Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/50

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

31) Montag ... Abends besuche ich Passavant. Ich nehme Gelegenheit, ihm vorzulesen, wie ich seine Bemerkungen über einige Galeriebilder mir notiert habe, und berichtige meine Aufschreibungen in ein paar Punkten nach seinen Angaben.

Juni.

1) Dienstag ... Museum. Der Direktor der kaiserlich französischen Gemälde-Galerie in Paris ist in unserer Galerie und wird heute von Schmidt geführt. Ich mache seine Bekanntschaft nicht, da ich nicht mit ihm reden kann ...

2) Mittwoch ... Auch heute befindet sich der Graf von Nieuwerkerke, Generaldirektor der kaiserlichen Museen in Paris, in unserer Galerie. Ich stelle mich ihm vor, und wir conversieren in italienischer Sprache. Er ist ein schöner Mann, und dieser Eigenschaft hat er wohl vorzüglich seinen jetzigen Posten zu danken, da er, ein Bildhauer, das Wohlgefallen einer Napoleonischen Prinzessin auf sich zog und diese die kaiserliche Gnade für ihn erlangte. Zwei von unseren Ruisdaels erklärt er für Werke des Hobbema (nämlich die Nummern 1370 und 1367). Als Gemäldekenner dürfte er sich hierdurch nicht empfehlen, denn Hobbema hat an diesen Landschaften so wenig Antheil als sonst ein Meister außer Ruisdael[1].

4) Freitag. Im Museum wird mir mitgetheilt, daß sich heute abermals zwei Männer als Polizeileute zu erkennen gegeben haben, welche beordert seien, in Civilkleidern an der Ueberwachung der Galerie Theil zu nehmen. Von Seiten des Ministeriums ist mir über diese Maßregel nichts eröffnet worden. So wenig ich nun etwas dagegen haben kann, wenn unter den Besuchern der Galerie solche Männer sich einfinden, so wenig bin ich verpflichtet diejenigen, die als Polizeileute anerkannt sein wollen, ohne Legitimation dafür anzuerkennen ... Ich ging nun nach der Polizei und sprach mit dem Herrn Polizeicommissar Schilling über die Sache und erfuhr, daß die Sendung solcher Gensdarmen allerdings von der Polizeidirektion angeordnet worden ist. Meine in dem oben angedeuteten Sinn ausgesprochenen Bemerkungen werden hoffentlich nicht ganz unbeachtet bleiben ...

5) Samstag. Professor Keller theile ich gemäß hohen Auftrags mit, daß Seine Majestät die Ausführung einer Zeichnung nach Rafaels Madonna di St. Sisto zum Behufe eines Stichs genehmigt haben ... 12 Uhr Galerie-Kommission. Deren Mitglieder außer Rietschel vollzählig. Schirmers Restauration des Sebastian von Correggio, die nun bald vollendet sein wird, befriediget in hohem Grade. Das Bild ist, wills Gott, nun auf lange Zeit wieder gesichert ... Waagens neueste Brochure, „Bemerkungen über die Dresdner Galerie“, wird besprochen. Hübner wird nichts darauf erwidern und thut daran sehr wohl, obschon er viele Mittel in Händen hätte, um Waagen empfindlich zu züchtigen. Ein Gemälde von Matthäi, die Rache Orests an seiner ungetreuen Mutter und an Aegisth darstellend, befindet sich im Restaurationszimmer. Es hat sehr viel verdienstliches und gefällt mir besser als viele der romantisch-naturalistischen Erzeugnisse der neueren Zeit. Dieses Bild wird mit vielen anderen zur allgemeinen deutschen Ausstellung nach München gesendet werden ...

6) Sonntag ... Am Morgen bringt mir Anton Jördens einen Probedruck seiner Platte „Die Verleugnung Petri“. Das Blatt ist schön gearbeitet und macht mir Freude. Ich bedaure, daß Jördens mir erklärt, jetzt nicht mehr bei der Ausführung der Bibelblätter sich betheiligen zu wollen, da er in der Lage sei, sich endlich einmal ganz den akademischen Studien widmen zu können ... Wir erfahren, daß Ludwig, um Niemann aus Hannover als Tannhäuser zu hören, in Frankfurt war. Er kam kurz vor der Theaterzeit, ging dann ... zur Oper und kehrte am nächsten Morgen 5 Uhr nach Carlsruhe zurück, wo er noch am Vormittag eine Probe als Templer zu bestehen hatte ...

8) Dienstag. Herr Dr. Härtel in Leipzig schrieb vor etlichen Tagen an mich und stellte die Bitte, daß ich ihm Niebuhrs Porträt zum Behufe eines seiner Sammlung berühmter Deutscher anzureihenden Stichs senden möge. Er war der Meinung, ich sei im Besitz der Originalzeichnung. Ich schreibe ihm heute, daß diese Originalzeichnung in Bunsens Besitz sich befinde. Museum. Schirmer noch immer an dem Sebastian. Der Engel über diesem Heiligen macht Schwierigkeiten. Aber bald wird das Bild wieder in trefflichem Stand sein ...

9) Mittwoch ... Museum. Schirmer ist dabei, die letzte Hand an Correggios Bild zu legen. Wenn seine Arbeit in solchem Stadium ist, kann er mich zuweilen brauchen und hat mich auch gern an seiner Seite.

10) Donnerstag. Nach der mit Anstrengung durchgeführten Vollendung der letzten Aufzeichnung gebe ich heute früh der Schwachheit Raum, Bulwers Roman Maltravers, der mir von den Meinigen bis auf einen geringen Theil vorgelesen worden, vollends durchzulesen. Natürlich hätte ich dies nicht gethan, wenn das Buch mich nicht interessierte ... Eben ... erhalte ich den erwarteten Probedruck von Ade [„Jesus mit der Dornenkrone“]. Ich kann nichts wesentliches gegen den Schnitt einwenden, wohl aber wünschte ich vieles anders in der Zeichnung ...

12) Samstag ... Das Atelier, das Museum, endlich das Ausstellungslocal, wo die Bilder zu sehen sind, die

nach München zur allgemeinen deutschen Ausstellung


  1. 1370 = 1493 „Die Furt im Walde“ und 1367 = 1499 „Der Eichenhügel“ sind nach dem Zeugniß des neuen Galeriekatalogs beide mit Ruisdaels Namen bezeichnet.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/50&oldid=- (Version vom 26.8.2024)