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in Betrachtung versunken. Er lebte im Sehen, nachdem er früher blind war. Das ist doch ein großes Glück. Durch eine sehr glückliche Nachoperation ist er jetzt in die glückliche Lage gekommen, seine Augen recht gut gebrauchen zu können.

13) Donnerstag. Seit gestern früh regnet es nun wieder fast unausgesetzt. Da ich heute in der Akademie nicht nothwendig bin, so bleibe ich weg und benutze meine Zeit zur Arbeit. – Nein, es treibt mich doch in die Akademie und zu den Schülern, die sehr brav arbeiten und mir Freude machen.

15) Samstag. Um 7 Uhr Morgens stellte ich mich in meinem Atelier ein, um mit Lehnert und ein paar anderen Leuten meine Kartons auszupacken und zwei davon für die Ausstellung und einen für Thaeters Schule auszusuchen. Für die Ausstellung nahm ich „Carl erobert Pavia und nimmt Desiderius gefangen“ und „Carl besiegt die heidnischen Sachsen“. Für Thaeter suchte ich „Friedrich Barbarossas Wahl zum deutschen König“ heraus. Bei dieser Gelegenheit nahm ich auch die Palme aus der Kiste, welche Halbreiter uns vor Jahren aus Jerusalem mitbrachte und die seit der Verpackung der Kartons in Haft war. Sie ist vollkommen gut erhalten. – Nach diesem Geschäft besuchte ich noch die Schüler beim Akt. Fast alle haben gut, einige sehr gut gearbeitet, und mit Freude habe ich diese Studien geleitet. In der nächsten Woche wird nach dem Gewand studirt. – 101/2 Uhr ging ich ins Brühlsche Palais, wo ich mit den Geheimen Hofräthen Zenker und Schulz eine Anzahl schlechter Bilder durchmusterte, welche bisher Direktor Frenzel unter Verschluß [hatte]. Einen Canaletto, das einzige gute Bild darunter, die Kirche St. Giovanni e Paolo zu Venedig darstellend, werden wir für die Galerie nehmen, die andern aber zur Dekoration von Schlössern, soweit sie irgend noch herstellbar, in Stand setzen. Der Canaletto ist auch dermassen mit Schmutz bedeckt, daß ein ganz sicheres Urtheil über dessen Werth noch nicht möglich ist. Fast scheint mir, das Bild gehöre dem Canale an[1].

17) Montag... Zumpe zeigt mir vier Entwürfe zu den Propheten für die katholische Kirche. Die Entwürfe sind sehr brav, obwohl nicht ganz im Stil. Hierin will ich aber nicht mäkeln und nur darauf hinwirken, daß die Gestalten ernst und würdig werden.

19) Mittwoch... Die Psalmen lassen mir keine Ruhe, und deren Darstellung in vier Bildern: Anbetung, Buße; Bitte, Lob und Dank hat sich schon ziemlich deutlich bis in die Einzelheiten gestaltet. Um heute dabei bleiben zu können, rufe ich Sachße zu Hülfe, damit er mir die Holzzeichnung aufpause, die über kurz oder lang von mir geliefert werden muß. Sachße kommt noch vor Tisch und paust dann den ganzen Nachmittag, während ich an den Psalmen zeichne. Erst um 8 Uhr Abends machen wir Schicht.

21) Freitag... Heute Abend bringen die Akademiker und selbständigen Kunstgenossen Professor Bendemann ein Fackelständchen aus Veranlassung der Vollendung seines großen Werkes im Schlosse. Bendemann verdient in jeder Beziehung eine Auszeichnung, und mit Freude schließe ich mich dem Zuge an. Eine wundervolle Nacht begünstiget die Feier. Die Aufstellung findet im Garten statt, welcher zu Bendemanns Haus gehört. Der Gesang nimmt sich sehr schön aus. Ludwigs Stimme regiert denselben.

23) Sonntag... Meine vier Psalmenbilder sind in den Entwürfen nun fertig, und ich glaube, daß ich die mir gestellte Aufgabe gelöst habe.

August.

6) Sonntag. Am Vormittag arbeite ich in aller Stille und ohne Störung auf dem Atelier. Gaber bringt inzwischen der Hausfrau die traurige Nachricht, daß Ludwig Richters vortreffliche Frau gestern plötzlich vom Schlag getroffen und verschieden ist. Die Familie feierte in Loschwitz ein heiteres Fest, und mitten in der fröhlichsten Stimmung wird die gute Frau schmerzlos und sanft vom Tod hinweggenommen. Wer würde da nicht an Holbeins Todtentanz erinnert!

8) Dienstag... Um 6 Uhr Nachmittag fahre ich mit Ludwig auf dem Dampfschiff nach Loschwitz, um dem Begräbniß der Frau Richter beizuwohnen. Mit uns begeben sich noch viele Freunde auf dem Dampfschiff nach der Begräbnißstätte. Die Feier ist einfach, aber würdig. Ein Geistlicher spricht ein Lied, das Vater Unser und den Segen.

9) Mittwoch... Auch erhalte ich einen Besuch von Herrn Lübke aus Berlin, Kunstliterat, Mitarbeiter an dem von Dr. Eggers herausgegebenen Kunstblatt. Lübke bleibt einen Monat hier, will die hiesigen Sachen, zunächst Rietschels Werke besprechen. Lübke gefällt mir sehr wohl. Er will demmächst mit Roquette uns besuchen und einen Abend bei uns zubringen.

10) Donnerstag. In der Nacht ist die entsetzliche Kunde hier eingetroffen, daß unser König auf seiner Reise in Tyrol, auf dem Wege nach Imst, verunglückt und plötzlich aus diesem Leben abgerufen worden ist...

11) Freitag. Versammlung des akademischen Raths in dem Ausstellungslokal zur Bestimmung der Prämien für die Schülerarbeiten. Grosse, Kießling (Paul), Nieper erhalten Medaillen.

12) Samstag. Der höchstselige König war mir aus der Zeit meiner frühen Jugend persönlich bekannt. Im Jahre 1809 kam Prinz Maximilian, dessen Vater, vor den Oestreichern fliehend, die unter dem General


  1. Dies wird bestätigt durch die Angabe im Galerie-Inventar vom Jahre 1754 (vergl. Woermanns Katalog zu Nr. 582).
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/278&oldid=- (Version vom 20.5.2024)