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der Jagd. Die Tiere wurden in Käfigen und auf Wagen auf den Platz geführt. Die Jäger brachten die Hunde in Koppeln. Nun wurden die Tiere ihrer Haft entledigt und stürzten wütend auf einander los: zwei Bären halten sich in eiserner Umarmung, ein Stier schleudert einen Eber in die Luft, auf dem Boden wälzen sich Bären und Stiere im Kampf, ein Eber und ein Bär kugeln eng umschlungen in die Kaißbach. An einer Leine werden auf Rädern Jägerpuppen aus Watte und Werg hin und her gezogen, Bären zerfetzen sie, durch die Täuschung zu äußerster Wut entflammt. Das zahmere Getier, Hirsche, Rehe, Hasen, Füchse, Marder, rennt angstvoll die Kreuz und Quer. Ausbrechende Tiere werden von den Jägern mit den Spießen zurückgescheucht. Die Hunde werden losgelassen und greifen die großen Tiere in Rudeln an. Die Jäger schießen mit Bolzen und gehen mit Jagdspießen auf die erschöpften Tiere los. Der Kurfürst sticht wohl auch eigenhändig einen großen Bären ab. Während der Hatz lassen Hifthörner lustige Jagdweisen erschallen und blasen die Jagd an und blasen sie ab. Jn Reihen liegen die zur Strecke gebrachten Tiere auf dem Markte da. Läßt unser friedlicher Markt heute es ahnen, daß er einst ähnliches gesehen, wie die Römische Arena?

Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts hörte der Hof allmählich auf, den Altmarkt als Festplatz zu betrachten, und zog sich aus der Öffentlichkeit vornehm auf sich selbst zurück, da ihm ja auch im Zwinger ein neuer prächtiger Rahmen für seine feste entstanden war. Es entsprach dies ebenso sehr der Umwandlung des patriarchalischen Fürstentums in den unnahbaren Absolutismus, als auf der anderen Seite der wachsenden Größe und selbständigen Bedeutung der Stadt. Aber die Stadt selbst ließ es sich hinfort und bis heute angelegen sein, bei Festlichkeiten im Schoße der Herrscherfamilie den Markt in ein glänzendes Festgewand zu kleiden. Viele prächtige und auch künstlerisch wertvolle festbauten, Pavillons, Ehrenpforten, Triumphbogen, Ruhmessäulen, die auf zuzählen und zu schildern zu weit führt, hat der Altmarkt bei solchen Gelegenheiten gesehen, Künstler wie Bähr und Thormeyer haben ihre Kraft dieser Aufgabe geweiht. Eine Festsäule, die 1835 zum 80jährigen Geburtstag König Antons auf dem Markt errichtet worden war, hätte beinahe dauernde Bedeutung gewonnen, da von der Bürgerschaft ihre Umwandlung in ein steinernes Denkmal zum immerwährenden Gedächtnis in Aussicht genommen war; der König jedoch lehnte diese Ehrung ab. Vielleicht den eigenartigsten Festschmuck hat der Altmarkt bei der sogenannten sizilianischen Hochzeit 1738 erlebt: auf künstlichem Felsen er hob sich ein über 20 Ellen hoher bis obenan mit Campen besetzter Obelisk, die Wasserstrahlen, die aus dem Felsen in große Muscheln sprangen, waren aus versilbertem Metall, glitzerten aber in dem spielenden Licht wie wirkliches Wasser; auf einem Gerüst, das der sizilianische Gesandte hatte bauen lassen, spielten Musikanten und darunter sprang für das Volk roter und weißer Wein wie im Schlaraffenland; auch ließ der Gesandte goldene und silberne Vermählungsmünzen auswerfen.

Trotz der in neuerer Zeit eingetretenen Abschwächung seiner Beziehungen als Markt, Forum und Festplatz, blieb der Altmarkt doch was er immer war: der Hauptplatz und Mittelpunkt der Stadt, ihr Herz gleichsam, das ihre Schicksale am innigsten erlebte. Wenn die Seele der Bevölkerung erregt war, so drängten die Wellen der Erregung nach dem Herzen, den Markt. Und sicherlich haben alle bewegten Zeiten zunächst und zumeist das Gesicht des Marktes verändert und an Stelle des Zuges der Alltäglichkeit ihm ihren Stempel aufgedrückt, so daß es kaum ein wichtiges Schicksal der Stadt geben mag, das nicht irgendwie einen Wiederschein im Äußeren des Marktes fand. Aber eine ganze Reihe von Ereignissen, die das Leben der Stadt eng berührten, spielten sich auch unmittelbar auf dem Markte ab.

Aus dem Mittelalter sind wenig greifbare Vorgänge überliefert; aber sofort stoßen wir auf das Walten der Kirche, die damals die fast unbeschränkte Herrschaft über die Gemüter inne hat und sich nicht verkümmern lassen will. Papst Nikolaus V. hatte 1450 den Franziskaner Johannes von Capistrano als Bußprediger zur Ausrottung der Ketzerei nach Deutschland gesandt. Als er im März 1542 von Freiberg nach Meißen kam, erwartete man ihn auch in Dresden und richtete schon den Markt dazu her. Aber erst ging er nach Böhmen und kam dann über Thüringen wieder ins Meißnerland und Mitte Dezember nach Dresden. Auf dem Markt war ein Predigtstuhl für ihn erbaut und Bänke für die zuhörenden Priester und Schüler. Ein gewaltiger Ruf war den fanatischen Mönch vorausgeeilt und so wird ganz Dresden auf dem Markt zusammen geströmt sein, um seine glühende Beredsamkeit und seine Persönlichkeit auf sich wirken zu lassen. Der welsche Mönch erzielte seinen Erfolg ebenso durch sein südlich lebhaftes Geberden- und Mienenspiel wie durch seine fremden Caute – denn seine Predigt war lateinisch und wurde von einem seiner Genossen verdolmetscht. Gegen Genußsucht eifernd, verbrannte er in ganzen Haufen Spiele, Luxusmittel und Frauenzöpfe, die ihm seine Hörer und Hörerinnen, von der Kraft seiner Rede durchdrungen, brachten. Etwa eine Woche lang hielt er sich hier auf und zog dann nach Kamenz weiter.

Ein anderes Gesicht zeigte der Markt im Jahre 1491, nicht ruhig gespanntes Lauschen, sondern wilde angstvolle Erregung spiegelten seine 3üge wieder. Es

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/10&oldid=- (Version vom 27.11.2024)