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leichte Verletzlichkeit deuten darauf hin, den köstlichsten Beleg aber bringt ein Aktenstück des Rathsarchives zu Dresden[1]. Mitten in den Gartenanlagen zwischen dem schwarzen und dem weißen Thore hatte ein Kaufmann Schaft eine Fournierfabrik angelegt, die er im Jahre 1823 sich entschloß mit einer Dampfmaschine zu betreiben. Aber der intelligente Mann hatte die Rechnung ohne den Zopf seiner Zeit gemacht. Probirt er da die neue Maschine, deren Konstruktion freilich nicht die beste gewesen sein wird, als Herr Thormeyer durch das ungewohnte Geräusch aus seinem Mittagsschläfchen gerissen wird. Er eilt ans Fenster und draußen, o Himmel, ein Stoßen und Schnaufen, eine schwarze Rauchwolke! Nein das geht nicht! Sogleich werden die ehrsamen Nachbarn herbeigerufen. Man verhandelt hin und her und endlich wird ein gewaltiges, viele Folioseiten langes Dokument aufgesetzt und an den Amtmann gerichtet. Mit dem Brustton tiefster Ueberzeugung sprechen die Trefflichen erst von den Dampfmaschinen im Allgemeinen. Der Ruß und Gestank werden hervorgehoben, das zudringliche, ungewohnte Geräusch und die furchtbare Gefahr des Zerspringens. Dann wird eine lange Auseinandersetzung des Schadens gegeben, wie das Besitzthum gesunken, die Miethe verringert, wie die ruhige Geselligkeit mit ihren Freunden zerstört, ja wie ihre Verantwortung bei Besuch unglaublich geworden, denn wer kann ihnen dafür stehen, daß nicht das Leben der Gäste, daß nicht ihr Hab und Gut dem gräßlich schnaufenden Ungethüm zum Opfer falle! Zu guterletzt fügen sie die Drohung hinzu, bis an den König zu gehen, wenn Herrn Schaft nicht bei 20 Thlr. Strafe der Gebrauch der Maschine untersagt werde. Ganz oben unterschreibt Thormeyer dieses köstliche Zeugniß beschränkten Philisterthums. Nach einigen erfolglosen Hin- und Herschreibereien senden sie wirklich das Gesuch an den König. Am 16. Januar 1824 schickt König Friedrich August dieses und die Gegenschrift Schafts zurück und befiehlt in gerechter und aufgeklärter Weise folgendes: „Ihr wollet Schaft in Betreibung seiner Fournierschneidemaschine, des von Thormeyer und Genossen geschehenen Einwandes ohngeachtet, nicht behindern und die Interessenten demgemäß bescheiden.“

Am 11. Februar 1842 1/2 4 Uhr starb unser Künstler an einem Nervenschlage. In einer Auktionsanzeige, die nach seinem Tode am 10. März 1842 im „Dresdner Anzeiger“ erschien, werden aus seinem Nachlasse aufgezählt diverse Kostbarkeiten und Silberwerke, ein tafelförmiges Pianoforte, Ameublement von Mahagoniholz, darunter ein beweglicher Toilettenspiegel, ein seltenes Kabinetstück mit Platte vom schönsten carrarischen Marmor, das Spiegelglas vom feinsten venetianischen Glase, Gewehre, die besten Wirthschaftsgeräthe, gute Bücher, Gemälde, Kupferstiche, worunter einige kostbare von Dittrich, gute Weine, eine halbbedeckte Droschke u. s. w. Aus dieser Auktionsanzeige erfahren wir auch Thormeyers letzte Wohnung: Große Plauensche Gasse Nr. 16, I. Etage.

Unter dem mächtigen, säulenartigen Familiengrabmal auf dem Eliasfriedhofe ruht seine Asche. Dies Monument hat er offenbar beim Tode seines zweiten Töchterchens errichtet. Vier Friedensengel, die an der wuchtigen Säule schwebend angebracht sind, lassen ebensoviel Felder zwischen sich frei. Den dritten Raum deckt Thormeyers Name, seit 1849 ist auch der vierte ausgefüllt. Traumverloren ragt der mächtige Stein aus dem üppig wuchernden Grün. Uralte Gräber ringsum, wohl keines aus der letzten Hälfte dieses Jahrhunderts, die meisten aus dem vergangenen, draußen die himmelanstrebenden Bauwerke der lebenden Generation, das Wagengerassel und Geläute der vorübersausenden elektrischen Straßenbahn, hier mitten im Gewühle des Lebens, umschlossen von hohen Mauern, zwischen den Gräbern und morschen Steinen ein weltvergessener poetischer Friedhof, ein Sammelplatz verschollener Todter, die gelebt und gestrebt, die gelitten und genossen wie wir und denen das geworden, was auch den meisten von uns mit all unserem Hoffen, Mühen und Arbeiten werden wird: das Dunkel der Vergessenheit.


Die Entstehung der Antonstadt.
Von Sekretär Heinrich Haug.

Ueber die Entstehung der Antonstadt finden sich in der sonst so reichhaltigen Dresdner Literatur mit Ausnahme von Hasches „Zweitem Beitrag zur Geschichte des 19. Jahrhunderts“ S. 24 flg. nur einige wenige und ganz unzureichende Notizen. Aber auch die Darstellung Hasches ist sehr unvollständig und enthält verschiedenes Unrichtige. Es soll daher versucht werden, an der Hand der Akten eine ausführliche Geschichte der Entstehung der Antonstadt zu geben.

Der Boden, auf welchem die heutige Antonstadt entstanden ist, war zu Ende des 17. Jahrhunderts eine völlig unbebaute Sandfläche, nur nach der Elbe zu, etwa in der Gegend der jetzigen Carlstraße, befanden sich ein oder zwei Weinberge. Es werden zwar bei einer zu Steuerzwecken im Jahre 1652 vorgenommenen Revision „an der Elbe über der Schanze außerhalb der kleinen Palissaden“ sowie „an der Stolpischen Landstraße“ eine Anzahl Aecker, Wiesen und Weinberge erwähnt,


Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/251&oldid=- (Version vom 8.5.2024)
  1. C.XXVI. 1648.