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in erster Linie vorgelegt und zur Annahme empfohlen werden soll.

10) Mittwoch... Besuch bei Kirchbach im Neuen Museum. Seine Erfindungen sind geistreich und sehr gut angeordnet; nur fehlt es sehr an Feinheit der Zeichnung.

11) Donnerstag... Das Schriftchen von Freund Koopmann: „der evangelische Kultus und die evangelische Kunst“, welches ich dieser Tage erhalten habe, ist mit großem Ernst, tiefer Einsicht und inniger Liebe für seine Kirche, – doch aber auch mit Einseitigkeit geschrieben. Ich komme wohl noch einmal darauf zurück, wenn ich es ganz durchgelesen habe.

13) Samstag... In dem oben erwähnten Schriftchen von Koopmann finde ich heute eine Stelle, die an mich gerichtet ist. Koopmann bedauert, daß ich meine Kräfte nicht verwendet habe an die Anbahnung einer „evangelischen Kirchenkunst“ und mit geholfen habe „unsere altdeutsche Schule ihrem Höhepunkt näher zu bringen“. Obwohl er weiß, daß „Christenthum und Bibel höher stehn als Kirchenthum“, und er mir Recht giebt, wenn ich sage, daß die Kunst eine „Weltsprache“ sei, die allen verständlich sei und außer und über den Einzelsprachen liege, so meint er doch, ich hätte das besondere Kirchliche und Nationale mir zur Aufgabe machen sollen; denn es gebe Zeiten, wo das letztere hervorgehoben werden müsse, und eine solche Zeit sei die jetzige. Er meint auch, ich hätte den großen Unterschied übersehen zwischen verstehen und erbauen, und ich würde das letztere besser erreichen, wenn ich zu meinem Volk in der Landes- und Kirchensprache redete. Ich soll also mein Volk erkennen nur in dem Theil des großen deutschen Volkes, welcher protestantisch ist. Ich soll die Kluft, die seit ein Paar Jahrhunderten auf dem deutsch-kirchlichen Gebiete sich eröffnet hat, auch in das Gebiet der Kunst hineinziehen und eine protestantische Kunstsprache mir bilden, indem ich die alten Typen, namentlich das symbolische Element, aufgebe und die „eigentliche reine biblische Geschichtsmalerei“ als „evangelische Kirchenmalerei“ begründen helfe. – In diesem Punkt vereinigen wir uns nicht, lieber Freund, und ich schließe mich an dich nicht an, nicht deshalb, weil ich dich nicht fassen könnte oder meine Kirche nicht lieb habe, sondern weil ich dein Streben für kleinlich und einseitig halte und mich gerade als Künstler in der glücklichen Lage sehe, mich an das ungespaltene Christenthum halten zu dürfen, weil ich zum Herrn will, wo und wie er mich ruft und treibt, nicht aber ihm zumuthe protestantisch zu werden, ehe ich ihn annehme und folge. Die Reformation hat auf dem Gebiete, auf welchem die Kunst ihren Sitz aufschlägt, viel wegzufegen gehabt, und es ist dabei viel gestört und zerstört worden, weil arg gewirthschaftet und gesündiget worden ist; damit ist aber nicht gesagt, daß der Zusammenhang mit der alten Kirche aufgegeben und eine neue Kunst errichtet werden müsse, die ohnehin nach Koopmanns Andeutungen eine höchst nüchterne, poesielose und wahrlich keine echt christliche werden würde. Hebt das Neue Testament nicht selbst überall das symbolische Element hervor? Koopmann sagt: „haben wir zwei Kirchen, so müssen wir folgerecht auch zwei Kirchenkünste haben“. Die Behauptung klingt scharf, ist aber doch stumpf und nichtssagend. Zwei Kirchen, das ist eben wahr und doch auch wieder nicht wahr. Und ich glaube, in Beziehung auf die Kunst ist es nicht wahr, wenn auch der evangelische Christ sich mißbräuchlicher Anwendung der Kunst zu enthalten hat, die in der katholischen Kirche allerdings häufig vorkommt.

14) Sonntag. Freund Koopmann meint es herzlich gut, aber er hat sich viel unnöthige Sorge gemacht. Anstatt auf die neue Erfindung einer protestantischen Kirchenmalerei zu sinnen, hätte er sich damit begnügen können, Unbiblisches abzuthun und aus der unerschöpflichen Herrlichkeit des Christenthums immer tiefer herauszugreifen. In diesem Sinne hat ja auch die Reformation selbst nur eine Geltung. Sie soll eine Erneuerung, aber keine neue Erfindung sein. Erwacht in unserer Kirche neues, wahrhaft evangelisches Leben, finden sich rechte evangelische Künstler, so wird die evangelische Kirchenkunst von selbst sich machen, ohne eine neuė Firma und ohne daß der Einzelne darauf sinnt, als Protestant sich zu zeigen. Ich möchte doch wissen, was in meinen „Betrachtungen“ ihn so hoffnungslos macht und ob er unter meinen Bildern eines finden könnte, das unevangelisch oder unbiblisch wäre. Die Anwendung alter Typen und die poetische Form, das symbolische Element, – das ist doch wahrlich nicht unbiblisch... Brockmann sendet mir noch am Abend einen Abdruck meines photographischen Porträts. Es ist ganz vortrefflich gelungen.

20) Samstag. Ich zeichne einige Figürchen für die kleine Rococo-Vase. Für die eine Seite ein Mädchen, das einem Vögelchen nachjagt, um es zu haschen. Drüber einen Liebesgott, der einem Jägersmann herbeiwinkt, welcher für die andere Seite bestimmt ist. Dieser versäumt seine eigentliche Jagdbeute, um dem Mädchen nachzugehen. Drüber ein Liebesgott, der den Bogen wie eine Flinte auf ihn anlegt.

27) Samstag... Herr Müller sen. aus Meißen bringt mir einen Brief vom Bergrath Kühn mit der Anzeige, daß die erste Vase den zweiten Brand glücklich ausgehalten hat; nur ist an einer Stelle ein Haarriß zu bemerken, welcher einen dritten Brand sehr bedenklich machen würde. Die Vase befindet sich hier in der Niederlage, und ich soll nun entscheiden, ob eine weitere

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/276&oldid=- (Version vom 20.5.2024)