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kommt, wie es jetzt entworfen ist, so wird es eines der kolossalsten Werke, die jemals ausgeführt worden sind. Der Plan ist außerordentlich schön, und einige der Gestalten sind jetzt schon vielversprechend. Jetzt fühlt man auch, wie nothwendig, wie unerläßlich es war, Luther im Chorrock darzustellen, weil das Denkmal über jeden Einzelmoment von Luthers Leben und Wirken hinausragt. Es wird recht eigentlich ein Reformationsdenkmal. Gott schenke nur dem Bildner Kraft, um das Werk auch wirklich ins Dasein zu rufen! ...

15) Dienstag ... Eine Zeichnung zum Buch Hiob „Die vier Boten“, auf Grundlage der älteren Komposition für die Cottasche Bibel vor etlichen Tagen in Angriff genommen, wird heute weiter geführt und am Nachmittag beendigt ...

18) Freitag. Kirchenrath Langbein hat sich des projektierten kirchlichen Kunstvereins angenommen und einen Aufruf geschrieben, den er mir vor ein paar Tagen zur Durchsicht überbrachte. Ich lese ihn heute Morgens und sende ihn dann an Langbein zurück mit ein paar Zeilen, in denen ich mein Einverständniß ausspreche ...

19) Samstag ... Museum. Galerie-Kommission. Außer Rietschel sämmtliche Mitglieder zugegen. Ich bitte um nochmalige Erklärung wegen der gewünschten neuen Einrahmungen der Studienköpfe (sächsische Fürsten und Markgraf Georg von Brandenburg) von den Cranachs. Hübner bringt das Bild „Melanchthon als Leiche“ von Cranach dem Aelteren, das in Bürkners Besitz ist, mit, um an einer unzweifelhaft echten Arbeit des Meisters Weise zu zeigen. Das Bild ist vortrefflich[1] ... Endlich zeigt Schirmer das Bild von Cuyp, an welchem die Unterschrift „Berchem“ auf die erste Berührung mit Spiritus fast ganz weggegangen ist. Da Hübner immer noch eine Spur der Unterschrift sieht, im Uebrigen auch eine große Aehnlichkeit der Malerei mit jenen braun in braun gemalten Berchems erkennt, welche wir besitzen, so hält er auch noch an der Ueberzeugung fest, daß das Bild von Berchem herrühre ...

21) Montag ... Museum. Ich finde Schirmer bei dem Berchem-Cuyp, ihm zur Seite v. Quandt und Peschel. Es ist der seltsame Umstand eingetreten, daß unter der unechten Unterschrift „Berchem“, die auf den ersten leichten Angriff mit Spiritus wich, nun die wirklich alte Schrift des Namens „Berchem“ zum Vorschein gekommen ist; und doch sieht das Bild dem Berchem so wenig ähnlich, namentlich in der Farbe, daß ich auch bei dieser unleugbaren Thatsache die Arbeit diesem Künstler nicht zuschreiben kann, wofern nicht erwiesen wird, daß er auch in dieser Art arbeiten konnte. Hier ist nichts von diesem konventionellen Tone, von dieser manierierten Weise, die seine Bilder sonst an sich tragen. Wer kann das Räthsel lösen? Hübner wird triumphieren. Mit Quandt verweile ich dann noch längere Zeit in den oberen Räumen, namentlich vor Holbeins Madonna, die Quandt auch ohne jene Hübnersche Verbindung mit andern Bildern sehen möchte ...

23) Mittwoch ... Museum. Schirmer und ich sprechen noch immer über die seltsame Entdeckung der echten Unterschrift „Berchem“, obwohl die Farbe und Behandlung des Bildes in entschiedenem Widerspruch mit allen Malereien steht, die wir von ihm kennen. Wäre die Erklärung nicht zu künstlich, so möchte man glauben, der etwa 20 Jahre ältere Cuyp habe eine Berchemsche, mit dem Namen bezeichnete Untertuschung in Farbe gesetzt.

27) Sonntag ... Albert Zahn kommt und liest mir einen sehr schönen und umfangreichen Aufsatz von Hermann Grimm über Cornelius vor, der im Morgenblatt abgedruckt ist ...

April.

2) Samstag ... Die vielerwähnte Landschaft mit der allerdings nach Entfernung der unechten Unterschrift aufgefundenen echten Bezeichnung „Berchem“ wird nochmals mit einigen andern Bildern des Meisters verglichen. Am nächsten kommt demselben im Ton und in der Behandlung die Verkündigung der Hirten Nr. 1335 [= 1480]. Doch bleibt immer noch ein bedeutender Unterschied, und die Beurtheilung des Meisters muß allerdings einen andern Maßstab als den bisher angenommenen zur Richtschnur nehmen. Das Räthsel dürfte in der Annahme seine Lösung finden, daß Berchem, der achtzehn Jahr jünger war als Cuyp, dessen Werke studiert und in unserm Bild ihn nachgeahmt hat ...

4) Montag ... Grahl[2], den ich in der Galerie finde, erklärt sich auch mit größter Entschiedenheit gegen die Hübnersche Einrahmung der Holbeinschen Madonna und bemerkt, daß er mit Rietschel wegen dieses Projekts, das der letztere bekanntlich eifrig befürwortet hat, in lebhaften Streit gerathen sei ...

5) Dienstag ... Ich gehe nach L. Richters Atelier, finde zwar nicht ihn, aber seine neueste Arbeit, eine Landschaft in Oel, zu Hause. Ich kann die Meinung nicht theilen, daß das Bild eine seiner schönsten Arbeiten sei. Wäre das Bild erst angefangen, so würde ich mir

einige Bemerkungen erlauben. Es war am Ende gut,


  1. Es ging 1871 in den Besitz der kgl. Gemäldegalerie über und ist jetzt mit Nr. 1952 bezeichnet. Wörmanns Katalog schreibt es einem der Schüler und Nachfolger Lucas Cranach des Jüngeren zu. Cranach der Aeltere starb 1553, Melanchthon 1560.
  2. August Grahl, Maler, schon erwähnt, beispielsweise am 18. Mai 1857.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/74&oldid=- (Version vom 3.9.2024)