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Karl Maria von Webers, Francesco Morlacchi. Die Zeichnung ist fast nur in Umrissen angelegt, aber flott aufgefaßt und zeugt wieder von der Vielseitigkeit Thormeyers. Es würde zu weit gehen, all die Zeichnungen, Studien und Bilder Thormeyers aufzuführen, die er im Laufe der Jahre geschaffen. Wir wollen nur noch bemerken, daß sich eine ganze Sammlung Thorhäuser Dresdens, Originalzeichnungen vom alten kurfürstlichen Theater, ein wunderschönes Blatt der Augustusbrücke mit katholischer und Frauenkirche, dem Schloßthurm und symbolischem Vordergrund neben vielem anderen in der Friedrich August-Sammlung zu Dresden vorfinden.

Thormeyers Künstlerthum kann nur dann einer gerechten Würdigung unterworfen werden, wenn man den Zeitverhältnissen, des Künstlers Schulung und Geschmacksrichtung immer wieder Rechnung trägt. Da er in seiner ganzen Lebensanschauung der guten alten Zeit angehörte, ist es natürlich, daß er dem neuen, frischen Zuge, der seit Anfang dieses Jahrhunderts das erstarrte Künstlerthum zu beleben begann, verschlossen gegenüber stand. Die neue Richtung, die aus dem Manierismus zur Natur zurückkehrte und mit dem Geist der Poesie das Gewöhnliche in Form und Gedanken zu Bedeutendem emporheben wollte, konnte und wollte er nie verstehen. Er blieb vielmehr bei seinen konventionellen Kunstregeln; die schablonenmäßigen Formen der „gezacketen Eichenmanier“ und der „gerundeten Lindenmanier“, wie sie Zingg gebrauchte, finden wir auch in seinen besseren landschaftlichen Zeichnungen, und seine Bauwerke und architektonischen Entwürfe lassen da, wo von Architektur überhaupt die Rede sein kann, den Geschmack des vorigen Jahrhunderts nicht verkennen.

Das Hauptgewicht seiner Leistungen als Maler und Zeichner liegt naturgemäß bei ihm in den Architekturbildern. Und sieht man von einigen wenigen Ausnahmen ab, so ist es auch nur dieses einzige Feld, auf dem er wirklich etwas leistet. Geradezu meisterhaft sind jene schon erwähnten Dresdner Architekturbilder, jeder Carnice, jede Kehle der Simse, jede Verkröpfung ist schön und klar wiedergegeben. Die sehr gute Linien- und Luftperspektive macht diese Blätter ungemein wirkungsvoll. Kommt jedoch ein einziger Baum, eine kleine landschaftliche Umgebung hinzu, so verdirbt meist die oberflächliche, mißmuthige Ausführung derselben den Gesammteindruck vollkommen. Nur bei wenigen Blättern halten sich Architektur und Landschaft die Wage. Thormeyer betrachtet augenscheinlich die landschaftliche Umgebung als ein nothwendiges Uebel, dessen er sich so schnell wie möglich entledigt. Viele, ja die meisten seiner Zeichnungen sind skizzenhaft, oft nur mit wenigen Strichen angedeutet oder das nicht einmal, eine Folge der Bequemlichkeit und des lassen Schaffensdranges des Künstlers. War er aber einmal aufgelegt und trat keine Störung ein, so konnte er Bilder schaffen, die einen merkwürdigen Kontrast zu den Werken vieler unserer jetzigen Künstler bilden. Heute, wo eine charakteristische Unverfrorenheit mit wenigen Pinselstrichen oft Machwerke erzeugt, die ein künstlerisch unmündiges Publikum und leider auch mancher Gebildete, aus Furcht anzustoßen, als Offenbarungen des tiefsten Künstlergeistes anstaunt, muthen manche der duftigen Aquarelle Thormeyers eigenartig an. Und thut der Künstler auch oft zu viel, vermindert zuweilen das genaue Detail die Gesammtwirkung, so erkennt man doch, mit welcher Naivetät und mit welchem natürlichen Geschmack der Künstler trotz vieler traditionellen Irrthümer seine Motive aufgefaßt hat. Nirgends ein Haschen nach Effekten, ein Hervordrängen unnatürlicher Kontraste. Nun wird vielleicht mancher meinen, daß Thormeyer jedenfalls kein Verständnis für eine wirkungvolle Auffassung eines Motives besessen habe. Aber dem ist nicht so. Man braucht nur im Kupferstichkabinet zu Dresden sein Bild des Wasserpalais zu Wörlitz in die Hand zu nehmen. Gegen die graciöse Architektur des Gebäudes die er wunderschön wiedergiebt, gegen den Baumschlag im Mittelgrunde würde eine minutiöse Ausführung der Felsstücke im Vordergrunde erdrückend wirken, darum legt er dies nur an. Daß auf diesem meisterhaften Blatte das Wasser schlablonenmäßig behandelt ist, befremdet den, der sich eingehender mit Thormeyer beschäftigt, nicht. Er ist eben kein Wassermaler, es fehlt ihm das Verständniß für das nasse Element. Thormeyer war ein Architekturmaler, und zwar ein vorzüglicher. Von diesem Standpunkte sind seine vielen anderen Erzeugnisse auf dem Gebiete der zeichnenden Kunst nur als Beweis dafür zu betrachten, daß er auch noch anderes leisten konnte, freilich ein Porträt- oder Genremaler wäre er nie geworden, dazu fehlte ihm die Phantasie, der durchgeistigende Hauch, was beides man auch oft in seinen landschaftlichen Architekturbildern vermißt.

Treten wir jetzt dem Menschen Thormeyer etwas näher, so wollen wir zunächst berichten, daß er mit dem 18. August 1810 Wittwer wurde. Seine Frau war eine geborene Hübner. Am 6. Mai 1802 ward Thormeyer Vater einer Tochter, die am 27. April 1849 als Emilie Wagner starb. Ein zweites Töchterchen, das ihm seine Frau am 12. Juni 1804 schenkte, wurde schon am 4. Mai 1817 dahingerafft. Einen männlichen Nachkommen besaß er nicht.

Thormeyer selbst war ein Kind des 18. Jahrhunderts. Jenes strenge Festhalten an alten Gebräuchen, der steife Ton seiner Briefe, die Empfindsamkeit und

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/250&oldid=- (Version vom 8.5.2024)