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ganz verworfen und eine Aufstellung des Bildes ohne Zuziehung anderer Bilder gewünscht ... Die Abschnitte, welche heute in Stolz’s Buch gelesen werden, gefallen mir sehr gut und versöhnen mich wieder mit dem Verfasser.

28) Samstag. 12 Uhr Galerie-Kommission. Meine Collegen finde ich bereits versammelt, obwohl ich vor der bestimmten Zeit komme. Die Herren sind in Aufregung über die Artikel in dem Anzeiger über die Einrahmung der Holbeinschen Madonna und meinten, gegen diesen Unfug auftreten zu müssen. Der anfänglich gefaßte Entschluß, in das Dresdener Journal eine hierauf bezügliche Erklärung einrücken zu lassen, wird wieder aufgegeben ...

29) Sonntag ... von Bethmann-Hollweg beantwortet die Frage wegen des Luther-Denkmals. Sein erster Gedanke ist der richtige, nach längerem Erwägen erklärt er sich für die Kutte. Gegen Abend begebe ich mich zu Rietschel, um dieses Resultat ihm mitzutheilen. Die Wirkung dieser Mittheilung ist eine andere, als ich erwartete. Ich finde einen gewissen Herrn Schiller (aus Braunschweig?) bei ihm, welcher bei der Ausführung der Lessing-Statue ihm als Freund zur Seite stand[1]. Dieser, in Betreff des Luther-Denkmals ganz meiner Ansicht, hat diese Ansicht mit Lebhaftigkeit aufgestellt und verfochten und, wie es scheint, die Umstimmung Rietschels wesentlich gefördert. Dabei hat er in Betreff der Architektonik des Denkmals glückliche Ideen angeregt, kurz und gut, Rietschel ist in einem andern und guten Fahrwasser, in welchem er selbst mit guter Zuversicht sich bewegt. Ich sehe es kommen, daß Rietschel sich bald entschieden für den Chorrock erklärt. Nun bin ich begierig, was Nitzsch, den Bethmann-Hollweg um seine Meinung fragen wird, für eine Antwort gibt. Im Vertrauen gesagt, großes Gewicht lege ich auf diese Autoritäten nicht. Die Herren denken und erwägen; denken aber die Sache bald ganz aus dem eigentlichen Gebiete, dem Gebiete der bildenden Kunst, hinaus und kommen auf ein Resultat, das keine Anschaulichkeit bietet ...

30) Montag ... Museum ... In den Gemäldesälen werde ich angesprochen von Professor Abrahams[2], meinem Reisegefährten von Rom nach Florenz im Frühjahr 1827. Wir erinnern uns der schönen Reisegefährtinnen, die von der Gesellschaft waren. Eine derselben, sie trug eine Binde über der Stirne, habe ich aus der Erinnerung gezeichnet. Die Skizze befindet sich in einem meiner Albums ...

31) Dienstag ... Führich ist im Museum und zwar bei Gruner ... Den Abend bringe ich bei Gruners zu, wohin ich auf Führich geladen bin ... Die Unterhaltung ist sehr lebhaft. Mit Führich verstehe ich mich in den Hauptsachen sehr gut. Auf dem konfessionellen Gebiete würde freilich eine Einigung nicht möglich sein.

September.

1) Mittwoch ... Museum. Schirmer macht auf ein Bildchen aus dem Vorrath aufmerksam, das nach seiner Meinung ein Originalbild von Ary de Vois ist und in der Galerie zu bleiben verdient. Ich kann nur meine Zustimmung erklären. Bei unserer Prüfung ist es als „Wilh. Mieris, nacktes Mädchen“ bezeichnet worden. Schirmer erkennt eine Magdalena darin ... Um 6 Uhr bin ich bei Rietschel, welcher mich zu einer Zusammenkunft mit Hübner eingeladen, der seinen Aufsatz über das Luther-Denkmal für unser Kunstblatt beendet hat und uns vorlesen will. Der Aufsatz ist sehr schön und wird gewiß mit sehr großem Interesse gelesen werden.

2) Donnerstag. Es wird zu mir geschickt von Frau Schrader und mir gemeldet, daß Frau Veit aus Mainz und verwittwete Frau Veit aus Rom hier seien und mich sehen möchten ... Signora Carolina[3] ist nicht schön, sie war es ja auch als Mädchen nicht, aber stattlich, lebhaft und angenehm. Die Wittwe ist fast blind ... Mit Frau Carolina gehe ich nach dem Museum; dann kaufen wir zusammen Maltuch für ihren Mann ... Johannes Veit ist innerhalb drei Stunden gesund und todt gewesen. Philipp sieht sich als Künstler ganz zurückgesetzt und hat auch in seiner Familie viel Kreuz zu tragen. Die Mutter sagt, seine Tochter Nonne sei die glücklichste von den Töchtern ...

3) Freitag. Bei der vollständigen Reinigung des gestern [richtiger: vorgestern] erwähnten Vorrathsbildes findet sich an dem oberen Rand desselben die deutliche und echte Bezeichnung „F van Mieris“. Nun werden wir das Bild[4] erst recht behalten. Die Frauen Caroline und Flora Veit sind in der Galerie. Mit der ersteren mache ich mein Geschäft wegen des Maltuchs ab ... Wir gehen dann noch zusammen durch die Galerie. Flora, die wenig sieht, freut sich doch, die großen Kunstwerke vor sich zu haben, und gedenkt dabei ihres Johannes, der oft bewundernd vor denselben stand. Vor der Sixtinischen Madonna erhebt die fromme Frau sich zu einer stillen Andacht. In der Galerie nehmen wir auch

Abschied ... Von Keller erhalte ich Antwort auf mein


  1. Karl Schiller (1807–1874), Privatgelehrter in Braunschweig. Nach der Angabe in der „Allgemeinen Deutschen Biographie“ Band 31, Seite 251 ff. soll sein „Rath für die Auffassung Lessings von Seiten Rietschels maßgebend gewesen sein und er den Künstler nur mit Mühe bewogen haben, daß er von der Figur den Mantel fortließ und sie in der Kleidung der Zeit darstellte“.
  2. N. Ch. L. Abrahams, Professor der französischen Sprache an der Universität Kopenhagen, Verfasser einer 1876 unter dem Titel „Meddelelser af mit Liv“ im Druck erschienenen Autobiographie.
  3. Philipp Veits Gattin, geb. Pulini.
  4. In Wörmanns Katalog Nr. 1744.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/55&oldid=- (Version vom 27.8.2024)