Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/8

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Stehenden, indem er, wie er sich aussprach, nicht wünsche, daß die Bürger ohne Noth sich erschöpften, hoffe aber, daß sofort bei dem ersten Rufe Jeder wieder am Platze sein werde. Hierauf trat ein dritter Sprecher auf, dessen äußere Erscheinung eine keineswegs empfehlende und gewinnende war; er glaubte ganz besonders sich berufen zu fühlen, Mißverständnisse, welche die Rede seines Vorgängers etwa finden könne, dadurch zu beseitigen, daß er erläuterte, daß Heinze in seiner Ansprache die Kämpfer nicht bestimmt habe nach Hause schicken wollen, daß schon dadurch der Zweck der oberkommandantschaftlichen Rücksichtnahme erfüllt werden würde, wenn namentlich weiter Wohnende (wohl die Neu- und Antonstädter?) nur den ermüdenden Stand auf dem Platze verließen und sich in irgend eines der zahlreichen Gasthäuser in der Nähe begäben, um da auszuruhen und frische Kräfte zu sammeln, keineswegs wäre verlangt worden, daß Jeder nach Hause gehen solle, um sich sorgloser Bequemlichkeit zu überlassen. Dieser so besorgt für die gute Sache sich zeigende „Bürger“ war Tzschirner! An das Volk richtete er, wenn ich anders mich recht erinnere, noch die besondere Weisung, daß mit dem begonnenen Bau der Barrikaden fortzufahren sei.

Von dem Momente an, wo Tzschirner der Bewegung als Spitze sich aufdrang, waren wie mit einem Schlage die Sympathien aller Gutgesinnten verschwunden und mit Eifer ergriff der größte Theil des 3. Bataillons sofort den Befehl des Abtretens. Wir auf dem rechten Flügel machten sofort Kehrt und hatten dadurch den Eingang der Scheffelgasse gewonnen; da aber in zwischen auf dem Markte ein Schuß und großes Geschrei gehört wurde, so zögerten einige noch, um zu sehen, was vorgefallen, auch wir sahen uns um; da wir aber nur eine Menge wuthverzerrter Gesichter und diese zum Theil uns drohen sahen, so setzten wir unsern Weg in der festen Entschlossenheit fort, auf keinen Fall umkehren zu wollen. Am Polizeihause hatten wir die erste schon ziemlich fest und hoch gebaute Barrikade zu übersteigen und dabei allen Grund zu fürchten, daß uns, den „Ausreißern“, vom Altmarkte aus Kugeln nachgesendet werden könnten, darum waren wir froh, dies uns jetzt schützende Bollwerk im Rücken zu haben. Am Ausgange der Gasse auf die Wallstraße war eine zweite gleich starke Barrikade errichtet, bei deren Passirung wir bald Händel mit den Erbauern und gleichzeitig Vertheidigern bekommen hätten; es hatte fast den Anschein, als seien die inneren Barrikaden mehr gebaut, die Kommunalgarde zusammen- als das Militär abzuhalten. Wir mußten nun vorsichtig sein, um den Schein des Rückzugs zu vermeiden, durften daher auch nicht ängstlich nach offenen Auswegen spähen, sondern mußten immer festen, sicheren Schrittes vorwärts, und diesen dahin lenken, wo muthmaßlich die Passage offen sein könne. Auf dem Postplatze angekommen, bemerkten wir schon Barrikaden in der Sophienstraße, wo schon eine Menge Wagen umgestürzt ein ziemlich hohes Gerippe abgaben; desgleichen war auch die Ostra-Allee bereits gesperrt, wir mußten daher am schönen Brunnen vorbei nach dem Schlachthofe gehen, hoffend, daß die Zwingerstraße noch offen sein werde, doch auch diese war es nicht mehr und ebenso auch das Malergäßchen; an diesem und über die Gerbergasse weg wurde soeben eine Barrikade erbaut, und es blieb weiter nichts übrig, als durch die Bauenden hindurch zu gehen, wo wir ohne Gefahr sie so lange am Bauen hinderten. Jetzt endlich waren wir außer dem Bereiche der Barrikaden, denn am Queckbrunnen, an der Herzogin Garten, der Ostra-Allee und der kleinen Packhofstraße waren keine mehr zu finden, und so kamen wir auf diesem Umwege und durch die Kohlenniederlage am Packhofe hindurch an die Elbe, wo wir uns übersetzen ließen und froh waren, jener Gesellschaft entronnen zu sein. Es war dies gegen ½8 Uhr, und in Neustadt angekommen ging Jeder mit dem Entschlusse nach Hause, dem Rufe des neuen Oberkommandanten nach Altstadt keine weitere Folge geben zu wollen.

Unter großer Besorgniß für den kommenden Tag ward sich endlich zur Ruhe begeben, welche aber schon sehr zeitig am Freitag früh gestört wurde, denn ungefähr gegen 4 Uhr wurden mehrere starke Salven gehört und vom Kreuzthurme heulte die Sturmglocke. Zu gleicher Zeit sollen auch vom Altmarkte Raketen als Signale aufgestiegen sein, welche sofort von den ferneren Höhen durch Feuer weiter gegeben worden sein sollen. Obgleich das vom Kreuzthurme erschallende Signal das war, was früher von Lenz für Zeiten der Gefahr gegeben worden war, so fand es doch, als unter Tzschirners Einfluß gegeben, vom dritten Bataillone keine Beachtung; später ergab sich, daß die Salven in dem Momente gegeben worden seien, als die Königliche Familie das Schloß verließ, und es waren diese von den Aufständigen als irgend ein Angriff genommen worden.

Für 9 Uhr des Vormittags war für die Bewohner der Neu- und Antonstadt eine allgemeine Versammlung auf dem Rathhause angeordnet worden, um für diese Stadttheile ein gemeinschaftliches und übereinstimmendes Handeln zu besprechen, welche auch ziemlich zahlreich besucht war, wenngleich eine öffentliche und allgemeine Einladung dazu nicht erfolgen konnte. Außer ein paar Stadträthen, unter welchen Lehmann[1] ehrlich ausgehalten hat, waren unter Andern auch die Kaufleute


  1. Advokat, wohnhaft Fleischergasse 2.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/8&oldid=- (Version vom 9.8.2024)