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und nannte die Gasse Nassegasse, eine Bezeichnung, die wohl zu manchen Zeiten auch nicht ganz unzutreffend war. Neben der Kreuzgasse bleiben schließlich noch die Schulgasse, die Pfarrgasse und die Schreibergasse übrig, deren Namen alle auch mit der benachbarten Kreuzkirche und Kreuzschule zusammenhängen. Die älteren Kreuzschüler, die dem Schulmeister als Gehilfen oder Schulgesellen dienten, wurden hier und auch anderwärts bis ins 16. Jahrhundert Schreiber genannt; vielleicht darf man aus dem Namen Schreibergasse sogar den Schluß ziehen, daß sich in der ältesten Zeit die Kreuzschule oder wenigstens ein Wohnhaus für die Schreiber dort befunden habe.

Nach diesem Rundgange durch die innere Stadt bitte ich Sie, mir hinaus in die außerhalb der Mauern um die Stadt herum gelagerten vorstädtischen Gassen zu folgen. Solche Vorstadtgassen gab es, auch abgesehen von denen, die ursprünglich Dörfer und älter als die Stadt selbst waren, wohl schon seit deren Gründung. Die Bewirthschaftung der Bürgeräcker und der damals noch häufigen Weingärten erforderte doch von Anfang an die Anlegung von Scheunen und Wirthschaftshöfen vor der Stadt, mit denen naturgemäß die Wohnstätten der Wirthschaftsleute sich verbanden. Diese Vorstädte waren aber im Mittelalter nicht von dauerndem Bestande, denn in Kriegszeiten wurden sie beim Herannahen eines Feindes aufgegeben und der Sicherheit der Stadt wegen von den Bürgern selbst zerstört. Nur nothgedrungen ließen sich auch Handwerker draußen nieder, namentlich die, welche, wie die Müller und Gerber, zu ihrem Gewerbebetriebe der Wasserkraft bedurften. So lange es irgend anging, suchte die wachsende Bevölkerung noch innerhalb der schützenden Stadtmauern Unterkunft, und die Stadt ist daher im 16. und 17. Jahrhundert mehr in die Höhe als in die Breite gewachsen. Nach dem 30 jährigen Kriege aber wurde allmählich der Bevölkerungszuwachs aus der überfüllten Stadt hinausgedrängt und es ließen sich Handwerker in größerer Zahl draußen nieder, wie auch andrerseits die Nähe der Stadt auf die besitzlose Landbevölkerung ihre Anziehungskraft auszuüben begann. Ein wesentlich verändertes Aussehen erhielten die ärmlichen Vorstädte, als im 17. Jahrhundert Mitglieder des Fürstenhauses und des Adels auf dem noch reichlich vorhandenen Raume prächtige Wohngebäude mit großen Lustgärten anlegten. In unserm Jahrhundert aber sind schließlich auch diese bei dem schnellen Steigen des Grundwerthes größtentheils wieder zerstückelt und zur Anlegung von Straßenzügen benutzt worden, und das Zeitalter des Dampfes hat die Vorstädte zum Schauplatz einer geräuschvollen Großindustrie gemacht.

Nach der Erbauung der Stadt konnte natürlich das draußen um die Frauenkirche herum liegende Dorf Dresden kein selbständiges Dasein mehr führen, zumal da die Kirche selbst den Bürgern als Pfarrkirche diente: der kleine Ort trat zur Stadt in das Abhängigkeitsverhältniß einer Vorstadt. Man bezeichnete sie als die Häuser „auf der Brücke“ und „an der Elbe“ und theilte sie in eine Ober- und Niedergemeinde, beide unzweifelhaft hauptsächlich von Fischern bewohnt. Ein Ueberrest der ursprünglichen Dorfeigenschaft dieser Fischergemeinde waren noch im 16. Jahrhundert die dem Landesherrn zu leistenden Jagddienste, zu denen auch das Städtchen Altendresden auf dem rechten Elbufer verpflichtet war, das ja ursprünglich mit der Fischergemeinde zusammen ein Dorf gebildet hatte. Mindestens schon im 14. Jahrhundert bauten sich neben den Fischern die Töpfer an, die wegen der Feuergefährlichkeit ihres Gewerbes in der Stadt nicht geduldet wurden. Die Benennungen Fischergasse und {SperrSchrift|Töpfergasse}} wurden jedoch erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts üblich. Haben wir in der Fischergasse, der jetzigen Brühl’schen Gasse, den Kern des ursprünglichen slawischen Dorfes Dresden zu suchen, so treten uns ganz in der Nähe, jenseit der Frauenkirche, auch die Spuren einer uralten deutschen Ansiedelung entgegen. Es ist die Rampische Gasse und die sich daran anschließende Pillnitzer Straße, früher äußere Rampische Gasse genannt. Die Rampische Gasse führt diesen stark abgekürzten Namen bereits seit 500 Jahren, daneben kommt aber auch noch im Anfange des 15. Jahrhunderts die vollständigere Form „Rampoldische Gasse“ vor. Der Name hat natürlich nicht das geringste mit einer „Rampe“ zu thun, sondern rührt von einem Dorfe Ranvoltiz her, das als Lehnsbesitz des Maternihospitals im Anfange des 14. Jahrhunderts urkundlich erwähnt wird und zweifellos in der Richtung dieser Gasse vor der Stadt lag. Ranvoltiz ist zusammengesetzt aus dem deutschen Personennamen Ramfold und der slawischen Endung icy, eine Ortsnamenbildung, wie sie auf unserm Boden, wo einst zwei Sprachen um die Herrschaft rangen, wiederholt vorkommt, z. B. auch beim Dorfe Arntiz, ursprünglich Arnoltiz. Ranvoltiz bedeutet die „Leute des Ramfold“ oder, freier übersetzt, Ramfoldsheim. Die Art der Namengebung beweist, daß die Niederlassung des Deutschen Ramfold ebenso wie die Gründung von Poppitz zu einer Zeit erfolgte, wo die Bevölkerung hier noch überwiegend slawisch war. Wir kennen von jenem Ramfold leider nichts als den Namen, aber wir werden ihn uns gern als eine streitbare und kraftvolle Persönlichkeit vorstellen, denn nur solche Männer konnten es unternehmen, sich in dem eben erst niedergeworfenen feindlichen Lande zu friedlicher Thätigkeit niederzulassen. Was ist nun, fragen wir, aus dem

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/12&oldid=- (Version vom 24.4.2024)