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Sehr werthvoll sind die tagebuchartigen Aufzeichnungen, welche der Oberstadtschreiber Michel Weiße über die Jahre 1549 bis 1565 unter dem Titel: Meynn Michell Weissenn gehaltenn memoriall unnd vortzaichnüß hinterlassen hat. Dieselben befinden sich im Rathsarchiv unter der Signatur C. XV. 23m in einem mit schönem gepreßten Einband versehenen Folianten, welcher 183 beschriebene und eine größere Anzahl leer gelassener Blätter enthält, und sind offenbar gleichzeitig nach und nach bei den einzelnen Jahren niedergeschrieben worden. Weiße war aus dem Fürstenthum Sagan gebürtig, seit 1530 Notar und Gehilfe des Gerichtsschreibers in Leipzig, vom 19. Oktober 1549 bis 12. Juni 1566 Oberstadtschreiber, seit 1556 auch Mitglied des Raths in Dresden, wo er um 1566 gestorben ist[1]. Es ist bekannt, welch vielseitige Stellung die Stadtschreiber damals als einzige Beamte des Raths, die juristische Bildung besaßen, einnahmen; sie hatten nicht bloß das gesammte städtische Kanzleiwesen unter sich, sondern waren auch mit der Führung der Kämmerei- und Zinsamtrechnungen betraut. Weißes Memorial muß schon deshalb von vornherein große Bedeutung beanspruchen. Im Vordergrund stehen ausführliche Mittheilungen über seine amtliche Thätigkeit, denen vielfach Auszüge aus Rechnungen beigegeben sind, daneben finden sich aber auch Nachrichten über seine Familie, Vorgänge am kurfürstlichen Hofe, Landtagsverhandlungen, Rathswahlen, Wundergeschichten und dergleichen, alles in bunter Mischung durcheinander. Weck und namentlich Hasche haben diese schätzenswerthe Quelle mehrfach wörtlich ausgeschrieben. Aehnlichen Charakters, aber weit unbedeutender an geschichtlichem Werth, ist die Familienchronik des kursächsischen Küchenbeamten Michael Brunner [WS 1] in Dresden, welche die Zeit von 1547 bis 1597 behandelt und neuerdings von R. Kade in den Mittheilungen des Dresdner Geschichtsvereins IX, 82 ff. herausgegeben worden ist; sie enthält nur wenig Ortsgeschichtliches und mag an dieser Stelle bloß der Vollständigkeit halber Erwähnung finden.

Wenig bekannt dürfte es sein, daß auch der berühmte sächsische Historiker Petrus Albinus eine Chronik von Dresden geschrieben hat. Albinus (eigentlich Weiß oder Weiße) war geboren zu Schneeberg i. E., studirte 1571-1575 in Wittenberg und ward um 1576 Professor daselbst; 1588 wurde er zum Sekretär und Registrator bei der kurfürstlichen Kanzlei (mit dem Auftrag, wie es in der kurfürstl. Bestätigung seines Amtes vom 10.Mai  1592 heißt: „die alten und neuen Händel richtig und ordentlich zusammenzuhalten und fleißig zu registriren") in Dresden ernannt, welche Stellung er bis zu seinem Tode, der zwischen dem 29. Juli und 2. August 1598 erfolgte, inne hatte. Albinus hatte sich frühzeitig mit sächsischer Geschichte beschäftigt. Im Jahre 1579 erhielt er vom Kurfürsten August den Auftrag, die sächsische Geschichte des bekannten Rektors der Meißner Fürstenschule Georg Fabricius (Origines Saxonicae) zu vollenden, dessen Ausführung jedoch unterblieb. 1580 erschien sein Hauptwerk „Commentarius novus de Mysnia oder Newe Meysnische Chronica“, 1589 unter Beifügung der Bergchronik neu herausgegeben unter dem Titel „Meißnische Land- vnd Berg-Chronica“. In der Vorrede dieses Werkes bemerkt er, daß er später noch eine Städtechronik hinzuzufügen beabsichtige; doch ist diese nicht zur Veröffentlichung gelangt. Dagegen befinden sich unter seinem handschriftlichen Nachlaß, der vom Hauptstaatsarchiv an die Königl. öffentl. Bibliothek abgegeben worden ist, mehr oder weniger umfangreiche, größtentheils eigenhändige Aufzeichnungen zur Geschichte einer größeren Anzahl sächsischer Orte, aus welchen offenbar jene Städtechronik zusammengestellt werden sollte. Die Dresdner Chronik ist in zwei Fassungen erhalten: die eine, kürzere, befindet sich in Manuskr. Q. 133 auf 13 Blatt Folio, ist durchweg Autograph des Verfassers und reicht (mit einigen größeren Lücken nach dem Jahre 1528) bis 1570; eine im 17. Jahrhundert, wahrscheinlich auf Veranlassung Wecks gefertigte Abschrift, in welcher die Geschichte der Jahre 1539–1586 selbstständig (von Wecks eigener Hand) bearbeitet ist, ist angebunden. Die zweite wesentlich ausführlichere Redaktion mit dem Titel „Chronica der Stadt Dresden“, welche die Ortsgeschichte bis 1592 führt (Manuscr. d. 52), umfaßt 78 Blatt Folio und ist größtentheils von Kopistenhand geschrieben, aber mit zahlreichen Bemerkungen, Beilagen etc., die von Albinus’ eigener Hand herrühren, versehen. Die Chronik ist in der Weise angelegt, daß eine Einleitung über die etymologische Bedeutung des Namens Dresden und die älteste Geschichte der hiesigen Gegend nebst kurzen Bemerkungen über die Lage der Stadt, einige hervorragende Bauwerke derselben etc. vorausgeht; hieran schließt sich eine annalistische Geschichte von Heinrich dem Vogler ab. Ueberall tritt uns das ernste Bemühen entgegen, das Wahre von dem Fabelhaften, nicht Belegbaren kritisch zu sondern; namentlich ist ihm das Verdienst nicht hoch genug anzurechnen, daß er neben den gleichzeitigen chronikalischen Quellen[2] auch das urkundliche Material des kurfürstlichen Archivs, von dem er in Beilagen mehrere Proben in Abschrift mittheilt, herangezogen hat. Freilich ist


  1. Vgl. Richter a. a. 0. 380 f.
  2. Auch die oben besprochene „kleine Dresdner Chronik“, welche er „Oschatzer Chronik“ nennt, hat er für seine Arbeit verwerthet; die zahlreichen Randbemerkungen in der Handschrift rühren von ihm her.

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/282&oldid=- (Version vom 9.5.2024)