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IV. Jahrgang          1895          Nr. 1.


Von diesen Blättern erscheinen jährlich 4 Nummern im Umfange von 1 bis 2 Bogen. Bestellpreis für den Jahrgang 3 Mark. Die Vereinsmitglieder erhalten die Blätter unentgeltlich zugesandt.


Aus Julius Schnorrs Tagebüchern.
I.


Die hinterlassenen Tagebücher Julius Schnorrs sind in der Hauptsache von zweierlei Art: ein Theil besteht aus kurzen abgerissenen Notizen von vorwiegend geschäftlichem Charakter, ein anderer aus ausführlicheren Aufzeichnungen, deren Inhalt fast durchgehends auch jetzt noch ohne weiteres verständlich ist. Die kurzgefaßten Tagebuchblätter gehören Schnorrs letzten Lebensjahren an, die ausführlicheren Aufzeichnungen beginnen mit dem Mai des Jahres 1849, zeigen eine Lücke zwischen September 1850 und Mai 1851 und enden 1861. Augenscheinlich gaben die bedeutsamen Ereignisse des Dresdner Maiaufstands dazu den Anstoß, daß Schnorr die Erinnerung an seine Erlebnisse durch das Mittel der Schrift festzuhalten wünschte und die Sitte der Führung eines Tagebuches, die er bisher nur vorübergehend während seiner Reisen ausgeübt hatte, jetzt für die Dauer vieler Jahre zu einer alltäglichen Gewohnheit werden ließ. Soviel ich sehe, sind die ausführlicheren Tagebücher innerhalb der angegebenen Zeitgrenzen mit größter Regelmäßigkeit fast ununterbrochen fortgeführt, wie auch vollständig erhalten. Die große Lücke, welche der Leser des nachfolgenden Auszuges zwischen dem Berichte über die Maiereignisse und dem 3. August 1849 antrifft, erklärt sich daraus, daß in die Zwischenzeit eine längere, durch eine Kissinger Badekur veranlaßte Abwesenheit Schnorrs von Dresden fällt. Kleinere, im Abdruck hervortretende Lücken sind dadurch entstanden, daß der Herausgeber bestrebt war, Notizen von lediglich familiärem oder geschäftlichem Charakter von der Veröffentlichung auszuschließen. Eine Ausnahme hat er sich nur bezüglich der wenigen vorkommenden Stellen gestattet, in denen von Schnorrs zweitem Sohne, dem nachmaligen Sänger, der damals ein Knabe von 13 Jahren war, die Rede ist. Der Abschnitt in Schnorrs Leben, in welchen die nachfolgenden Blätter einführen, war dadurch getrübt, daß er im Herbste des Jahres 1848 das Unglück gehabt hatte, auf dem linken Auge zu erblinden. Erst nach längerer Zeit überwand er die Sorge, daß auch sein zweites Auge erkranken und völlige Erblindung sein Loos sein könnte; erst nach längerem Ruhenlassen jeder größeren Arbeit und nach störenden, für Körper und Geist mit schmerzlichen Leiden verbundenen Kurversuchen eröffnete sich ihm die tröstliche Aussicht, daß er, obschon auf die Sehkraft nur eines Auges angewiesen, doch seinen Künstlerberuf, wenn gleich in engeren Grenzen als bisher, fernerhin werde ausüben können.

Die den Abdruck begleitenden Anmerkungen rühren sämmtlich vom Unterzeichneten her. Sie hätten weit zahlreicher sein müssen, wenn die Mehrzahl der vorkommenden Künstlernamen und der Namen von Dresdner Persönlichkeiten bei den Lesern dieser „Geschichtsblätter“ nicht hätte als bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Schnorrs eigene Lebensverhältnisse anlangend bedarf es hier nur der Bemerkung, daß er 1794 geboren, also 55 Jahre alt war, als er die hier mitgetheilten Aufzeichnungen niederzuschreiben anfing. Das Amt, welches er zu dieser Seit in Dresden verwaltete, nachdem er im Herbste 1846 von München dahin berufen worden war, war das Doppelamt eines Professors an der Akademie der bildenden Künste und Direktors der königlichen Gemäldegalerie.

Prof. Dr. Franz Schnorr von Carolsfeld. 
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/176&oldid=- (Version vom 14.5.2024)