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20) Samstag. Auf Einladung Rietschels die Skizze zu der Gruppe „Goethe und Schiller“, die für Weimar ausgeführt wird, gesehen. Die Auffassung scheint mir vortrefflich und, da man bei Rietschel einer vollendeten Durchbildung gewiß sein kann, so darf man jetzt schon auf ein herrliches Denkmal für unsere großen Dichter rechnen.

28) Sonntag... Des Feldmarschalls Yorck Leben haben wir nun zu Ende gelesen. Es ist ein ernstes Buch und paßt zu dem Leben Steins. Man lernt die Zeit, in welcher diese Männer lebten und wirkten, aus diesen Büchern gut kennen, und wollte Gott, es begriffen und beherzigten alle die großen Mahnungen, die in ihnen enthalten sind.

Dezember.

2) Donnerstag. Schönchen schickt mir ein Stück Beilage der Allgemeinen Zeitung vom 1. Dezember, in welcher eine Erklärung Försters über die „kunstgeschichtlichen Fresken Kaulbachs an der neuen Pinakothek zu München“ mit Bezugnahme auf meine Erklärung enthalten ist. Er sagt: daß er sich anfänglich Stillschweigen in dieser Angelegenheit auferlegt habe, daß aber die „Antwort auf Schnorrs Manifest“[1] ihm die Feder gewaltsam in die Hand gedrückt habe. Er spricht sich dann gegen die in der Antwort aufgestellte Ansicht, als ob das deutsche Volk um seine Kunst sich nicht bekümmre, im Gegentheil sie als ein verhätscheltes Adoptivkind mit Mißgunst betrachte, entschieden aus und tritt meinem Proteste mit höchst ehrenhaftem Freimuthe bei. Für mich liegt in dieser Erklärung eine große Genugthuung. Der Verfasser der Antwort ist höchst wahrscheinlich Robert Lecke.

6) Montag... In der Allgemeinen Zeitung wird Kaulbach (vermuthlich von Marggraff) herausgestrichen. Es werden erwähnt die würdigen ernsten Künstlergestalten, welche die Rückseite der neuen Pinakothek schmücken sollen. Es wird gesagt: wenn ich mit meinem Urtheil gewartet hätte, bis diese jetzt nur noch in den Kartons sichtbaren Gestalten ausgeführt wären, so würde es anders ausgefallen sein!

8) Mittwoch. Emil Müller, jener talentvolle Baumeisterssohn aus Großenhain, wird unter meiner Leitung sein kleines Altarbild: Das heil. Abendmahl, ausführen, ohne deshalb definitiv als mein Atelierschüler aufgenommen zu sein, wozu er doch noch nicht reif genug scheint. Heute hat er mit der Aufzeichnung auf Leinwand begonnen. Ein Karton in noch kleinerem Maßstab ist bereits vollendet.

12) Sonntag. Dawison ist nun hier, um eine Reihe von Gastrollen zu geben. Wir sehen ihn heute als Richard III. Er zeigt sich als ausgezeichneter Künstler. Zu beklagen ist die ungeheure Verstümmelung des Stücks. Viele der bedeutendsten Szenen fallen ganz hinweg. Außerordentlich ergreifend ist die zweite Szene des ersten Aufzugs. Dawison und die Bayer-Bürck spielen unübertrefflich.

15) Mittwoch. Mit Emmy und Ludwig gehe ich noch einmal, Dawison zu sehen. Er giebt Shylock hier und überhaupt zum ersten Mal. Seine Darstellung ist vortrefflich, wie überhaupt die Aufführung im Ganzen vorzüglich ist. In der Ausstattung des Stücks (Kostüm, Szenerie) liegt eine warme, südliche, malerische, üppige Färbung, die mich angenehm berührt. Lebhaft werde ich an jene vortreffliche Aufführung desselben Stücks erinnert, die ich vor nun 25 Jahren mit Marie in Wien sah. Auerbach, den wir im Theater finden, sagt mir, Dawison habe einen Gruß an mich auszurichten und werde mich besuchen.

16) Donnerstag. Dawison besucht uns wirklich. Er ist ein Mann von 35 Jahren, über mittlere Größe, stark und wohl gebaut. Sein volles Gesicht zeigt den Polen und die jüdische Abstammung. Namentlich macht sich beides kenntlich in den tiefliegenden feurigen Augen. Sein Benehmen ist ungezwungen, frei, nach süddeutschem Schnitt. Er ist beredt, und ich würde ihm nicht angemerkt haben, was man sagt, daß er die deutsche Sprache erst in späteren Jahren sich angeeignet habe. Er freut sich, daß wir Antheil an seinem Spiel nehmen. Er bespricht sichtlich gern seine Rollen. Morgen giebt er den Mephistopheles. Er erklärt, daß er den Volksteufel, den Krampus, nicht geben könne, er werde als ein unheimlicher Mensch erscheinen. Die Bezeichnung, die dem Mephisto werde, wenn gesagt wird, daß er einem Kavalier gleiche, sei unvereinbar mit dem Pferdefüßigen. Wir freuen uns sehr der Bekanntschaft und fühlen uns innerlich aufgefordert, Dawison morgen als Mephistopheles zu sehen.

17) Freitag... Die persönliche Bekanntschaft mit Dawison hatte uns angeregt, ihn auch als Mephistopheles kennen zu lernen. Ohnehin haben wir Faust noch nie auf der Bühne gesehen... Die Wirkung der Darstellung ist eine außerordentliche. Dawison giebt den Mephistopheles meisterhaft, sowie die Bayer-Bürck als Gretchen vortrefflich ist. Auch Walthers Leistung (als Faust) ist befriedigend und die ganze Aufführung ist gelungen zu nennen. Der ungeheure Ernst des Stücks wirkt so, daß man kaum dazu kommt, den Beifall bezeugen zu können.

20) Montag... Ehrhardts Porträt des Königs gesehen. Ich finde es nicht ganz ähnlich.

23) Donnerstag... Rietschel ist mit seiner Skizze zu Goethes und Schillers Statuen fertig, und ich sehe sie heute. Sie befriediget mich nun ganz. Der Gedanke,


  1. In den Beilagen zu Nr. 320 und 321 der Allgemeinen Zeitung vom 15. und 16. November 1852.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/224&oldid=- (Version vom 25.6.2024)