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10) Sonntag ... Gaber schickt mir einen Probedruck der „Judith nach der Rückkehr zu ihrem Volk“. Ich bin mit dem Vortrag des Bildes nicht zufrieden, mein Tadel kehrt sich aber mehr gegen mich selbst als gegen den Holzschneider (Gaber hat übrigens das Blatt wohl nicht selbst geschnitten). Die Strichlagen sind zu eng, wie auf dem Blatte Sanherib“. Das Streben, eine tiefere, nächtliche Stimmung hervorzubringen, hat mich zu dem Fehler verleitet, in den ich freilich sonst auch oft gerathen bin. Ich habe mich zu sehr an die Ausführung mit der Feder gewöhnt, als daß ich den richtigen Vortrag für den Holzschnitt mir sicher aneignen könnte ...

12) Dienstag ... Obermann bringt mir einen Abdruck seines Stockes: „Jeremiä Klage“. Das Blatt ist sehr gut gearbeitet. Das Dresdner Journal bringt eine telegraphische Depesche des Inhalts, daß heute Morgen von den beiden Kaisern die Friedenspräliminarien vollzogen worden sind. So stehen wir also plötzlich auf einem ganz andern Flecke als noch vor 24 Stunden. Die langen Verhandlungen zwischen Oesterreich und Preußen, die endlichen Mobilmachungen, was gelten sie heute? Als Lehren und als Keime zu neuen Kriegen, die ärger sein werden als der jetzt so rasch beendigte ...

13) Mittwoch. Rietschel, der recht gestärkt hier wieder eingetroffen ist, macht uns seinen Besuch am Morgen ... Besuch bei dem Konrektor Böttcher[1]. Ich befrage ihn wegen der Buchstaben, mit welchen ich die chaldäischen Worte „mene tekel upharsin“ schreiben soll. Er räth zu den ebräischen, mit denen sie in der Bibel geschrieben sind. Dieser Rath entspricht ganz meiner Ansicht. Böttcher giebt mir eine ebräische Bibel mit nach Hause ... Wie der alte Kaiser Franz sein deutsches Kaiserthum aufgegeben hat, so giebt der jetzige – nur um durch die Art der Hülfe, die Deutschland doch nun bringen wollte und gebracht haben würde, nicht geniert zu werden – auch den Rest der Beziehungen auf, durch die er noch mit Deutschland verbunden war. Er hat sich ausgelöst aus dem Deutschen Bunde und die Stellung, die er jetzt eingenommen, wird er nicht zu halten vermögen. mene, mene, tekel, upharsin. Wie lange wird es dauern, so wird er von Italien nichts mehr haben und Ungarn wird er auch verlieren. So muß man denn ein neues Ziel ins Auge fassen. Denn Deutschland darf man nicht aufgeben, weil Habsburg seiner unwürdig ist. Nach großen Trübsalen und einer schweren Geburt wird Germania wiedererstehen in neuer Gestalt. Das Alte ist zu Ende, es muß alles neu werden.

16) Samstag. Von Adé erhalte ich einen Abdruck von Judith. Das Blatt ist sehr schön gearbeitet ... Um 2 Uhr fahren wir in zwei Wagen nach Moritzburg ... Dann gehen wir nach dem Schlosse und[WS 1] lassen uns die fürstlichen Gemächer zeigen. Unter den Bildern interessiert mich am meisten die Jagd von Lucas Cranach. Das Bild ist von vorzüglichster Ausführung und ein echtes Meisterwerk. Mehrere der Räume sind prachtvoll, die Ausstattung großentheils eigenthümlich und interessant. Die Frauen sind besonders von mehreren Schränken ganz entzückt. Ein eigenthümliches und merkwürdiges Beiwerk des Zimmerschmuckes bilden die Geweihe unzähliger Hirsche. Wir sehen im Schlosse nicht alles Merkwürdige, weil wir nicht zu spät zur Fütterung des Wildes kommen wollen. An dem Hauptbruch finden wir eine große Anzahl Wildschweine und Hirsche und Rehe. Die noch aus der Ferne zuziehenden Stücke nehmen sich am schönsten aus. Wir finden am Fütterungsplatz die Herren Oberforstmeister von Trebra-Lindenau und den Fasanenjäger König, Bruder des in München ertrunkenen Malers König. Beide Herrn sind sehr freundlich gegen uns. Der Aufenthalt hier am Bruch und der Rückgang sind köstlich. Der Abend ist über alle Vorstellung schön ...

22) Freitag ... Die Aufzeichnung des Blattes zu dem Hohen Lied verschiebe ich bis nach der Ausführung der Blätter zum Jesus Sirach, mit denen Obermann und Adé bedacht werden sollen, während ersteres, an dessen vorzüglicher Ausführung mir gelegen ist, von Gaber selbst geschnitten werden soll ...

27) Mittwoch ... Bei meinem kleinen Abendspaziergang begegne ich dem Minister von Falkenstein, welcher mir erlaubt ihn etwas zu begleiten. Wir sprechen von unserm Verein für kirchliche Kunst, bei welcher Gelegenheit ich mich sehr offen über die vorhandene Verwilderung auf diesem Gebiete ausspreche ...

28) Donnerstag ... Brief von Grüneisen. Die Eisenacher Versammlung hat unsere Bestrebungen für christliche Kunst durch Vereine und das Kunstblatt mit großem Interesse ins Auge gefaßt und zu fördern verheißen. Grüneisen denkt in den politischen Dingen wie ich, nur daß er das Verhalten Oesterreichs, was seine Demüthigung vor Frankreich anbelangt, mit härterem Tadel beurtheilt als ich. Um zu einem Endurtheil ausgerüstet zu sein, fehlt es mir noch an ausreichender Kenntniß der Thatsachen.


  1. Dr. theol. et phil. Jul. F. Böttcher (1801–1863), Konrektor an der Kreuzschule, bekannter Hebraist.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: uud. Vermutlich Druckfehler, wurde sinngemäß durch „und“ ersetzt
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/78&oldid=- (Version vom 3.9.2024)