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mußte. Doch aber war es die, damals freilich noch nicht zu errathende Absicht der Anarchisten, hier um jeden Preis einen Aufstand hervorzurufen und zuvor die Kommunalgarde unschädlich zu machen, da sie aus der Haltung des allgemeinen Bürgerwehrvereins nur zu gut ersehen konnten, daß sie nicht nur nichts Ungesetzliches thun, noch weniger aber etwas thätig unterstützen würde, was gegen Gesetz und Ordnung, am allerwenigsten aber für Republik kämpfen werde. Dies Mittel war in dem Antrage gefunden: Daß man an das Kommando zunächst, dann für das ganze Land an das Generalkommando das Ersuchen richte, für Dresden zum Freitag (dem 4. Mai), für das ganze Land nächster Zeit eine große Parade anzuordnen, um durch ein Hoch die Reichsverfassung als zu Recht bestehend anzuerkennen. Dieser Antrag war in allen Bataillonen vorbereitet, mit ihm sollte, wie früher in ähnlichen Fällen im Bürgerwehrverein überrascht werden, denn er stand nicht mit als Tagesordnung auf dem Plakate seitens des Kommandanten.

Als dieser Antrag nun bei uns durch Dr. Minckwitz[1] vorgetragen wurde, entfernte sich eine große Anzahl von den Mitgliedern des Bataillons, weil sie mit ihm nichts zu schaffen haben wollten, dadurch aber wurde die Majorität der Gemäßigten bedeutend verringert, und anstatt daß derselbe hätte abgeworfen werden sollen, ward er, wenn auch nur mit geringer Majorität, genehmigt: Dasselbe fand in gleicher Weise auch in allen übrigen Versammlungen statt.

Die Urversammlungen fanden am 2. Mai statt, und der Antrag ging dahin, daß erst am 4. die Parade stattfinden solle; der Kommunalgardenausschuß aber, der am 3. wegen desselben versammelt war, wurde mit seinem Vorsitzenden, dem Oberkommandanten Lenz,[2] dermaßen gedrängt und zuletzt terrorisirt, auch von solchen, welche gar nicht dazu gehörten, daß er die verlangte, nun rücksichtslos geforderte Parade schon an diesem Tage abhalten lassen mußte, und zwar nun nicht mehr, wie ausdrücklich bestimmt worden war, auf Appell, sondern auf Generalmarsch, dem Lenz nur mit Niederlegung seines Amtes ausweichen zu können glaubte. Im dritten Bataillon wurde indeß nur, der Anordnung des Ausschusses zufolge, Appell geschlagen, doch aber soll dies in Altstadt nicht durchgängig der Fall gewesen sein.

Um 1 Uhr wurden demnach die Abtheilungen versammelt, und in ununterbrochener Ausschußsitzung war bestimmt worden, daß, da eine Parade vom Generalkommando[3] nicht gestattet worden war, sobald die Kommunalgardenbataillone und die Hülfskorps die Antwort des Königs auf ihren Sammelplätzen mitgetheilt bekommen hätten, sie sofort wieder abtreten zu lassen. Bei einigen Abtheilungen der Altstadt war dies sehr bald geschehen, wir aber in Neustadt harrten Stunden lang vergeblich, sowohl auf die versprochene Antwort, als auch auf das sehnlich gewünschte Abtreten.

Durch das Ausschußmitglied, unseren Zugführer Appellationsrath Siebdrat,[4] war uns die Mittheilung geworden, daß wir schleunigst den Befehl zum Abtreten bekommen müßten, indem die Anderen schon längst wieder entlassen seien; er wunderte sich sehr, daß wir noch auf dem Platze seien, erklärte aber, daß seine nur als vertraulich zu betrachtende Mittheilung uns zum Auseinandergehen nicht veranlassen könne, indem der Befehl dazu von einem Adjutanten gebracht werden müsse. Es kam aber weder einer der Kommando-Adjutanten, noch hatte unser Bataillonsadjutant Zychlinsky,[5] als er endlich erschien, irgend einen Befehl für uns, oder er hat ihn uns absichtlich vorenthalten, damit wenigstens ein Bataillon in zweifelhafter Absicht auf den Beinen bliebe. Uns blieb daher weiter nichts übrig, als am Ende eine Deputation auf das Bureau zu senden, um endliche Gewißheit über unsere Lage zu bekommen, und diese konnte ebenfalls erst nach langem Hin- und Herlaufen eine Autorität auffinden, um Befehle für uns zu erlangen. Nach Rückkehr derselben ward sofort abgetreten, nachdem zuvor die Kompagnien Kreise formirt, die Antwort des Königs empfangen und ein Hoch auf die Reichsverfassung, an dem auch das außen stehende Militär mit Begeisterung theilgenommen, ausgebracht hatten.

Unser Standhalten auf dem Sammelplatz war in Altstadt bekannt geworden, und, wie es scheint, damit der geheime Zweck der Anarchisten erreicht; denn unter Geschrei kam eine kleine Abtheilung Bewaffneter aus der Altstadt herüber, geführt von ein paar Rottmeistern, doch aber war die Mehrzahl derselben der Kommunalgarde nicht angehörend, denn schon waren freiwillige Bewaffnete darunter. Der Trupp schien in der Voraussetzung gekommen zu sein, sich uns anschließen zu wollen, da derselbe indeß bemerken mußte, daß er sich in seiner Annahme geirrt hatte, so zog er sehr bald wieder ab und ohne daß auch nur irgend eine Verhandlung stattgefunden hätte. Mit gleich leichter Mühe wurden wir ein Hülfsanerbieten von Barrikadenleuten vom Fache los, von denen zwei im Auftrage anderer Zehne sich zur Disposition des Bataillons stellten und Waffen zu dem Zwecke verlangten. Es war gegen 4 Uhr als


  1. Im Adreßbuche v. J. 1849 wird er noch nicht als Advokat, sondern nur als D. Minckwitz, Glacisstraße 1 wohnhaft, angegeben.
  2. Lenz hatte ein Schnittwaarengeschäft i.d. Wilsdrufferstraße.
  3. Generalmajor von Mandelsloh.
  4. Gestorben 1876 als Geheimer Justizrath.
  5. von Zychlinsky, Rechtskandidat, Königstraße 4 wohnhaft, war Bruder eines aktiven Offiziers.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/5&oldid=- (Version vom 8.8.2024)