensmänner, die für hohe Summen aufkauften, was an bedeutenden Gemälden zu erlangen war. So floß eine Fülle herrlicher Kunstschöpfungen, besonders Italiens und der Niederlande, in Dresden zusammen; die Perle unter ihnen war die Sixtinische Madonna, bei deren Aufstellung im Chronsaale der kunstbegeisterte König mit den Worten: Platz da für den großen Raphael! eigenhändig den Thronsessel zurückgeschoben haben soll. Als eigentlicher Begründer der Gemäldegalerie hat der in der Regierung so schwache Fürst sich doch ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Die Dresdner Sammlungen, die die beiden Könige zu nächst zum eigenen Genusse zusammenbrachten, damals die reichsten der Welt, sind dann ein Gemeingut und ein Stolz der Nation, eine Schankammer deutscher Bildung geworden, und viele unsrer edelsten Geister haben daraus unschätzbaren Gewinn gezogen, allen voran Winckelmann, dessen Kunstbestrebungen ganz aus Dresdner Boden hervorgewachsen sind, und Goethe, für den die in dem „geliebten Dresden“ empfangenen künstlerischen Eindrücke lebenslang die vorherrschenden blieben. Herder meinte es ernst, wenn er Dresden als ein deutsches Florenz pries.

Die leidenschaftliche, die Staatseinkünfte verschlingende Kunstliebhaberei der sächsisch-polnischen Könige, an deren Hinterlassenschaft sich die Nachwelt unbefangen erfreuen darf, hatte für die Zeitgenossen dieser Glanzperiode Dresdens doch auch schlimme Folgen. Es gibt für den Staat noch eine wichtigere Aufgabe als die Pflege dessen, was das Leben seiner Fürsten und Bürger verschönt: zuerst muß er sein eigenes Fortbestehen und seine Unabhängigkeit sichern. Die Machtansprüche der europäischen Staaten waren damals viel zu wenig ausgeglichen, als daß man auf dauernden Frieden hätte rechnen dürfen. Es konnten Zeiten kommen – sie kamen – in denen das heitere Spiel der Künste vom Lärm der Waffen abgelöst wurde.

Da gewann für Dresden auch die Rüstung wieder Bedeutung, die es von Alters her in seinem Festungsgürtel besaß. Diese Mauern waren Jahrhunderte hindurch stark genug gewesen, jedem Angreifer Trotz zu bieten: 1429 waren die Husiten, 1547 Kurfürst Johann Friedrich unverrichteter Dinge abgezogen, und

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/193&oldid=- (Version vom 19.9.2024)