– vielleicht zu seinem Unglücke – ins Vaterland zurück, wahrscheinlich Mitte 1619[1]. Spätestens um diese Zeit verheiratete er sich auch; denn Anfang Januar 1621 spricht er von „Weib und Kindern“.
Mit diesem Zeitpunkte treten wir ein in den Beginn der Haupttätigkeit Vogels, der besonders die sorgfältig gearbeiteten Dresdner Ansichten entstammen. Etwa 14 Jahre war Vogel von der Heimat fern gewesen. Vieles hatte sich unterdessen hier geändert. Auf dem Heimwege sah er rauchende Trümmerhaufen und bewaffnete Scharen, hörte er den Donner der Geschütze und den Klang der Werbetrommel: der unglückselige Dreißigjährige Krieg brach verheerend über die blühen den Gefilde Deutschlands und Sachsens herein. Auch in Vogels Vaterstadt war gar manches anders geworden. Sein Vater war gestorben, und sein gütiger Fürst, Christian II., dem er eigentlich alles, was er konnte, verdankte, hatte in noch jugendlichen Jahren die Augen geschlossen für immer. Den Kurhut trug jetzt des Verstorbenen Bruder, Johann Georg I.
Bei diesem meldete sich nun der Künstler durch ein längeres Schreiben[2] an, dem er zwei „gemalte Stücklein“ beifügte. Letzteren ließ er Ende 1620 einen Riß von Dresden folgen, sein erstes größeres Werk, von dem wir etwas ausführlicher reden müssen. Zum Zeugnis seines in der Fremde angewandten Fleißes hatte Andreas Vogel die „Churfürstliche Stadt Dresden“ (d. h. die jetzige Altstadt) in ihrem „Corpore und Situ“ (Umfang und Lage) in Grund gelegt, deren Inhalt ausgerechnet, sie mit allen Gassen und Häusern „Contrafettisch“ ausgemessen und so niedergezeichnet, als wenn sie „von großer Höhe herab“, also aus der Vogelperspektive in Augenschein gefaßt würde. Das kurfürstliche Schloß, Stallgebäude und Zeughaus waren dem Bilde nicht gänzlich einverleibt, da sie dem Maler nicht zur Abzeichnung resp. Ausmessung geöffnet worden waren. Dieser Abriß ist die Zeichnung zu der (später zu besprechenden) großen Tafel im Grünen Gewölbe ihrem ersten Zustande nach. Den Entwurf, der also aller Wahrscheinlichkeit nach 1620 gefertigt wurde, „offerierte und dedicierte“ der Autor dem Kurfürsten Johann Georg I., um diesem einesteils zu zeigen, daß er „gründliche Wissenschaft“ der von Vitruv geforderten Stücke habe, andernteils aber auch, um seiner zugleich ausgesprochenen Bitte um Beförderung Nachdruck zu verleihen. Gelegenheit zu solcher Beförderung, die ihm der Kurfürst schon angetragen hatte, war durch die Zeitumstände geboten. Am 20. September 1620 war der berühmte Bildhauer und Architekt Johann Maria Nosseni, dem seit seiner Berufung nach Sachsen 1575 die Leitung der meisten kurfürstlichen Bauten anvertraut gewesen war, in Dresden gestorben. Vogel gab sich nun der Hoffnung hin, daß er zum „Architekturamt“ befördert oder wenigstens anderweit bedacht werden möchte, und versprach dabei als „treuer Untertan“ „fleißige Verrichtung“.
Der eben erwähnte „Abriß“ hat seine Geschichte. Am 11. Januar 1621[3] übergab der kurfürstliche Rat und Cammer-Secretarius Ludwig Wilhelm Moser ihn dem kurfürstlichen Mathematicus und Kunstkammerinspektor Lucas Brunn zur Begutachtung. Dieser sah ihn „ziemlichermaßen“ durch und sprach noch am selben Tage in einem eingehenden Schreiben an Moser ein interessantes Urteil darüber aus. Es lautete etwa wie folgt: Auf dreierlei müsse man an diesem Werke achten: auf das Artificium, d. h. die eigentliche wissenschaftlich-künstlerische Leistung; auf die „Verzeichnung“ – er meinte damit die Art der Darstellung, den Gesichtspunkt – und auf den Fleiß in der Ausführung. In bezug auf das erste hielt er eine „testification“ für notwendig, daß die Stadt wirklich „artificiose“, d. h. soweit der Künstler habe dazu gelangen können, durch „eigentliches Abnehmen der Winkel und der Länge und Breite jedes Stückes“, in Grund gelegt wäre, da diese Forderung bei Abrissen zum Civil- und Militärgebrauche gestellt würde. Die Art der Aufnahme, die nicht völlig perspektivisch wäre, nannte Brunn „Topographiae propria“ und empfahl als Standpunkt bei der Betrachtung des Bildes den Norden, d. i. in diesem Falle die untere rechte Ecke. Über den bei der Arbeit angewandten Fleiß endlich sprach sich der Kunstkämmerer äußerst lobend aus: der Abriß sei „reiniglichen“ durch ganz mühsame Schraffierungen zu Papier gebracht. Sein Urteil faßte der Gelehrte am Schlusse des Schreibens dahin zusammen: Wäre die „designation“ des „autoris invention“, „in seinem Kopfe gewachsen“ und insbesondere die geometrische Berechnung richtig, so wäre der Erfinder zu loben und wegen seiner aufgewandten Mühe eines „ehrlichen Trankgeldes“ wohl würdig. Eine persönliche Unterredung mit Vogel in den nächsten Tagen[4] brachte Brunn den Beweis, daß der Riß wirklich artificiose hergestellt, die Art der Darstellung aber vom Künstler nicht frei erfunden, sondern älteren Vorbildern entnommen war. Durch diese Mitteilungen sah sich der
gewissenhafte Kritiker veranlaßt, sein Urteil vom 11. Januar in einem zweiten Bericht an den Rat Moser am
- ↑ Am 20. September 1619 weist ihm der Kurfürst für ein Vierteljahr den wöchentlichen Taler und einen Schragen Hartholz an s. H.-St.-A. Loc. 7326 Cammer-Sachen Anno 1619 Bl. 249. – Die Länge der Wanderung hat für damalige Zeit nichts Verwunderliches; erfahren wir doch von dem Leipziger Maler Hans Rauscher, daß er 17 Jahre als Geselle herumgewandert sei s. H. H. Füßli, Allg. Künstlerlex. II, 6 (Zürich 1812) 5. 1212.
- ↑ H.-St.-A. Loc, 7327 a. a. O. (s. Anm. 16) Bl. 21.
- ↑ Ebenda Bl. 24.
- ↑ Ebenda Bl. 25/35.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/18&oldid=- (Version vom 20.12.2024)