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war das Jahr des großen Stadtbrandes. Am 15. Juni frühmorgens brach in der Webergasse Feuer aus und legte, vom Winde begünstigt, in rascher Ausbreitung mehr als die halbe Stadt in Asche; vom Markt sank die ganze Südseite in rauchende Trümmer. Der junge Herzog Georg eilte mit seinen Räten auf den Markt und suchte Anstalten zur Eindämmung der Brunst zu treffen, aber bei der leichten Bauart der Häuser und bei der völligen Unzulänglichkeit der damaligen Feuerlöschmittel war aller Eifer vergebens. Ein wüstes rat loses Durcheinander, ein „Alles rennet, rettet, flüchtet“ erfüllte den Plat. Am 1. August traf Herzog Albrecht selbst, der auf dem Reichstag zu Nürnberg geweilt hatte, mit wenigen Begleitern ein und griff mit kräftiger Hand zu, daß die Stadt schöner und fester wieder aufgebaut werde. Aus der Südostecke des Marktes, die die Kirchecke hieß, war die ragende Kirche verschwunden, denn auch sie war bis auf die Sakristei abgebrannt. Neu erhob sich der Markt aus dem Schutt und eine neue Kirche schaute über Markt und Stadt.

Aber bald nahm auch eine neue Kirche von den Gemütern Besitz: die Reformation hielt ihren Einzug in Stadt und Kirche. Und die ehemals gut katholische Stadt wurde eine gute und strenge Lutherstadt. Auch gegen den Kalvinismus verteidigte die Bevölkerung ihr Luthertum. Als nach dem Tode des strenggläubigen Vater August unter dem milderen Christian I. die vom Kanzler Krell geförderte kryptokalvinistische Bewegung die Oberhand gewann und nach und nach allerhand Neuerungen einführte, da stemmte sich der Sinn des Volkes dagegen: namentlich die Abschaffung der Teufelsaustreibung weckte heftigen und in Einzelfällen selbst tätlichen Widerstand; ja nach dem mit dem Tode Christians I. erfolgten Sturze des Kryptokalvinismus brach sich die in den Massen angesammelte Erregung in offener Rache und Gewalttat Bahn. Am 18. Mai 1592 rottete sich die Menge auf dem Altmarkt vor der Wohnung des bisherigen Hofpredigers Salmuth an der Frohngassenecke zusammen, riß das Pflaster auf, warf die Fenster ein und schickte sich an, das Haus zu stürmen und den Hofprediger womöglich umzubringen. Da gelang es der anrückenden Stadtgarde und der vom Rat aufgebotenen bewaffneten Bürgerschaft, den Aufruhr zu stillen; den Prediger aber und seinen Amtsgenoffen Steinbach mußte man, um sie vor der Volkswut zu sichern, in der Nacht nach Stolpen in Gewahrsam bringen. Der Kanzler war schon im November 1591 auf den Königstein gefangen gesetzt worden. Es wurde ihm der Prozeß gemacht, der 10 Jahre währte. Nach beendetem Prozeß brachte man ihn am 5. Oktober 1601 nach Dresden zurück und am 9. Oktober wurde auf dem Rathaus ein hoch notpeinliches Halsgericht über ihn gehalten, während auf dem Markt, um das Halsgericht zu wahren, die junge Mannschaft aus allen Zünften aufgeboten war. Nachdem der Stab gebrochen, trug man den Verurteilten auf einem Stuhle vom Rathaus nach dem Jüdenhof, wo er den Tod durchs Schwert erlitt.

Die Religionsänderung des Fürstenhauses brachte der Bevölkerung schwere Gewissensbeunruhigung. Wie früher gegen den Kalvinismus, so wandte sich der Argwohn jetzt wieder mehr gegen den Katholizismus und argwöhnte jesuitische Umtriebe, auch wo in Wirklichkeit keine waren. Die grauenvolle Tat eines wahrscheinlich wahnsinnigen religiösen Fanatikers, des Trabanten Franz Laubler, der am 21. Mai 1726 den Mittagsprediger an der Kreuzkirche Mag. Hahn in seiner Wohnung mit Messerstichen ermordete, blies den funken dieses Argwohns zu lodernden flammen an. Windschnell lief die Schreckenskunde um denn der Mörder war mit blutigem Messer über den Altmarkt auf die Schloßgasse gerannt, wo er festgenommen wurde. Das Volk strömte zusammen: es witterte eine große katholische Verschwörung, und nicht viel fehlte, daß ein Rachezug gegen alle Katholiken unternommen ward. Der Superintendent Löscher hielt auf dem Rathause eine beschwichtigende Ansprache und sofortige militärische Maßnahmen verhinderten den Ausbruch. Die innere Aufregung der Bevölkerung jedoch dauerte fort. Auf dem Altmarkt vor der Schreibergasse wurde eine Wache erbaut, die vom 23. Juni ab mit 40 Soldaten und vier Kanonen besetzt war. Um 18. Juli fand die Hinrichtung des Mörders statt, zur Sühne der Öffentlichkeit gegenüber auf dem Altmarkt. 1000 Mann Infanterie, etliche Kürassierschwadronen und 600 Mann Bürgerwehr umstanden das Schaffot. Der Verbrecher wurde gerädert, sein Körper wurde dann nach dem Richtplatz auf dem Sande gebracht und noch aufs Rad geflochten.

Von außen war Dresden bisher vor großen Erschütterungen bewahrt geblieben: Kriegsstürme hatten ihre Wogen nicht in die stark befestigte Stadt gewälzt und fein feind war in sie eingedrungen. Sowohl die Hussitenkriege als auch der 30jährige Krieg waren im wesentlichen gnädig an den Mauern unserer Stadt vorübergegangen, von den schweren wirtschaftlichen und allgemeinen Schädigungen natürlich abgesehen. Nur das offene und später nicht stark befestigte Altendresden war vorübergehend mit dem Feind in unsanfte Berührung gekommen. Das sollte mit den Fortschritten der Kriegskunst im 18. Jahrhundert anders werden. Entsprechend der Rolle des leidenden Teils, die die Stadt in den folgenden Kriegen spielte, trat auch der Altmarkt wenig hervor: außer bei Truppendurchzügen und Truppenaufstellungen wird er vielmehr bei der Lähmung und Einschüchterung des öffentlichen Lebens für gewöhnlich das Bild einer gewissen Verödung gezeigt haben, zumal wenn Dresden

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/11&oldid=- (Version vom 28.11.2024)