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das Standrecht gehalten wurde, umgekehrt in den Boden, um anzudeuten, daß unter der ehrlosen Handlung des Einen die Ehre des ganzen Regiments gelitten habe. War das Urtheil gesprochen, so hob er die Fahne wieder hoch und dankte dem Gericht für den guten Willen, ehrlich Regiment zu stärken.

Bei so verwilderten und vaterlandslosen Soldaten, wie es die Söldnertruppen während des 30 jährigen Krieges waren, kamen täglich Vergehen und Uebertretungen vor, und sieht man die Akten durch, so stößt man allenthalben auf Erkenntnisse und Verurtheilungen, aber die eigentlichen Prozeßakten findet man nicht mehr; auch die Literatur – wie Mengering’s Kriegs-Belial (Dresden 1633) oder Lobrini’s Kriegs-Gerichts-Observationes (Dresden 1686) – führt wohl die einzelnen Artikelbriefe auf, doch sie schildert uns nicht, wie Vertheidigung und Anklage beschaffen waren, wie das Gericht sich bildete und das Urtheil gefunden wurde. Mit Freuden begrüßte ich es deshalb, als ich im Hauptstaatsarchiv[1] die Akten eines in der Untergarde zu Dresden am 17. September 1627 gehaltenen Standgerichts fand. Ich lasse sie hier wörtlich folgen. Einen Tag nach Fällung des Urtheils übersandte sie der Oberst von Krahe dem von Dresden abwesenden Kurfürsten Johann Georg I. In dem Begleitschreiben heißt es: „er hoffe, daß E. Chrf. Durchlaucht gnädigst darmit zufrieden sein werden.“ Wie der Kurfürst aber über den Prozeß und das Verhalten seines Obersten dachte, das wird der Leser am Schlusse selbst finden.

Acta,

Otto Heinrich Sallmuthen, Gerichtswebeln in der Churf. S. Unterguardi der Hauptfestung Dresden betr.


Namen der HH. Assessorn, so den 17. Sept. Ao. 1627 den Churf. S. angeordneten Standrecht beigewohnt haben:
Heinrich Müller, verordneter Regiments-Schultheiß,
Georg Heinrich von Gahrn, Fendrich,
Christoph von Kreischa, Leutenant,
Hans Trischell, Wachtmeister-Leutenant,
Georg Adam von Kares, Karl Sigismund von Radtstock, Christoph Zholl, Rottmeister,
Christoph Standiegell, Stabhalter,
Bartell Bergmann, Caspar Götze, Gerichtsgeschworne,
Hans Zirkler, Andreas Baner, Matthes Tiegell, Rundtarschirer,
Zacharias Zehrer, Hans Ellmer, Leonhard Sonnenfroh, Andreas Jentzsch, Elias Pölichen, Elias Weisze, Melchior Guttschar, Gefreite,
Caspar Voigtt, Georg Schuman, Lorenz Wusterrich, Doppelsöldner,
Hans Zimmermann, Valten Scheffer, Musquetire.

Für diesen öffentlichen anitzo von S. Churf. Durchl. wohlbestalten Standrecht bringe ich Bartell Richter, verordneter Regiments-Profos, nach Kriegesgebrauch meine Klage schriftlichen für über Otto Heinrich Sallmuthen von Dresden, gewesener Gerichtswebell, welcher den 18. Augusti abgewichenen Monats instehendes 1627. Jahres Vormittage trunken anheim in sein Losament kommen, sich mit seinem Weibe geuneinigt und etliche Schmachreden, so wider den Hr. Obristen, Kapitän und Regimentsschultheißen laufen thuen, vernehmen lassen. Indem er anfänglich sein Weib, die in sechs Wochen gelegen, mit bloßen Degen aus dem Hause gejagt, und als sie gegen ihn geantwortet: sie wollte zum H. Kapitain oder Regimentsschultheißen gehen und ihm sein unbilliges Beginnen klagen, hat Otto Heinrich zu ihr gesaget: gehe immer hin, ich bin ein Befehlichshaber, ich habe wohl Macht über den Kapitain ein Urtheil zu schöpfen, und mein Regimentsschultheiß hat mich geheißen, ich soll dich umbringen, er will mir seine Tochter geben.

Vors andere hat Beklagter vor weniger Zeit, als er noch in seinem Losament in der Büttelgassen gewohnet und auch mit seinem Weibe in Streit gerathen und mit dem Degen nach ihr gehauen und sie ins Ohr verletzt, darauf ihm das Weib entsprungen und zu ihm gesagt: Ich will zur Fran Obristin gehen und daß ihr mir so übel mitfahret, anzeigen. Er ihr geantwortet: gehe hin du Hund, die Obristin hat mich lieber als ihren Mann, und das Kind, das itzo der Hr. Obriste hat, ist mein.

Zum Dritten hat Beklagter den Hr. Obristen nämlicher Zeit eine Feuerzange aus des Hr. Obristen Losament, so dem Hr. Obristen gewesen, entwendet.

Wann dann solche ehrenrührige Schmäheworte, des Regiments uralter löblicher Kriegsgebrauch, auch seinem gethanen Eid und Pflichten sowohl den hochlöblichen Articulsbrief ganz und gar zuwider und keineswegs ungestraft passiret werden kann, als ist mein des Profosen Begehren, daß Verbrecher durch die Herrn Richter und Assessores ein solch Urtheil zuerkannt werde, welches ihm die Zeit seines Lebens nicht rühmlichen, andern aber dergleichen verwegenen leichtfertigen Gesellen zu einem merklichen Exempel und Beispiel. Will mir aber als verordneter Regiments-Profoß zuvorbehalten haben, alles dasjenige, was mir ferner zu meinen Rechten von nöthen sein wird, begehre auch darneben, Herr Schultheiß, wollet Verbrechern seine verbrochene Articuln aus den löblichen Articulsbriefe sowohl der Zeugen Aussage öffentlich vorlesen lassen, darnach geschehe ferner, was recht ist.

Der Eid,

welchen Otto Heinrich Sallmuths Schwiegermutter und sein Eheweib den 31. Augusti für dem hochlöblichen Regiment abgelegt und darauf nachfolgende Aussage gethan: Ich gelobe und schwöre zu Gott und seinem heiligen Wort, daß ich alle die Schmähewort, so ich aus meines Mannes Munde selber gehöret, die Obrigkeit betreffende, die rechte reine unverfälschte Wahrheit aussagen will. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort.

Aussage der Zeugen:

Otto Heinrichs Schwiegermutter saget aus: es wäre vor diesem geschehn, als Otto Heinrich ihr Eidam sein Losament in der Büttelgassen gehabt und nach seinem Weibe gehauen, wäre sie ihm entsprungen und zu ihm gesagt: sie wollte zur Frau Obristin gehen und ihr solches klagen, darauf mein Eidam zu ihr gesaget, gehe hin du Hund, die Obristin hat mich lieber als ihren Mann und das Kind, das itzo der Hr. Obriste hat, ist mein, und solches nicht ein sondern vielmal wiederholet.

Der andere Zeuge,

Otto Heinrichs Eheweib saget ebenermaßen, wie ihre Mutter vermeldet, daß sie solches von ihrem Manne gehöret. Solche ihre


  1. Loc. 9130. Der Soldaten inn der Untern Guardi zu Dreßden Besoldung, Kleidung, Verbrechung, Mangel an Brot, Differentien mit den Bürgern und anderes belangend. 1623/32. Bl. 155.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/125&oldid=- (Version vom 5.5.2024)