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finde es unbillig, den Leuten, die mit stillschweigender Billigung der Behörde diese Hüte sich anschafften, nun zuzumuthen, sich neue Kopfbedeckungen zu kaufen. Ich finde es zwecklos, die Leute zu ärgern; denn man wird diejenigen, denen es um ein Abzeichen zu thun ist, nicht hindern, sich ein Abzeichen irgend einer Art, das nicht verboten werden kann, beizulegen. Man hat ja doch Erfahrungen darüber, was mit dergleichen kleinlichen Quälereien ausgerichtet wird.

4) Freitag... Theater. Die Hausfrau und Tochter Marie und ich sehen die Antigone. Zum erstenmal werden wir mit der antiken Tragödie in dieser Weise bekannt. Der Eindruck ist ein überaus mächtiger. Schon die nach Sempers Angabe eingerichtete Bühne hat etwas eigenthümlich edles und ansprechendes. Mit Paldamus, der uns die Plätze verschafft hat, besprechen wir noch nach der Aufführung am traulichen Theetisch das Stück und was damit zusammenhängt.

9) Mittwoch. Ich werfe die Komposition „Jesus und die Samariterin“ noch einmal um und arbeite mich heute recht müde und matt, weil ohne sicheres Gefühl, auf dem rechten Wege zu sein. Es ist heute ein Tag, an welchem die Masse der Arbeiten, die erlediget sein wollen, mich ängstigen... Das ermunternde und tröstende Wort eines Freundes, der vertraut mit meiner Lage zugleich auf meine inneren Zustände einging, fehlt mir. – Brief von Wigand. Die Erfolge unseres Werkes sind noch sehr unter seinen Erwartungen. Es sind 2000 Exemplare abgesetzt. Es ist aber der Absatz von 7000 Exemplaren nöthig, um die Kosten zu decken. In einer Bekanntmachung, welche mit jener von mir entworfenen und ziemlich roh im Holzschnitt wiedergegebenen Vignette ausgestattet ist, fordert Wigand die Geistlichen und Schullehrer Sachsens auf, das Werk zu fördern und den Schulen dessen Anschaffung zu empfehlen.

11) Freitag. Wigand drückte in seinem letzten Schreiben auch den Wunsch aus, daß Direktor Gust. Nieritz, der bekannte, sehr populäre Schriftsteller, in einer zu veröffentlichenden Erklärung unser Werk den Schulen empfehle. Da Wigand hiebei meine Vermittlung angesprochen hat, so suche ich Nieritz heute Nachmittag auf. Ich finde ihn (Neustadt, Antonstraße Nr. 19) in seinem Garten, auf einer Leiter stehend, im Begriff Raupennester zu vertilgen. Er nimmt mich und mein Anliegen sehr freundlich auf und verspricht „blindlings“ – denn er hat unser Werk noch gar nicht gesehen – auf meinen guten Namen und auf die paar Worte hin, die in der Besprechung des Werks in den Protestantischen Monatsblättern aus meinem Vorwort aufgenommen worden sind, Wigands Wünsche zu erfüllen.

12) Samstag... Abends sind wir mit Krugs bei Blochmanns. Es erhebt sich daselbst ein Streit über das Verfahren der Regierung in der gerichtlichen Verfolgung des Gervinus wegen seiner Einleitung zur deutschen Geschichte des XIX. Jahrhunderts. Ich meine, die Regierung hätte das Buch laufen lassen sollen. Krug meint, die Regierung hätte es nicht können laufen lassen. Ich meine, gerade in dieser Zeit sei es nothwendig, daß die vornehmen und gebildeten Herren, in deren Kreise das Buch doch vorzugsweise gelangt, immer und immer wieder erinnert werden, daß die weltgeschichtliche Entwicklung sich nicht nach ihren, sich wieder auf eine traurige Weise steigernden Reaktionsgelüsten richtet, sondern ihren Gang geht. Krug meint, gerade in dieser Zeit sollten die Schriftsteller sich hüten, Dinge zu sagen, die den vierten Stand ermuntern müßten, nach der Herrschaft zu trachten. Ich meine, dieses sage ich aber nicht, an dem Buche sei das viel ärgerlicher und verdammenswürdiger, daß es das Christenthum als etwas hinstelle, das mit der Zeit wie ein Nebel ganz verschwinden werde, als die Aufstellung der Ansicht, der Arbeiterstand werde mit der Zeit die gebietende Klasse werden.

17) Donnerstag. Nieritz schickt mir nebst einem sehr freundlichen Briefchen einige für die Oeffentlichkeit bestimmte empfehlende Zeilen über das Bibelwerk. – Diner bei dem Präsidenten Müller. Unter den Gästen befinden sich Graf Kuefstein der östreichische Gesandte, Herr von Zeschau der sächsische Minister des Kultus, General Graf Baudissin, Amtshauptmann von Winkler Nachkomme des Besitzers der ehemals berühmten Winkler’schen Gemäldesammlung in Leipzig.

18) Freitag. Konferenz des akademischen Raths. Rietschel und ich werden an die Stelle der austretenden Kollegen Bendemann und Hübner zu Mitgliedern der Kommission, welche von Seiten der Akademie als Beirath der Verwaltung der Porzellanmanufaktur zugetheilt ist, gewählt. Nicolai verbleibt in der Kommission.

20) Palm-Sonntag. Brief von Wigand... Ahlfeld will eine Empfehlung unseres Werkes entwerfen, welche dann von andern Geistlichen und Schullehrern Sachsens, die gleicher Ansicht sind, unterschrieben werden soll. – Die Aufzeichnung „Jesus und die Samariterin“ beendiget und an Gaber abgegeben. Zscheckel bringt mir einen Probedruck der nun vollendeten Platte „Verkündigung der Sündfluth und Bau der Arche“. Die Platte ist ganz gut ausgefallen. Den schärfsten Tadel muß ich immer noch gegen mich selbst richten, wenn die Blätter nicht nach meinen Wünschen ausfallen. Es fehlt den Aufzeichnungen hie und da an Leben und Einfachheit in der Behandlung. Wie unerreichbar vortrefflich ist nicht Dürer in dieser Beziehung! – Bei weniger geschickten Holzschneidern als Gaber kommen meine Fehler immer stärker zum Vorschein als bei diesem.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/227&oldid=- (Version vom 25.6.2024)