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als die Hauptbilder der Galerie aufnehmen sollte, im Sinne der sogenannten Tribünen. Diese Intention behielt Geltung, so lange das Museum nur im Plane vorhanden war. An sie knüpfte sich bei mir der Gedanke, ebenfalls in die Mitte des Gebäudes, aber in dem schönen Raum der zweiten Etage, die Holbeinsche Madonna als Hauptbild zu bringen und sie dann mit den übrigen Bildern der deutschen Schule zu umgeben. Später, als die Räume dastanden, zeigte sich, daß in dem Kuppelsaal für Oelgemälde, am wenigsten für die vorzüglichsten, kein ausreichendes Licht sei, und ich wählte für den Rafael den Eckraum an der westlichen Seite des Gebäudes als Aufstellungsort. Bei der Vertheilung der Bilder auf den kleinen Schemas wurde diese Bestimmung maßgebend, und es kamen nun die Italiener auf die westliche Seite des Museums, Holbein und die deutsche Schule, deren Aufstellung an dem früher angenommenen Ort sich auf dem Schema sehr glücklich ordnete, blieb in der zweiten Etage und wurde auch bei der ersten Aufstellung hier untergebracht. Da geschah es allerdings, daß Carus mir mittheilte, die Königin Marie, welche die Galerie während der Aufstellungsarbeiten besuchte, sei nicht einverstanden damit, daß die Holbeinsche Madonna nicht auch in der ersten Etage aufgestellt wäre. Nicht aber diese Mittheilung, sondern die Wahrnehmung, daß das Licht gerade an der Stelle, wo die Madonna aufgestellt war, nicht günstig ist, ließen mich und Schirmer an eine Aenderung denken. Da hatte nun Schirmer den Gedanken, das Bild in dem Eckraum aufzustellen, wo sie sich befindet. Ich erkannte augenblicklich, daß das Bild hier glücklich untergebracht sein würde und daß sich auf diese Weise mein ursprünglicher Plan, diese beiden Hauptbilder durch ihre Aufstellungsorte als die köstlichsten Perlen der Galerie auszuzeichnen, glücklich verwirkliche. Denn durch die Entfernung des Rafael war der Holbein außer Beziehung zu demselben gekommen; jetzt sollte er wieder dessen richtiges Gegenstück und der eine Endpunkt oder Pol der Axe werden, deren anderer der Rafael war. Den Gedanken fassen und ihn ausführen war fast eines. Aus Rücksicht gegen die Galerie-Kommission, welche vor der Aufstellung der Bilder die Schemata eingesehen und die Vertheilung der Gemälde gebilligt hatte (Bendemann hatte gerade die beabsichtigte Aufstellung des Holbein als eine sehr glückliche bezeichnet), befragte ich nur Seine Excellenz den Herrn Minister von Zeschau, ob ich ohne weiteres eine Aenderung des Planes vornehmen könne, und nach erlangter Genehmigung schritten wir sogleich zur Ausführung. Am Abend des nämlichen Tages, an welchem der Gedanke gefaßt war, war Holbeins Madonna an ihrem Ort und die ganze deutsche Schule in den Nebenabtheilungen aufgestellt. Nach vollbrachtem Werke erinnerte ich mich der Aeußerung der Königin Marie und bemerkte bei der nächsten Begegnung mit Carus diesem, daß wir eine Aenderung in der Aufstellung der Holbeinschen Madonna bewerkstelligt hätten, mit welcher Ihre Majestät gewiß zufrieden sein würde ...

5) Mittwoch ... Museum. Schirmer schlägt mir vor, die Skizze nach Rubens (der heilige Rochus) wieder von ihrem Ehrenplatz neben dem Liebesgarten zu entfernen und mit einem andern Schulbild zu vertauschen. Sollen wir so weit gehen? ...

6) Donnerstag ... Schirmer hat bereits die Rubens-Skizze mit dem Bilde vertauscht, das früher neben dem Liebesgarten hieng, eine unbedeutende stumpfe Arbeit eines Rubensischen Schülers. Auf meine Vorstellung sieht er aber doch ein, daß des Königs Geschenk, eine wahrscheinlich neue, aber ganz vortreffliche, geistreiche Arbeit, der nur die alte Patina fehlt, um sie ihres Platzes ganz würdig zu machen, diesen Platz besser verdient, und das Bild kommt nun wieder dahin ... Aufregendes Gespräch über meine Arbeitsüberbürdung. Ich soll meine Aemter aufgeben ... Trotz der Aufregung, in welche das Gespräch mich versetzt, schlafe ich nach dem Auseinandergehen sogleich ein und schlafe vortrefflich ...

8) Samstag ... 12 Uhr Galerie-Kommission ... Der heilige Sebastian von Correggio, No. 133 [jetzt 151], ist der in der letzten Sitzung getroffenen Verabredung gemäß in das Restaurationszimmer gebracht worden. Das Bild ist von je her in schlimmem Zustande gewesen und schon von Palmaroli restauriert worden. Längs der vier Fugen, welche durch die fünf Theile des Holzes veranlaßt sind, laufen die Restaurationen in der Breite von fast zwei Fingern. An vielen der restaurierten Stellen hat sich der Kitt mit der Farbe gelöst und gehoben und droht mit der Zeit zu blättern. Die losen Stellen wegzustoßen, erscheint bedenklich, weil sehr große Lücken entstehen werden, deren Ergänzung schwer sein würde. Mit dem Balsam hinter die Farbe zu kommen, ist auch nicht leicht. So ist denn die Aufgabe, das Bild wieder in guten Stand zu setzen, kaum lösbar und kann nur gehofft werden, eine wesentliche Besserung zu erzielen. Diese herbeizuführen, wird nun Schirmer versuchen, und ist von einem Restaurator ein Erfolg zu erwarten, so ist es gewiß Schirmer ...

10) Montag ... Museum. Schirmer ist schon sehr thätig gewesen an der Herstellung des St. Sebastian von Correggio. Es findet sich, daß die Fugen der einzelnen Holztheile mit Leinwandstreifen überklebt sind. An einer Stelle, wo die Farbe los und von Schirmer weggestoßen worden ist, war auch dieser Leinwandstreifen lose geworden, so daß ihn Schirmer von neuem zu befestigen hatte. Die Restauration, soll sie irgend gründlich sein, wird viel Mühe machen, deren es sich allerdings verlohnt, denn das Bild ist herrlich ...

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/47&oldid=- (Version vom 23.8.2024)