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und dem Spiel zweier Musikchöre nach den sie erwar tenden Gondeln zu begeben. Sie fuhren auf dem Wasser bis zum Pillnitzer Luftschloß. Nachdem sie sich dort eine Weile aufgehalten hatten, brachen sie von da wieder nach der Residenz auf, wo sie ½7 Uhr ankamen[1].

Mittwoch, den 3. Juni. Um 3 Uhr Nachmittags nahm I. M. die Kaiserin von Frankreich Abschied von Sr. M. dem König und von der Königin von Sachsen und dann von Ihrer Maj. der Königin von Westphalen. Bald darauf kamen Ihre Majestäten der König und die Königin von Sachsen, ebenso I. M. die Königin von Westphalen, die Prinzen und Prinzessinnen des sächsischen Königshauses, um ihrerseits Abschied zu nehmen. Nach 5 Uhr begab sich I. M. die Kaiserin von Frankreich mit Ihrer Maj. der Königin von Westphalen und Sr. Hoheit dem Großherzog von Würzburg zu Wagen nach dem Garten Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Anton und um 7 Uhr nach dem[2] des Prinzen Maximilian, wo die Familie Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Maximilian – jedes vor seinem Gärtchen – I. M. die Kaiserin empfing und ihr Blumen überreichten, die sie mit eignen Händen gezogen hatten. Um 8 Uhr Abends war große Familientafel bei Sr. M. dem König von Sachsen, und zwar im Gesellschaftszimmer; darauf fand im Audienzsaal ein Gesangskonzert statt; dann spielte man, wozu einige Damen und Herren eingeladen waren, die zu den intimeren Empfängen zugelassen sind.

Donnerstag, den 4. Juni. Heute um 5 Uhr Morgens reiste I. M. die Kaiserin von Frankreich in Begleitung Sr. Kaiserl. Hoheit des Großherzogs von Würzburg[3] von hier nach Teplitz und Prag ab. In den Gemächern Ihrer Maj. der Kaiserin fanden sich kurz vor ihrer Abreise ein: Ihre Majestäten der König und die Königin von Sachsen, I. M. die Königin von Westphalen[4] und Ihre Hoheiten die Prinzen und Prinzessinnen des sächsischen Königshauses. I. M. die Kaiserin von Frankreich wurde von Ihrer Maj. der Königin von Westphalen, von Ihren Majestäten dem König und der Königin von Sachsen und Ihren Hoheiten den Prinzen und Prinzessinnen des sächsischen Königshauses, sowie von den hiesigen Herren, die sich versammelt hatten, bis an den Wagen begleitet. I. M. die Kaiserin von Frankreich nahm sehr zärtlich Abschied von Sr. M. dem König und der Königin von Sachsen, wobei sie sich gegenseitig küßten. Unter Kanonendonner und dem Geläute aller Glocken verließ I. M. die Kaiserin das Schloß und fuhr durch die Reihen der Gardegrenadiere und Nationalgarden, die sich bis zum Pirnaischen Schlage aufgestellt hatten.

(Schluß des ersten Berichtes.)



Der nun folgende Bericht bezieht sich auf Napoleons Aufenthalt in Dresden nach der Schlacht bei Lützen. Er ist aus derselben Quelle wie der vorangehende geschöpft. Ueber die militärisch-politische Lage bemerkt der französische Herausgeber, Vicomte de Grouchy, Folgendes:

„Die Russen hatten die Hauptstadt [Dresden] geräumt. Sie hielten nur noch die Neustadt besetzt, von wo sie am 10. Mai vertrieben und gezwungen wurden, die Elbe zu überschreiten[5]. Die Erfolge des Generals Lauriston[6] über die Preußen machten den Kaiser vollends zum Herrn über Sachsen. Der König von Sachsen kam am 12. an und wurde so empfangen, daß er glauben konnte, der Kaiser hätte das Unrecht vergessen, dessen er sich ihm gegenüber schuldig gemacht hatte. Sein Gebiet wurde ihm zurückgegeben. Die folgenden Tage wurden den diplomatischen Geschäften und der Ruhe der Truppen gewidmet. Am 19. brach der Kaiser nach Bautzen auf, wo sein Heer ihn erwartete. Der Sieg am 21. gestattete ihm nach Dresden zurückzukehren, von wo er am 25. Juli nach Mainz aufbrach.“


II.
Tagebuch über den Aufenthalt Sr. Majestät des Kaisers und Königs Napoleon in Dresden im Jahre 1813.

Am 8. Mai um 6 Uhr Abends kam S. M. der Kaiser und König zu Pferd bei der Brücke[7] in der Nähe des Dorfes Löbtau an. Eine Abordnung der städtischen Behörden von Dresden erwartete ihn, um ihm die Ergebenheit der Stadt zu bezeugen. S. M. nahm sie gütig auf[8]. Von da begab sich der Kaiser sofort nach der Gegend des feindlichen, d. h. russischen, Schiffbrückenkopfes


  1. Von Pillnitz fuhren die Herrschaften zu Wagen nach Dresden. (Taggesell, a. a. O.)
  2. In der Ostra-Allee.
  3. Nach Taggesell (a. a. O.) wurde sie vom Prinzen Anton und seiner Gemahlin begleitet, was, wenn es zuträfe, gewiß hier erwähnt worden wäre.
  4. Sie reiste am selben Tage über Leipzig nach Kassel ab. (Taggesell, a. a. O.)
  5. Der Satz ist nicht recht klar und kehrt jedenfalls die Reihenfolge der Ereignisse um: Der Rückzug der Russen über die Elbe ging notwendig der Aufgabe der Neustadt voran.
  6. Er operierte in der Meißner Gegend. (Vergl. G. von Schimpff, 1815. Napoleon in Sachsen, S. 50.)
  7. d. i. die Weißerigbrücke unweit der Pulvermühle und des Holzhofes. Der Kaiser war von Wilsdruff gekommen, wo er bald nach Mittag eingetroffen war.
  8. Die städtische Deputation hatte den Kaiser auf seinen Wunsch vorm Freiberger Schlage, nicht weit von der erwähnten Weißeritzbrücke, erwartet. Der Empfang seitens Napoleons soll aber nach anderen Berichten (z. B. Taggesell, a. a. O.) nicht gerade sehr freundlich gewesen sein. (Ebenso Schimpff, a. a. O., S. 43.)
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/96&oldid=- (Version vom 25.8.2024)