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zweifeln, als daran glauben, daß das Verdienst eines andern mich seelig machen könne; aber ich wolle doch lieber mit Herrnhutern zu thun haben, als mit geistreichen Menschen, die Atheismus lehren. Einige aus der Gesellschaft sagten: Schillers Resignation enthalte keine atheistische Idee, und es sei zu anmaßend, von der Gottheit ewige Fortdauer unsrer Seele zu fordern. – Mit Rührung erwiderte ich: – Der ewige Geist der Welten, der uns für jedes physische Bedürfniß so weise und wohlthätig Befriedigung darreicht, wird gewiß das höhere Bedürfniß unsrer Seele nach ewiger Fortdauer nicht unbefriedigt lassen. Einige aus der Gesellschaft sagten – „wir fühlen dies Bedürfniß nicht!“ – Geßler drückte meine Hand und fiel ein, – „sehen Sie, liebe Elisa, Schiller hat Recht, – für diese ist der Genuß des Augenblickes, für Sie Hoffnung und Genuß; Sie sind also reicher!“ – Ich schwieg, denn mein Herz war zu gepreßt: auch habe ich erst heut wieder zu meinem Tagebuche meine Zuflucht nehmen können; aber es ist mir ein tiefes Wehgefühl, daß meine Schwester und Graf G. geneigter sind, unsre Unsterblichkeit zu bezweifeln, als anzunehmen. – Minister Burgsdorff und seine ganze Familie suchen meine Schwester eben so sehr zu gewinnen, als sie, seit der ersten Stunde meiner Bekanntschaft, bemüht waren, mich an sich zu ziehen. Auch muß ich der ganzen Familie die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie selbst jetzt sehr freundschaftlich gegen mich ist, ob zwar meine Schrift über Starck ihnen die Hoffnung, mich zur Herrnhuterin zu machen, ganz geraubt hat.[1]


Gereimte Selbstbiographie des Diakonus
M. Christian Richter 1645-1725.
Mitgetheilt von Rektor Professor Dr. O. Meltzer.

Einen außerordentlich dankbaren Schüler hat die Kreuzschule an dem zu Paulsdorf bei Dippoldiswalde den 22. (12. a. St.) Dezember 1645 geborenen und am 3. April 1728 als Diakonus zu Briesnitz verstorbenen M. Christian Richter gehabt, der sie in den Jahren 1660–68 besuchte. Als er in hohem Alter daran ging, sein Haus zu bestellen, hat er auch ihr zum Zeichen seiner treuen Gesinnung eine Gabe überreicht, zwar nicht in Geld oder Geldeswerth, aber doch in ihrer Art werthvoll und jedenfalls recht sinnig gedacht: einen nahezu anderthalbhundert Blätter starken Band[2] mit allerlei handschriftlichen Aufzeichnungen und Drucksachen, die sich auf seinen Lebensgang – zum Theil allerdings nur ziemlich entfernt – beziehen oder ihm sonst aus irgendwelchem Grunde interessant erschienen sind.

Von den bei weitem meisten Bestandtheilen dieser Sammlung verdienen nun zwar selbst in dem Zusammenhange, in welchen wir sie hier zu bringen vermögen, nur einige eine kurze Erwähnung. Da finden sich z. B. gleich nach der vorausgeschickten Inhaltsübersicht zwei bekannte Bildnisse der Kurfürsten Johann Georg I. und II., weil unter der Regierung des ersteren Richter selbst, unter der des letzteren seine spätere Frau (Anna Katharine geb. Fischer) geboren war, – diese freilich nicht in Kursachsen. Sie war die Tochter eines evangelischen Pfarrers zu Kaschau in Ungarn und war dann zu Thorn „unter pflegväterlicher Vorsorge und Aufsicht Ihro Hochwürden Tit. Herrn Doct. Paul Koffmanns als eine pristerliche Exulanten-Waise . . in Begriff und Belehrung ihres Christenthums, der Neeterey, wie auch der polnischen Sprache gar tugendhafftig erzogen worden, bis sie nachgehends nebst und von ihrer sel. Fr. Mutter . . heraus nach Freyberg zu ihren Vetter Hn. Christoff Fischern, Stadt-Musicus daselbst, gebracht und aufgenommen worden“. Es finden sich weiter allerlei Druckschriften in gebundener und ungebundener Rede auf freudige und traurige Ereignisse im kurfürstlichen Hause, auf den Tod des Superintendenten und Kreuzpfarrers Dr. Jacob Weller (1664). durch dessen einflußreiche Verwendung Richtern seinerzeit der Weg aus der Currende in das Alumneum eröffnet worden war, ferner Programme von dem Rektor J. Bohemus, dessen Andenken Richter besonders hoch geehrt hat,[3] von J. V. Merbitz, J. Gelenius und Aehnliches mehr. An die auf der Kreuzschule verbrachte Zeit erinnert auch eine ganze Reihe handschriftlich erhaltener dichotomischer Dispositionen nach der damals so beliebten und von Bohemus besonders stark gepflegten Art; sie beziehen sich, zum Theil in mehrfacher Ausführung, auf die gesammten Bücher der Bibel und mehrere alte und neuere Profanschriftsteller, einige geben auch einen Ueberblick über das System aller Wissenschaften, darunter eine nach der Methode des Ratichius. Es fehlt dann nicht das Programm, mit welchem Bohemus zu der feierlichen Verabschiedung unseres Richter und noch eines Schülers von der Anstalt am 18. Mai 1668 einlud, ferner die Dissertation des damaligen Wittenberger Rector magnificus Dr. Joh. Deutschmann (de poenitentia), auf welche hin sich


  1. Ueber den Minister von Burgsdorff vgl. Jahrg. 189, S. 77 und 78.
  2. Archiv der Kreuzschule IIIa 1. Herrn Rektor Professor Dr. Stürenburg danke ich bestens für die mir bei der Benutzung dieses Archivs gewährte Unterstützung.
  3. Für das in Tusche ausgeführte Bild des Bohemus, das die Sammlung enthält, hat als Vorlage dasjenige gedient, welches der Leichenpredigt auf denselben beigegeben ist. Richter hat dankvollen Herzens über die Kopie geschrieben: „Ecce verè Israelita, in quo dolus non est.“
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/120&oldid=- (Version vom 4.5.2024)