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nicht, wie man nach der obigen Aufschrift vermuthen könnte, eine spezielle Ortschronik; denn sie bietet nur einzelne lokalgeschichtliche Angaben, während die thüringisch-meißnische Landesgeschichte im Vordergrund der die Zeit von Konrad dem Großen bis zum Tode Markgraf Friedrich des Strengen (1349) umfassenden Darstellung steht. Erhalten ist uns das Werkchen nur in einer einzigen Handschrift – früher im Hauptstaatsarchiv, jetzt in der Königl. öffentl. Bibliothek (Manuskr. J. 46) –, die außerdem noch zu Anfang einen kleinen lateinischen Roman von Constantin dem Großen und dessen Mutter Helena enthält und von einer dem 14. Jahrhundert angehörigen Hand geschrieben ist. Der Verfasser lebte ohne Zweifel, eben wegen jener lokalen Bemerkungen, in Dresden und war geistlichen Standes, wie aus der sorgfältigen Verzeichnung zahlreicher Klostergründungen, Stiftungen von Messen und dergleichen hervorgeht, vielleicht Mönch im Franciskanerkloster. Auffällig ist die Anwendung der deutschen Sprache, da sich dieser als Schriftsprache damals vorwiegend nur die Laien zu bedienen pflegten; ich halte es daher für wahrscheinlich, daß uns hier nur die Uebersetzung einer ursprünglich lateinisch geschriebenen Chronik vorliegt, wodurch die zahlreichen Fehler, besonders Namensverwechslungen, im Texte, sowie ein aus der Vorlage herübergenommenes lateinisches Wort (zum Jahre 1256: Otto prefectus von Donyn) am besten ihre Erklärung finden würden.

Ungefähr vom Anfang des 14. Jahrhunderts an liegen uns selbständige Berichte über die vom Verfasser selbst erlebten Ereignisse vor, während für die früheren Zeiten schriftliche Aufzeichnungen, namentlich solche, die auf das Kloster Altzelle als Ursprungsort hinweisen, benutzt sind[1]. Die älteste lokalgeschichtliche Notiz findet sich zum Jahre 1236 (richtig wäre 1234); es wird hier erzählt, daß Markgraf Heinrich der Erlauchte mit seiner Gemahlin Constantia aus Oesterreich ein Stück des heil. Kreuzes nach Dresden gebracht habe: die älteste Nachricht über das später so berühmte Heiligthum der hiesigen Kreuzkirche. Spätere Nachrichten betreffen eine Niederlage der Thüringer „uf den Wilischen tore“ (1315); die Stiftung zweier Frühmessen „dye eyne uber dez heyligen cruczes altar, dye ander in unßer vrowen kor“ durch Friedrich den Kleinen, sowie den Verkauf Dresdens[2] durch denselben an Markgraf Waldemar von Brandenburg für 7000 Schock Groschen und eine jährliche Rente von 400 Schock auf Lebenszeit (zum Jahre 1316 gestellt, aber in der Darstellung deutlich als Nachholung früherer Ereignisse gekennzeichnet[3]; die Stiftung zweier Altäre („aller heyligen altar unde den czu den heiligen crucze“) durch Ticze Buling (zu 1321); Einsturz der Elbbrücke (1342); Judenverbrennung und Vertreibung der Flagellanten (1349)[4]. Es sind uns also eine ganze Anzahl wichtiger stadtgeschichtlicher Notizen nur durch diese Quelle erhalten.

Aus dem folgenden Jahrhundert, welches gerade den Höhepunkt der historiographischen Thätigkeit in zahlreichen deutschen Städten bezeichnet, fehlen uns leider für Dresden, von urkundlichem Material – das ja kein vollständiges Bild der Entwickelung zu geben vermag – abgesehen, geschichtliche Aufzeichnungen gänzlich. Erst im sechzehnten Jahrhundert, in welchem sich überhaupt, durch die humanistischen Studien begünstigt, der historische Sinn auch in Sachsen regte, wird diesem Mangel wenigstens einigermaßen abgeholfen. Aus dem Anfang desselben stammt die kurze, bis 1530 reichende Geschichte Dresdens, welche der unter dem Namen des Pirnaischen Mönchs bekannte Dominikaner Johann Lindner zu Pirna in seinem großen geographisch-historischen Sammelwerke (Onomasticon; die hier in Frage kommende Stelle gedruckt bei Mencke II, 1543 ff.) gegeben hat. Sie beginnt mit einer kurzen beschreibenden Einleitung, an welche sich die Darstellung der Ereignisse nach Jahren geordnet, aber nicht immer in streng chronologischer Folge, anschließt. Für die ältere Zeit unbrauchbar, weil vieles Fabelhafte enthaltend – es sei bemerkt, daß die besonders von Weck (Beschreibung von Dresden 207) als unhistorisch nachgewiesene Tradition von der Entstehung der Kreuzkirche aus der Kapelle eines angeblich vorher an dieser Stelle befindlichen Nonnenklosters hier zum ersten Male vorgebracht wird – bietet die Arbeit in dem späteren Theile, wo der Verfasser als Zeitgenosse schreibt, einige gute Nachrichten. Die späteren Chronisten, besonders Petrus Albinus, haben diese Quelle ausgiebig benutzt.


  1. Hierüber handelt Ulmann in den Forschungen zur deutschen Geschichte XIV, 207 ff., wo auch eine Anzahl Lesarten und fehlende Wörter des Mencke’schen Textes berichtigt und ergänzt sind.
  2. Der Name „Dreseden“ ist von Mencke ausgelassen, steht aber, wenn auch undeutlich, in der Handschrift.
  3. Der Verkauf Dresdens an Waldemar ist in den bisher erschienenen Darstellungen dieser Verhältnisse nicht berücksichtigt worden. (Klöden, Markgraf Waldemar II, 198f., Wegele, Friedrich der Freidige 335, Richter, Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden 242.) Da die Urkunde, in welcher die brandenburgischen Markgrafen Waldemar und Johann die Stadt in ihren hergebrachten Rechten zu schützen versprachen (Cod. dipl. Sax. II, 5, S. 25 Nr. 32), sicher vom 19. Oktober 1315 ist, so muß der Verkauf vorhergegangen sein. Die Notiz unserer Chronik über die Kämpfe am Wilischen Thore kann daher nicht auf eine Eroberung der Stadt durch die brandenburgischen Markgrafen bezogen werden, sondern bezeichnet wohl einen Versuch Friedrichs des Freidigen, dieselbe durch thüringische Truppen den Brandenburgern zu entreißen, der aber abgeschlagen wurde.
  4. Vgl. Richter a. a. O. 227.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/281&oldid=- (Version vom 9.5.2024)