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Anno 1718.
Mit Ostra muß zufrieden seyn,
Weil mein Successor stimmet drein.[1]

Anno 1719.
Zahna brent aus von trocknen Plitz.
Mein Weib kaufft an in Briesenitz.

Anno 1720.
Entzahlt (so!) kömt unsre Kuh nach Hauß,
Klatsch Mike zeucht ohne Abschied aus.[2]

Anno 1721.
In Ostra war diß das Baujahr,
Kostet viel 100 fl. baar.

Anno 1722.
Bledäugigt ich durchs Glaß studiert,
Biß der Herbst Hülff substituirt.

Anno 1723.
Mein Freund zu Höckendorff stirbt ab;
Ich, gleichen Alters, denck ans Grab.

Anno 1724.
Die Gotteshäuser ich bedencke
Zum Andencken, thu Liebs-Geschencke.

Anno 1725.
Die Jahre lauffn auf 80 nauß.
Ich sorg fürs Grab und Wittbenhauß.[3]

Multa tuli fecique puer iuvenisque senexque.

Ein Bild M. Christian Richters ist in der Kirche zu Briesnitz erhalten. In unserer Sammlung befindet sich ein in Kupferstich ausgeführtes Bildniß in Quartformat mit im Allgemeinen ähnlichen Zügen. Die weiße Umrandung desselben und die Tafel darunter, die sonst gewöhnlich mit Druckschrift besetzt sind, hat Richter mit seinem Namen und Geburtsjahr und mit dem Hinweis darauf ausgefüllt, daß er nunmehr 25 Jahre als Discipulus, ebensoviele als Candidatus und ebensoviele als Ordinatus durchlaufen habe. Welche Bewandtniß es im Uebrigen mit diesem Bildnisse hat, vermag ich nicht zu sagen.}


Ein Standrecht in Dresden
während des 30jährigen Krieges.
Mitgetheilt von Dr. Robert Wuttke.

Die heutzutage vielfach hervortretende Unzufriedenheit mit unseren Rechtszuständen richtet ihre Angriffe vorzugsweise gegen das römische Recht. Aber gleichzeitig verlangt man auch eine Abänderung des Militärstrafverfahrens, und die Frage seiner Reform wird seit Jahren in der Presse, in Versammlungen, im Reichstage besprochen, ohne daß doch bis jetzt eine sichtbare Wirkung erzielt worden wäre. Bei all diesen Angriffen übersieht man, daß sich allein im heutigen Militärstrafverfahren noch ein Rest des alten deutschen Strafverfahrens erhalten hat, denn das Urtheil wird von Soldaten über Soldaten gefällt. Heute verlangen wir, daß vor dem Gesetz Alle gleich seien und daß der Richter genau nach dem Inhalt der Rechtsvorschriften das Urtheil fälle. Der Zug, der durch das neuere Recht geht, ist demokratisch.

Ganz anders das alte deutsche Recht. Der ständische Staat des Mittelalters kennt nur ein Standesgericht, und nicht ein juristisch gebildeter Richter findet das Urtheil, sondern der Ritter wird von Ritterbürtigen, der Bürger von Bürgern, der Bauer von Bauern abgeurtheilt. Der Gedanke, der diesen Standesgerichten zu Grunde liegt, ist ein sehr gesunder. Innerhalb eines jeden Standes entwickeln sich gewisse Ehr- und Anstandsbegriffe, deren Wahrung jedem Stande eifrigst angelegen sein muß. Der moderne Richter steht meist außerhalb der Gesellschafts- und Ideenkreise des vor ihm Angeklagten, es fällt ihm deshalb leichter, die rein juristische Natur irgend eines Verbrechens oder Vergehens zu erfassen, aber für die nicht in Paragraphen und in Gesetzesvorschriften rubrizirten Ehr- und Anstandsbegriffe hat er kein feines Empfinden. Urtheilten auch die alten Standesgerichte nicht immer so juristisch korrekt wie wir, so besaßen sie trotzdem ein besseres Verständniß für die Beurtheilung der Handlungsweise ihrer Genossen.

Als das deutsche Recht schon dem Untergange geweiht war und das römische Recht mit seinen streng logischen, aber die sozialen Verhältnisse und Unterschiede wenig berücksichtigenden Formen siegreich in Deutschland eindrang, begann erst ein besonderes Kriegs- und Standrecht sich zu entwickeln. Mit den Söldnerschaaren kam es auf und vererbte sich dann auf die stehenden Heere, um sich, wenn auch in veränderter Gestalt, als letzter Rest des alten deutschen Gerichtsverfahrens bis in die Gegenwart zu erhalten. Bei dieser späten Ausbildung am Ausgange des Mittelalters ist es natürlich, daß das Standrecht sich an andere ältere Institute und Rechtsformen anlehnte. Es gaben, wie neuere Forscher gezeigt haben, die Innungen das Vorbild für die erste Entwickelung ab. Wo aber das deutsche Volk aus sich heraus schafft, da kleidet es seine Gedanken nicht in dürre leblose Formen ein, sondern weiß sie mit dem Zauber der Poesie zu verklären. So trat z. B., wenn das Kriegsgericht einberufen war, der Fähnrich mit der Regimentsfahne vor und senkte sie, während


  1. (Bezieht sich augenscheinlich auf Einkünfte aus dem früher nach Briesnitz eingepfarrten Ostra, bez. seit 1670 Neustadt-Ostra, schließlich Friedrichstadt genannt, welche ihm bei der Regelung der dortigen kirchlichen Verhältnisses – s. C. Gautsch, Gründung und Entstehung von Friedrichstadt, Dresden 1870, S. 43 flg. – verloren gingen. Näheres vermag ich darüber ebensowenig zu sagen, wie über das, was Richter unter dem Jahre 1721 anführt.)
  2. (Man sieht, es hat auch in Briesnitz weder an persönlichen noch an amtlichen – s. d. Jahr 1717 – Verdrießlichkeiten gefehlt.)
  3. Wie unser Heyland um des Evangelii willen verarmeten und ins Exilium vertriebene sonderl. Priester Wittben und Waysen versprochen und beschieden hat, Matt. 19. Marc. 10. Luc. 18, 28.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/124&oldid=- (Version vom 5.5.2024)