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oberhalb der Stadt[1], um sich Kenntniß von der Stellung des Feindes zu verschaffen. Er zog um 8 Uhr Abends[2] unter Glockengeläute in die Stadt Dresden ein und wurde, als er am Königlichen Schlosse vom Pferde stieg, vom ganzen Adel Dresdens empfangen und in die Prunkzimmer geführt, wo S. M. Wohnung nahm[3]. Der Kaiser nahm folgende sächsische Personen zum Dienste an: 1 Adjutanten, Herrn Generalleutnant v. Gersdorff; 2 Kammerherren, Herrn Baron v. Kayserlingk, Herrn v. Könneritz; 2 Kammerjunker, Herrn von Römer, Herrn v. Könneritz; 1 Hoffourier, Herrn Kühne, 1 Gendarmerieleutnant, Herrn Fritsch; 1 Jagdpagen, Herrn v. Leipziger; 3 Zimmerpagen; 1 Thürsteher für sein Arbeitszimmer; 2 Trompeter; 2 Läufer; 2 Lakaien; 2 Heiducken; 1 Aufseher. S. M. der Kaiser und König ließ seinen Haushalt durch seinen eignen Hofstaat führen. Er speiste um 9 Uhr Abends mit dem Vicekönig von Italien und dem Fürsten von Neufchâtel. Um 10 Uhr in der Nacht hatte S. Majestät eine besondere Besprechung mit der sächsischen Immediatkommission[4], zu welcher der Konferenzminister, Herr v. Globig, der Oberkammerherr, Herr v. Friesen, der Geheime Rath, Herr von Manteuffel, der Geheime Finanzrath, Herr v. Zezschwitz, gehörten. Die Besprechung dauerte bis Mitternacht.

Den 9. Mai, um 4 Uhr Morgens, begab sich der Kaiser nach der Dresdner Brücke, um sich Kenntniß von der Stellung des Feindes zu verschaffen, und kehrte eine Stunde später nach Hause zurück. Um 9 Uhr früh fand bei Sr. M. Morgenaufwartung statt, wozu die Minister und Großwürdenträger des sächsischen Hofes allgemeinen Zutritt hatten. Um 10 Uhr nahm S. M. ein Gabelfrühstück ein. Zu Mittag ritt der Kaiser nach Briesnitz an der Elbe, wo sich ein sehr ernstes Gefecht entwickelt hatte, welches mit dem Rückzug des Feindes[5] vom anderen Elbufer endete. Um 7 Uhr Abends kehrte S. Majestät nach Hause ins Schloß zurück, speiste mit dem Vicekönig von Italien, dem Fürsten von Neufchâtel und dem Herzog von Dalmatien[6] und ging zeitig zu Bett.

Am 10. Mai, früh 9 Uhr, hielt der Kaiser Morgenempfang. Er frühstückte um 10 Uhr, worauf er zu Fuß auf die Dresdner Brücke ging, die der Feind in Brand gesteckt hatte[7]. S. M. befahl, 20 Leitern in die Lücke hinabzulassen und ließ in seiner Gegenwart 10 000 Mann leichte Infanterie, die den fliehenden Feind verfolgen sollten, die Brücke passiren. S. M. der Kaiser ließ, nachdem er sich erkundigt, innerhalb welcher Zeit man die Brücke wiederherstellen könnte, und die Antwort erhalten hatte: „in 8 Tagen“, Balken und Bretter her beischaffen und das Werk sofort in Angriff nehmen; er leitete den Bau selbst und vollendete ihn in 18 Stunden. Der Kaiser blieb bis 4 Uhr Nachmittags auf der Brücke, dann ging er ins Schloß, um zu speisen, und kehrte zurück, um die Arbeiter anzufeuern. Er ordnete alles selbst an und blieb bis 10 Uhr Nachts.

Am 11. Mai fand Morgenaufwartung beim Kaiser statt. 10 Uhr ritt S. M. nach der Brücke und stieg dort ab. Der Kaiser war sehr zufrieden mit der Arbeit, die eben zu Ende ging. Er ließ 100 Kanonen über die Brücke nach dem rechten Elbufer schaffen. Um 11 Uhr begab sich der Kaiser ins Schloß, um zu frühstücken, und kehrte nach einer halben Stunde wieder auf die Brücke zurück, wo er 8 Stunden verweilte und über diese Brücke, die sich nicht im Geringsten bewegte, ein Heer von 100 000 Mann, Reiterei, Fußvolk und Artillerie vorüberziehen sah. Um 8 Uhr Abends kehrte der Kaiser zum Diner ins Schloß zurück.

Am 12. Mai hielt S. M. der Kaiser Morgenempfang und frühstückte danach um 11 Uhr; er ritt mit einem zahlreichen Gefolge, das Paradeuniform angelegt hatte, in die Gegend des Großen Gartens des Königs von Sachsen, wo er eine Parade über seine Gardereiterei abnahm. S. M. der König von Sachsen war eben aus Böhmen angekommen, und die beiden Herrscher begegneten sich auf der Landstraße am Großen Garten[8]. Sie unterhielten sich aufs freundlichste. S. M. der Kaiser geleitete den König von Sachsen unter großer Feierlichkeit in seine Hauptstadt Dresden. Am Eingange


  1. Es ist die Floßbrücke oberhalb Antons gemeint, über die sich ein Theil des russischen Heeres nach dem rechten Elbufer zurückgezogen hatte und die von den Russen schließlich in Brand gesteckt wurde und stromab trieb. Der Kaiser war vom Freiberger Schlag um die Stadt herum bis nach Antons Garten geritten, von wo ihn Eugen, der Vicekönig von Italien, bis dicht an die Elbe führte. (Schimpff, a. a. O., S. 41 ff.)
  2. Der Einzug geschah durch das Pirnaische Thor. – Taggesell, der nicht immer gut unterrichtet ist, setzt ihn auf 3 Uhr Nachmittags an, was mit den anderen Angaben nicht übereinstimmt. Unser Berichterstatter wiederum erwähnt gar nicht den Rekognoszirungsritt des Kaisers nach Briesnitz. (Vergl. „Darstellung der Ereignisse in Dresden i. J. 1813“ von einem Augenzeugen, S. 66.)
  3. Er bezog dieselben Zimmer im 2. Stocke, die er ein Jahr vorher inne gehabt hatte. (S. o. Anm. 4.)
  4. Diese Immediatkommission war vom König, als er im Februar 1813 die Hauptstadt seines Landes verließ, eingesetzt und mit der Erledigung der dringenden Regierungsgeschäfte betraut worden.
  5. Es war russische Artillerie. Napoleon setzte sich hierbei in gefährlichster Weise dem feindlichen Feuer aus. (Vergl. Schimpff, a. a. O., S. 47.)
  6. Gemeint ist jedenfalls Marschall Marmont, Militärgouverneur und Herzog von Ragusa.
  7. Am 19. März 1815 hatte Marschall Davoust vor seinem durch die Annäherung der Russen bedingten Abzuge von Dresden einen Pfeiler und zwei Bögen der Brücke sprengen lassen. Ende März und Anfang April hatten dann die Russen durch einen Holzbau die Lücke wieder ausgefüllt. Dieser hölzerne Theil war es, den sie jetzt, bei Annäherung Napoleons, wieder zerstört hatten.
  8. Es war auf der alten Pirnaischen Chaussee bei Gruna. Der König von Sachsen hielt im Großen Garten, bis Napoleon ihm melden ließ, daß er ihn erwarte. (Taggesell, a. a. O.)
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/97&oldid=- (Version vom 25.8.2024)