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Theile der Jagd bei. Man hetzte und erlegte zwei Wildschweine. Gegen 4 Uhr kehrte der ganze Hof wieder in die Residenz zurück. Bei der Tafel Sr. M. des Kaisers von Frankreich waren zugegen: Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin von Oesterreich, S. M. der König und die Königin von Sachsen mit Prinzessin Augusta und Ihre Königl. Hoheit Prinzessin Elisabeth, I. M. die Königin von Westphalen, S. Kaiserl. Hoheit der Großherzog von Würzburg, wie auch der Fürst von Neufchâtel.

Dienstag, den 26. Mai. Morgenaufwartung bei Sr. M. dem Kaiser von Frankreich. S. M. der König von Preußen[1] kam nach 11 Uhr Morgens in Dresden an und nahm in Taschenbergpalais Besitz von den Zimmern S. Königl. Hoheit des Prinzen Maximilian, die man für ihn bestimmt hatte. Nach der Meldung des Fürsten Hatzfeld[2], des Staatsministers Sr. M. des Königs von Preußen, bei Sr. M. dem Kaiser der Franzosen, geruhte S. M. der Kaiser, den ersten Besuch bei Sr. M. dem König von Preußen zu machen, der ihm denselben sofort erwiderte[3]. Um 1 Uhr besuchte I. M. die Kaiserin[4] den Kaiser von Oesterreich. Nach Mittag begab sich I. M. die Kaiserin in den in der Friedrichstadt gelegenen Garten des Grafen Marcolini. Beim Diner Sr. M. des Kaisers von Frankreich waren zugegen: I. Kaiserl. und Königl. Majestäten von Oesterreich, I. M. die Königin von Westphalen, S. Kaiserl. Hoheit der Großherzog von Würzburg, S. Königl. Hoheit Prinz Anton und dessen Gemahlin.

Mittwoch, den 27. Mai. Morgenaufwartung. Um 11 Uhr machte S. M. der König von Preußen, begleitet vom preußischen Kronprinzen[5], einen Besuch bei Sr. M. dem Kaiser von Frankreich. Um 2 Uhr Nachmittags verließ S. Kaiserl. und Königl. Maj. in Begleitung einer Abtheilung Reiterei das Schloß, ritt über die Zwingerbrücke[6], durch die Vorstädte[7] Dresdens und über die Schiffbrücke, die man oberhalb der großen Brücke, vor der Stadt, über die Elbe geschlagen hatte. Der Kaiser begab sich nach der Frauenkirche, wo er abzusteigen geruhte, um den Bau im Innern zu betrachten; gegen 3 Uhr kehrte er ins Schloß zurück. I. M. die Kaiserin fuhr im Zschoner Grund[8] spazieren. Am Abend war große Tafel bei Sr. M. dem König von Sachsen, und zwar im großen Speisesaal. Daran nahmen I. Kaiserl. und Königl. Majestäten und der ganze Hof Theil. Dieses Diner wurde von den Pagen des Königs von Sachsen servirt, hinter denen die Kammerdiener[9] standen.

Donnerstag, den 28. Mai. Fronleichnamsfest. I. M. die Kaiserin hörte in ihren Zimmern eine Messe an[10], die der Erzbischof von Mecheln unter dem Beistande zweier anderer Geistlichen las. Um 1 Uhr besuchte I. M. die Kaiserin S. M. den Kaiser von Oesterreich, ihren Vater, und fuhr von da in die Gegend des „Weißen Rosses“. Um 3 Uhr Nachmittags nahm S. M. der Kaiser von Frankreich Abschied von Ihren Kaiserl. und Königl. Majestäten von Oesterreich und dem anwesenden Großherzog von Würzburg, darauf S. M. der König von Preußen und S. Königl. Hoheit der Kronprinz[11], von da begab er sich zum König und der Königin von Sachsen und zur Prinzessin Augusta. An


  1. Friedrich Wilhelm III.
  2. Franz Ludwig, Fürst seit 1803.
  3. Die Frage, ob der König von Preußen den ersten Besuch machte oder umgekehrt, behandelt ausführlich Welck, a. a. O., S. 134ff. Es ist sehr wohl möglich, daß der hier erwähnte Besuch Napoleons beim König von Preußen nur von der nächsten Umgebung der beiden Herrscher bemerkt wurde, weil Napoleon vom Schlosse durch den alten Verbindungsgang nach dem Taschenbergpalais gelangen konnte, ohne sich auf der Straße zu zeigen. So wird es verständlich, daß andere Berichte über dies Ereigniß nichts zu melden wissen. Jedenfalls ist die Entscheidung dieser Frage wichtig für die der beiden anderen, ob Friedrich Wilhelm auf eine Einladung hin oder aus freien Stücken nach Dresden kam, und ob sein Besuch dem französischen Kaiser angenehm oder lästig war. In letzterem Falle hätte Napoleon dem König von Preußen gewiß nicht die Artigkeit eines ersten Besuches erwiesen.
  4. Von Frankreich.
  5. Der spätere König Friedr. Wilhelm IV., damals noch nicht 17 Jahre alt, soll durch sein gewecktes Aussehen und Wesen in hohem Grade Napoleons Gefallen erregt haben. (Vergl. Welck, a. a. O., S. 137.) Er war einen Tag später als der König von Preußen angekommen und wohnte ebenfalls im Taschenbergpalais. – Diesen zweiten Besuch des Königs von Preußen, der augenscheinlich geschah, um den Kronprinzen vorzustellen, erwähnt Welck überhaupt nicht. Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß der König von Preußen, wie die meisten Quellen Welcks angeben, erst am 28. Mai, dem für Napoleons Abreise bestimmten Tage, mit dem französischen Kaiser zusammengetroffen sei.
  6. Sie führte aus dem Zwingerhof über den Festungsgraben nach der Ostra-Allee.
  7. Wilsdruffer-, See- und Pirnaische Vorstadt. – Die Schiffbrücke hatte Napoleon selber schlagen lassen. Sie wurde am folgenden Tage abgebrochen, um bei Pillnitz wieder aufgeschlagen zu werden. (Taggesell, a. a. O.)
  8. Frz. „dans la vallée de Tschornau“. Der Zschorgrund bei der Saloppe kann nicht wohl damit gemeint sein, weil dort ein Wagen nicht fahren kann, ebensowenig ein Grund bei Tschornau in der Nähe von Kamenz.
  9. Frz. „officiers de chambre“. Ich glaube nicht, daß das die Oberchargen (officiers supérieurs de la cour) sind, welche bei der Tafel am 18. Mai (s. o.) die hohen Herrschaften bedienten, sondern die „valets de chambre du roi“, welche auch am 28. Mai (s. u.) zur Bedienung herangezogen wurden. Der Sprachgebrauch der damaligen Zeit läßt diese Bedeutung auch zu.
  10. Anders werden die Ereignisse dieses Tages dargestellt bei Welck a. a. O. S. 138f.
  11. So die wörtliche Uebersetzung. Der Sinn wäre dann der, daß auch der König von Preußen und sein Sohn sich vom österreichischen Kaiserpaare verabschiedeten. Gemeint ist aber wohl, daß Napoleon auch vom König und vom Kronprinzen von Preußen Abschied nahm.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/94&oldid=- (Version vom 24.8.2024)