Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/49

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

der Königl. Gemäldegalerie zu Dresden“. Die Aufstellung ist fast durchweg sehr günstig beurtheilt. Hübners Katalog erfährt manchen Widerspruch, bei welchem einige Feindseligkeit durchblickt. Hübner wird sich wohl zur Wehre setzen, wo er kann ...

19) Mittwoch ... Im Entreezimmer [des Museums] finde ich Professor Kellers Gesuch an Seine Majestät den König wegen des Stichs der Madonna di St. Sisto, welches der Herr Minister zur Begutachtung mir zusendet. Da ich in derselben mich auf Kellers Stich nach der Disputa beziehen werde, sehe ich mir denselben im Kunstverein noch einmal gründlich an. Der Stich macht mir heute denselben vortheilhaften Eindruck wie neulich ...

20) Donnerstag. Der Minister der Finanzen Behr hat die Herren Abgeordneten zu einer Fahrt nach Meißen eingeladen, um ihnen die Porzellanmanufactur zu zeigen, weil deren Verlegung bei den Kammern nun in Antrag gebracht wird. Die der Manufactur von Seiten der k. Akademie beigegebene Kommission, deren Mitglied ich seit mehreren Jahren bin, und einige Direktoren Königlicher Sammlungen sind ebenfalls geladen. Um 8 Uhr Morgens findet auf einem zu diesem Zweck gemietheten Dampfschiff die Fahrt statt ...

21) Freitag. Ich schreibe die Begutachtung von Kellers Gesuch, die Madonna di St. Sisto zeichnen und stechen zu dürfen. Ich befürworte dasselbe unbedingt. ... Passavant. Ich finde denselben im Kupferstichkabinet. Wir gehen zusammen in die Galerie und besprechen noch diejenigen Gemälde, über die ich besonders gern sein Urtheil hören wollte. Ich habe seine Bemerkungen besonders notiert und den Galerieacten beigelegt ...

22) Samstag ... Rietschel ... besuchte mich diesen Morgen ... Bei dieser Gelegenheit erklärt er seine Besorgniß, daß ich ihn für einen Gegner meiner Ansicht in Betreff der monumentalen Kunst halte, was er nicht sei. Nur auf die äußerste Rechte könne er seiner Natur nach sich nicht stellen. In allen Fällen, wo es eine Entscheidung gelte, werde er auf der Seite der ernsten Richtung stehen. Peschel will auch gelegentlich mir Erklärungen dieser Art geben. Wahrscheinlich hat Schönherr, gegen den ich mich neulich expektorierte, einiges über meine Klagen verlauten lassen ...

25) Dienstag ... Schönherr besucht mich und empfängt die Zeichnung zu dem Mittelbild des untern Theils der Chornische, d. i. zu dem heiligen Franz Xaver ...

26) Mittwoch. Schnaase trägt mir im Namen der Kollegen auf, Rietschel zu bitten, daß er zur Eröffnung des Blattes[1] (1. Oktober) eine Mittheilung über sein Luther-Denkmal, womöglich eine Zeichnung, gebe. Gestern war Rietschel noch nicht von Lauchhammer zurück, heute früh finde ich ihn. Eine Zeichnung will und kann er nicht geben, das begreife ich. Eine Mittheilung stellt er in Aussicht. Vielleicht bekommen wir auch diese nicht. Er steckt noch im Unklaren über die Auffassung. Kutte oder Chorrock, Realismus oder Idealismus, oder ein Zwischending, das die richtige Mitte sein möchte, sind die Fragen, die ihn beschäftigen, die er an allerlei Leute gerichtet hat, von denen er konfuse Antworten erhält! In Rietschels Auftrag veranlasse ich Andreä, ihm Papsts[2] Brief mitzutheilen, der sich so ganz vortrefflich über die Frage ausspricht, natürlich zu Gunsten des gewordenen Luther und nicht des werdenden. Rietschel ist höchst aufgeregt durch die entschiedene Behandlung der Sache, wird aber nicht überzeugt. Meine Antwort an Schnaase verschiebe ich auf morgen ... Museum. Schirmer hat in dem Correggio eine lose Stelle geheilt durch eine kühne Operation. Er hat ein Stück der Leinwand, mit welcher die Fuge verklebt ist (es hat bei dieser Gelegenheit sich gezeigt, daß nur die Fugen mit Streifen bedeckt sind) herausgenommen und durch ein neues Stück ersetzt. Die Stelle ist am Wolkenreiter ...

27) Donnerstag ... Kirchenrath Langbein vollzieht die Taufe [bei Andreä]. Wir bleiben nachher noch eine Weile beisammen. Es kommt die Rede auf das Luther-Denkmal. Langbein ist einer von denen, die Rietschel befragt hat und denen er seine eigene Ansicht eingepflanzt. Wir opponieren energisch, und es scheint, als ob Langbein die Richtigkeit unserer Argumente einsehe.

28) Freitag ... Unser Sebastian von Correggio ist in den wesentlich kranken Theilen nun geheilt. Es wird jetzt nur noch die Farbe zur Anwendung kommen, und wir werden von nun an mit Beruhigung das Kunstwerk als ein für die Zukunft gesichertes betrachten können ...

30) Sonntag ... Unter Mittag besehe ich mir Bendemanns „Nausikaa“, die nun vollendet und im Kunstverein ausgestellt ist. Ich werde nicht warm von diesem Bilde. Die Erfindung will nicht viel sagen. Was Ausführung betrifft, hat sich Bendemann in einen ihm nachtheiligen Wettstreit mit der Sonne eingelassen und, ohne den Glanz ihrer Strahlen zu erreichen, unvermittelte und störende Farbenpracht ausgeschüttet. Wo die Kunst aber siegreich, weil auf ihrem Gebiete, hätte auftreten können, in der Durchbildung der Zeichnung und der Form, da hat sich Bendemann einem Wirklichkeitsprincip unterworfen, das ihn in die Gleise der Zufälligkeiten und Unschönheiten gebracht hat, die ein Gegenstand wie der dargestellte am wenigsten verträgt ...


  1. Des „Christlichen Kunstblattes“.
  2. Einer Berliner Persönlichkeit, die ich nicht im Stande bin genauer zu bestimmen.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/49&oldid=- (Version vom 23.8.2024)