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für Steinbrecher. Ich bringe sodann diesem die Platte, jenem den Probedruck, wobei ich erfahre, daß Obermann, allerdings in guter Absicht, an dem Christuskopf feinere Strichlagen geschnitten hat, als ich gezeichnet habe, wodurch der Kopf verdorben ist. Nachmittag besuche ich Rietschel, um ihm den Besuch der Theaterdirektoren anzukündigen. Wir kommen nachher auf das Postulat für Kunstzwecke zu sprechen, und er erklärt sein Einverständniß mit mir, obwohl er meint, daß unter den jetzigen Verhältnissen, da der Realismus unzweifelhaft zur Herrschaft gelangen werde, unsere Wünsche für die Belebung der monumentalen Kunst keinen durchgreifenden Erfolg haben würden Abends bei Graf Bose, wo Geh. Rath Carus seine in zwei Aufsätzen niedergeschriebenen Gedanken über Paul Veronese und über Ruisdael vorliest. Die Aufsätze sind sehr geistreich und voll tiefer Blicke in das wahre Wesen der Kunst. Geh. Rath von Langenn und Gruner sind zugegen, sonst ist niemand da ...

6) Samstag ... Museum. Correggios Magdalena nimmt sich in dem neuen Rahmen sehr gut aus. Auch die Mailänder Herodias und die Copie nach Correggio (Verlobung der heiligen Katharina) an den neuen Plätzen wirken vortrefflich und können nun auch sehr gut gesehen werden. Die beabsichtigte Umhängung im Rembrandt-Saal stößt aber auf Schwierigkeiten und wird zunächst noch unterbleiben. – Obermann hat den Christuskopf retouchiert, und er ist wenigstens heller, wenn auch im wesentlichen nicht besser geworden. Der Kopf war in der Zeichnung schön und in den Strichlagen klar. Die Meinung, zartere Arbeit zu machen, hat nun das ganze Blatt verpfuscht. Abends sind wir, Gott sei Dank, einmal allein ...

7) Sonntag ... Gestern vergaß ich zu bemerken, daß ich einen sehr lieben Brief von Johannes Zumpe[1] aus Rom erhielt. Er ist sehr beglückt durch den freundlichen Empfang, den er bei Cornelius und Overbeck gefunden hat. Er und seine Genossen gehören nun zu den regelmäßigen Besuchern an gewissen Tagen, an welchen Cornelius wie Overbeck Gäste erwarten ... Der erste Brief Zumpes ließ mich fürchten, daß er sich in einer gewissen Ueberschwänglichkeit verlieren würde; sein letzter Brief zeigt mir, daß er wieder festen Boden gefunden und den richtigen Weg zum Ziele eingeschlagen hat. – Von Herrn Stadtrath Cichorius erhalte ich einen Brief, aus dem ich zu meiner Freude entnehme, daß Wigands Erben mein Bibelwerk in seinem Sinne fortzuführen und zu vollenden gedenken ...

8) Montag. Atelier. Museum. Daselbst sind die Miniaturen des verstorbenen Oberhofmarschalls von Reitzenstein nebst einem Ministerial-Erlaß abgegeben worden, in welchem ich aufgefordert werde, diese neuen Acquisitionen in das Inventarium einzutragen und dieselben in einem kurzen Aufsatz in solcher Weise zu besprechen, daß man denselben in das Dresdener Journal kann einrücken lassen ...

9) Dienstag. Circular in Sachen des akademischen Raths ... Erklärung von Bendemann, daß er die „Fortführung der Galerie“ nicht als Kunstzweck aufgestellt habe. Endlich eine neue Beleuchtung der Postulats-Angelegenheit Quandts, in welcher dem Ausdruck „monumentale Kunst“ eine bisher nicht übliche Bedeutung untergelegt, jedoch gegen Museen für Neuere (so verstehe ich Quandts Meinung) gestimmt wird ... Museum. Nicht genug, daß ich den durch den gestrigen Orkan angerichteten Schaden beträchtlich finde (an mehreren Orten sind Scheiben zertrümmert, im ganzen 12 Stück), so ist auch noch durch Bosheit ein Bild arg verletzt worden. An einem kleinen, nicht bedeutenden Bild von einem unbekannten französischen Meister, das eine Kreuzigung darstellt [jetzt Nr. 764], ist der Christuskopf herausgeschnitten. Das Bild hing in der zweiten Etage und Müller hatte diese zu überwachen. Auf ihn fällt keine Schuld, denn er kann nicht überall zugleich sein. Ich gehe sogleich zu dem Herrn Minister, um den Vorfall anzuzeigen. Man fühlt sich rathlos. Auch durch eine Verdoppelung und Verdreifachung der Aufseher würde man die Ausführung so ruchloser Beschädigungen nicht verhindern können ... Gleich nach 4 Uhr kommt Voigt und benachrichtiget mich, daß außer dem erwähnten Bilde noch drei andere Gemälde beschädiget worden sind: der kleine Bacchus von Guido Reni, die Diana von Fr. Albani und die Venus von Cairo. Diese Beschädigungen sind anderer Art als die ersterwähnte. Während es bei dieser offenbar auf einen Diebstahl abgesehen war, sind jene in der Art, wie die vor einigen Monaten ausgeübte: die Schamtheile sind durchstoßen oder zerkratzt. Was ist zu thun? ...

10) Mittwoch ... Im Museum besichtige ich die drei Gemälde, von deren Beschädigung Voigt mir gestern Nachmittag Nachricht gebracht hat; hierauf gehe ich in das Ministerium, wo ich bereits Herrn Minister von Zeschau finde und ihm Bericht erstatte. Der Minister ist ungehalten über die Diener, deren Unachtsamkeit er den Schaden zur Last legen will. In diesem Fall muß ich mich der Leute annehmen ...

11) Donnerstag ... Museum ... Unterredung mit den Galeriedienern wegen der letzten schlimmen Vorfälle ... Wäre mein Entwurf zu den Instruktionen für Voigt angenommen worden, oder würde er noch angenommen, so würde es besser um den Dienst stehen. Ich habe in diesem Entwurf unter anderm vorgeschlagen, dem Voigt ein Aufsichtsrecht über die Galeriediener zu übertragen ...


  1. Joh. Zumpe, Schüler Schnorrs, schon erwähnt, beispielsweise am 19. September 1856.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/43&oldid=- (Version vom 22.8.2024)