eine bestimmte Art von Bodenerhebung zu verstehen ist; in der That giebt es ein in der Schriftsprache fast gar nicht auftretendes volksthümliches Wort Tasche, das eine Erhöhung mit einseitigem Abfall bedeutet, und noch heute nennt man in manchen Gegenden Norddeutschlands ein an ein größeres Haus angelehntes Gebäude mit einhängigem Dache eine Tasche. Ein Taschenberg ist somit eine Bodenerhebung mit einseitiger Abdachung, in unserm Falle wohl nach der Elbe zu.
Wir verlassen nun die westliche Hälfte der Stadt, die vorwiegend von den wohlhabenden Bevölkerungsklassen bewohnt war, und begeben uns über die Schloßstraße herüber in die minder bevorzugte Osthälfte mit ihren enger zusammengedrängten Gassen und kleineren Häusern und Höfen. Durch die Sporergasse, die, anfangs ein namenloses Gäßchen, ihren Namen erst im 16. Jahrhundert von einigen dort arbeitenden Sporern oder Schlossern erhielt, gelangen wir ins Judenviertel. Es ist dies die Gegend der unteren Schössergasse und Galeriestraße. Hier wohnten die Juden, deren Zahl sich im Mittelalter auf höchstens 10 bis 20 Familien belief, zwar auf diese beiden Gassen beschränkt, aber nicht allein, sondern mit Christen zusammen, weshalb ihre Gassen nicht wie anderwärts durch Thore oder Ketten abgeschlossen waren. Am unteren Ende der beiden Gassen stand die Synagoge, verbunden mit einem Brauhause. Nach der Ausplünderung und Vertreibung der Juden im Jahre 1430 ward dieses sehr umfangreiche Gehöfte vom Rathe erworben und seitdem als Zeughaus, Gewandhaus, Getreidespeicher und Brauhaus benutzt. Der Platz, an dem es stand, führt davon noch heute den Namen Jüdenhof. Die beiden benachbarten Gassen, in denen die Juden wohnten, hießen die große und die kleine Judengasse. Die große Judengasse wird seit dem 16. Jahrhundert Schössergasse genannt. Dieser Name ist zurückzuführen auf den in der Gasse ansässigen Ambrosius Erich, der unter den Kurfürsten Moritz und August lange Zeit das Amt eines Schössers d. h. Geschoßeinnehmers und Amtmanns für den Dresdner Landbezirk bekleidete. Die kleine Judengasse hieß ursprünglich Windische Gasse und war offenbar in der ältesten Zeit von Einwohnern wendischer Herkunft besetzt gewesen, die ebenso wie die Juden in der Stadt nur geduldet waren und sich, gezwungen oder freiwillig, eng zusammenschlossen. Die Anwesenheit zahlreicher Wenden in der Stadt oder wenigstens in der Umgegend noch im 16. Jahrhundert ergiebt sich auch daraus, daß man alljährlich zu dem großen Johannis-Ablaßfeste einen wendischen Prediger nach Dresden holen ließ. Diese windische oder kleine Judengasse hieß dann drei Jahrhunderte lang meist die große Frauengasse, bis man 1861 diesen Namen zur Vermeidung von Verwechselungen mit der eigentlichen Frauengasse in Galeriestraße, nach der im Stallgebäude damals befindlichen Gemäldegalerie, umwandelte. Daß die Frauenstraße, ursprünglich „Unser lieben Frauen Gasse“ genannt, ihren Namen der nahegelegenen, der Jungfrau Maria geweihten Kirche verdankt, bedarf keines näheren Nachweises. Ihre Fortsetzung nach der Schloßstraße hin, die Rosmaringasse, wird wahrscheinlich deshalb so benannt sein, weil man dort Rosmarinzweige für die Kirchgänger feilhielt, die nach alter, in manchen Gegenden noch jetzt nicht ausgestorbener Sitte sich oder die Gräber ihrer Lieben damit schmückten.
Von der Frauengasse bis zur Kreuzgasse, also zwischen den beiden nach den Kirchen benannten Gassen, dehnt sich nun ein Viertel aus, dessen enge, ehemals unreinliche und zum Theil sogar verrufene Gassen unsere Vorfahren gewiß nicht, wie wir die sie jetzt durchschneidende König Johann-Straße, zu Spaziergängen benutzt haben. Da ist zunächst die Kuttelgasse, wo der Kuttelhof seine Wohlgerüche verbreitete, bis er im Jahre 1473 hinaus vor das Wilsdruffer Thor an den Mühlgraben verlegt ward. Diese Gasse heißt dann seit dem 16. Jahrhundert die Schustergasse, seit 1861, vermeintlich vornehmer, Schuhmachergasse; sie hat für den Alterthumsfreund insofern etwas Anheimelndes, als sie wohl die einzige der innern Stadt ist, in welcher von Alters her noch ein bestimmtes Gewerbe eine beherrschende Stellung einnimmt, denn noch heute befindet sich hier fast in jedem Hause die Wohnung und der Laden eines Schuhmachers.
Das Viertel auf der Ostseite des Marktes, in das wir von hier aus gelangen, bis hinüber zur Kreuzgasse, hatte im Mittelalter für seine Gäßchen keine besonderen Namen, sondern wurde nur im Ganzen als das Loch bezeichnet, offenbar weil seine Bodenfläche etwas tiefer lag als der Markt; wie ja auch in Leipzig die Südhälfte des Marktes das Loch hieß. Erst im 16. Jahrhundert wurden den einzelnen Gassen dieser Gegend Namen beigelegt und die Bezeichnung Loch schränkte sich seitdem auf eine einzige Gasse ein; diese „Lochgasse“ ist erst in unserm Jahrhundert, nach der dort befindlichen öffentlichen städtischen Badeanstalt, der Rathsbaderei, in Badergasse umgetauft und neuerdings in die König Johann-Straße umgewandelt worden. Die übrigen Gassen des Lochs sind die große und kleine Büttelgasse oder Frohngasse, so benannt nach der dort befindlichen Büttelei oder Frohnfeste, die Weißegasse, die Schwarzegasse oder kleine Frohngasse und die Kirchgasse, auch Nasengasse genannt, von einer im 16. und 17. Jahrhundert dort ansässigen Bäckerfamilie Nase; nach deren Verschwinden wußte sich das Volk den Namen nicht mehr zu erklären
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/11&oldid=- (Version vom 24.4.2024)