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in die Stadt wartete der Stadtrath; der Bürgermeister der Stadt wollte den König begrüßen, aber der Kaiser ergriff das Wort und hielt ihnen eine kurze, aber kräftige Rede, die aus den Zeitungen bekannt ist[1]. Der Einzug der beiden Herrscher in die Stadt und das Schloß von Dresden war prunkvoll und hatte nicht seinesgleichen, solange Dresden bestand. Vom Schlage der Stadt bis zu den Gemächern des Kaisers und des Königs von Sachsen hatte die kaiserlich-königliche Garde (Grenadiere) Spalier gebildet. Um 3 Uhr Nachmittags ritt S. M. der Kaiser nach allen Plätzen der Stadt, wo seine Garden standen, und musterte sie. Um 6 Uhr kehrte er zum Diner ins Schloß zurück. Bei einbrechender Nacht reiste S. Kaiserl. Hoheit der Vicekönig von Italien nach Mailand ab.

Am 13. Mai hielt der Kaiser früh 9 Uhr Morgen empfang. Um 10 Uhr frühstückte er. Um 11 Uhr empfing er den Besuch des Königs von Sachsen, der bis Mittag dauerte. Um 1 Uhr ritt S. M. der Kaiser vor die Neustadt und musterte 10 000 Mann französischer Truppen, die kürzlich angekommen waren. Von da kehrte er um 7 Uhr Abends zurück. Um 8 Uhr Abends aß der König von Sachsen mit dem Fürsten von Neufchâtel und dem Minister Grafen Daru[2] beim Kaiser.

Am 14. Mai hielt der Kaiser Morgenempfang. Um 10 Uhr frühstückte S. M. der Kaiser. Um 11 Uhr empfing er den Besuch des Königs von Sachsen. Um 8 Uhr speiste er zu Haus mit dem Fürsten von Neufschâtel und dem Herzog von Treviso[3].

Am 15.Mai, früh 9 Uhr, Morgenaufwartung und danach Frühstück beim Kaiser. Um 4 Uhr Nachmittags ritten der Kaiser und der König von Sachsen vor die Neustadt und nahmen die Parade[4] über zwei sächsische Kürassierregimenter, „König“[5] und „Zastrow“, ab. Dann begaben sich die beiden Herrscher in die Gegend des Schlosses von Uebigau und besahen die Ueberbleibsel der Batterien, aus denen der Kaiser die Feinde vertrieben hatte.

Den 16. Mai[6], früh 9 Uhr, hielt S. M. der Kaiser Morgenempfang, um 10 Uhr frühstückte er. ¼ nach 12 Uhr ging er in die katholische Kirche. Der König von Sachsen, der schon dort war, kam ihm bei seiner Ankunft entgegen und geleitete ihn auf die erste königliche Tribüne, wo er ihm zur Rechten Platz nahm. Er hörte eine stille Messe, während deren man, unter vollständiger Orchesterbegleitung[7], das Kyrie, das Agnus Dei und Salvum fac Imperatorem sang. Nach der Messe begaben sich die beiden Herrscher in die Gemächer des Kaisers, von wo der König von Sachsen sich nach einigen Gesprächen zurückzog. Um 5 Uhr Nachmittags machte der Kaiser einen Spazierritt in die Gegend des Findlaterschen Weinberges[8], von wo er um 7 Uhr zurückkehrte, um mit dem Fürsten von Neufchâtel zu speisen. Um 8 Uhr Abends hatte der österreichische General Graf Bubna[9] eine geheime Besprechung mit dem Kaiser, welche bis 2 Uhr in der Nacht dauerte.

Am 17. Mai, früh 9 Uhr, war Morgenempfang beim Kaiser und um 10 Uhr Frühstück. Um 3 Uhr Nachmittags machte S. M. den Abschiedsbesuch beim König von Sachsen und blieb bis 5 Uhr bei ihm. Gleich nach der Rückkehr in seine Zimmer hatte S. M. der Kaiser noch eine Besprechung[10] mit dem österreichischen General Grafen Bubna, die drei Stunden dauerte. Um 8 Uhr Abends speiste er mit dem Fürsten von Neufchâtel.

Am 18. Mai hielt der Kaiser Morgenempfang und frühstückte um 10 Uhr. ½1 Uhr kam der König von Sachsen zum Kaiser, um den Abschiedsbesuch zu machen. Um 2 Uhr Nachmittags reist S. M. der Kaiser zu Pferde von hier nach der Lausitz zum französischen Heere ab, und der König von Sachsen begleitete ihn zu Pferde bis zum Gute[11] des Grafen Marcolini, wo die beiden Herrscher sich trennten. S. M. der Kaiser und König Napoleon beschenkte den sächsischen Hof in kaiserlicher Weise. Nach einer Abwesenheit von 22 Tagen[12] kam S. M. der Kaiser und König Napoleon, nachdem er seine Feinde geschlagen und aus dem Königreiche Sachsen vertrieben und ihnen einen Waffenstillstand gewährt hatte, am 10. Juni, früh 5 Uhr, zu Wagen und

inkognito[13] wieder nach Dresden und schlug sein Hauptquartier in Friedrichstadt im Palais[14] des Grafen Marcolini, Kabinetsministers und Oberstallmeisters


  1. Sie ist abgedruckt in der obengenannten „Darstellung der Ereignisse u. s. w.“ (S. 74 und 229). Napoleon gab den Abgeordneten zu verstehen, daß sie in ihrem Könige den Retter des Landes zu sehen und seiner Bundestreue ihre milde Behandlung zu verdanken hätten. Die Abgeordneten wandten sich zur Antwort nur an den König mit den bezeichnenden Worten: „Die Kinder des Vaterlandes sind erfreut, ihren Vater wiederzusehen.“
  2. Chef der kaiserlichen Armeeverwaltung.
  3. Marschall Mortier; er befehligte bei Bautzen und bei Dresden die Kaisergarde.
  4. Bei Neudorf.
  5. Das Leibgarde-Kürassierregiment.
  6. Ein Sonntag.
  7. Derselbe Widerspruch wie oben (S. 89).
  8. Siehe oben (S.87).
  9. Es handelte sich um die Feststellung der Bedingungen eines allgemeinen Friedens (vergl. Schimpff a. a. O. S. 54).
  10. Das widerspricht der Angabe v. Schimpffs, daß Bubna gleich nach der ersten Besprechung nach Wien zurückgekehrt sei.
  11. Es lag an der jetzigen Schillerstraße.
  12. Dazwischen lag der Sieg Napoleons über die Preußen und Russen bei Bautzen am 20. und 21. Mai.
  13. Taggesell (a. a. O.) spricht von einem feierlichen Einzug Napoleons. Das ist ganz unzutreffend. Seine Ankunft wurde erst nachträglich durch Glockengeläute und Kanonendonner bekannt gemacht (vergl. „Darstellung der Ereignisse u. s. w.“ S. 82).
  14. Das jetzige Stadtkrankenhaus in der Friedrichstraße. – Der Kaiser wollte, da er infolge des Waffenftillstandes einen längeren Aufenthalt in Dresden vorhatte, nicht wieder im Schlosse wohnen, wo er die Annehmlichkeit eines Gartens vermißte (Schimpff, S. 79).
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/98&oldid=- (Version vom 25.8.2024)