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ist aus ihren Aufzeichnungen nicht zu entnehmen – erst dem Mißverstehen von anderer Seite war es vorbehalten, aus den an sich unentschiedenen Gefechten eine Niederlage der Alliirten zu machen. Der österreichische Oberstleutnant De Lort (vergl. Oesterreich. Milit. Ztschrft. 1899) nennt den Zug einfach die „Unternehmung gegen Dresden“; er rühmt Zentrum und rechten Flügel; nur der linke österreichische Flügel hätte Unglück gehabt. Der 27. August, sagt er, „wäre ohne die Katastrophe eines Theiles des linken Flügels für die Alliirten glorreich gewesen“. Doch bleibt gerade ihm, dem Oesterreicher, das Treffen von Dresden natürlich ein „empfindlicher Schlag“; die eigentliche Bedeutung der Expedition verkennt auch er. – Hören wir noch eine Stimme. Der russische Oberst Boutourlin (Tableau de la campagne d'automne de 1813 en Allemagne, – 1817.) kann ebenfalls nicht von einer Niederlage der Verbündeten sprechen, will aber den Franzosen die Berechtigung, sich den Sieg zuzuschreiben, nicht aberkennen: „On ne saurait dire que les Alliés aient été battus à Dresde, puisque près de la moitié de l'armée n'a pas été engagée; cependant de leur côté les Français peuvent avec raison s'attribuer la victoire, Ils n'avaient livré la battaille que pour dégager leurs communications, et la retraite des Alliés leur procurait cet important résultat.“ Wie dieser Offizier mögen viele der Zeitgenossen geurtheilt haben. Da sie weder die Gründe des Kampfes noch die des Rückzuges kannten, urtheilten sie nach dem äußerlichen Verlauf der Ereignisse, der freilich für die Franzosen glücklicher erschien als für die Verbündeten.

Daß König Friedrich Wilhelm und Kaiser Alexander sich nicht im entferntesten für geschlagen ansahen, sondern die Kämpfe des 27. auch am 28. fortgesetzt wissen wollten, haben wir oben erwähnt. Hier sei noch eine Aeußerung des Zaren wiedergegeben, die Michailowsky-Danilefsky („Denkwürdigkeiten aus dem Feldzuge 1813“, S. 132) überliefert: Man hätte, habe Alexander zu Schwarzenberg gesagt, keine Ursache betrübt zu sein; bei Dresden sei keine Schlacht verloren worden, sondern nur ein Unfall erlitten, der leicht zu verbessern wäre.

Gneisenau übrigens, um das hier beiläufig zu erwähnen, faßt in seinem Briefe an Hardenberg vom 2. September (Geh. St. A. R. 74. O. Ap. Vol. III.) die Dresdener Ereignisse als „Unfälle“ auf; und in einem zusammenfassenden Redaktionsaufsatze der „Voss. Ztg.“ über die Kriegsereignisse vom 17. August bis zum 17. September heißt es nur:

„Es gelang Napoleon, am 26. und 27. die ver bündete Armee Don Dresden abzuhalten.“

Also auch hier existirt nicht die Auffassung von einer „Schlacht“ oder „Niederlage“ wie bei späteren Autoren.

Wenden wir uns nunmehr den Gegnern zu und hören wir die französischen Darstellungen der Dresdener Affäre.

Am meisten käme hier wohl das Urtheil Napoleons für uns in Betracht. Wenn der Kaiser sich für den Sieger gehalten hätte, ja wenn er das Bewußtsein gehabt hätte, den Verbündeten eine Niederlage beigebracht zu haben, so würden wir das in seinen Briefen vom 27. August und den folgenden Tagen zur Genüge erfahren, denn er pflegte seine Siege selbst mit den überschwenglichsten Worten zu feiern. Hier aber hatte er nicht viel zu rühmen, hier, wo es ihm ähnlich ergangen war wie mit Blücher in Schlesien, hier, wo die Verbündeten einer Schlacht rechtzeitig auswichen und Napoleon fast ebensoviel Verluste aufzuweisen hatte wie seine Gegner. Und in der That: er bleibt in seinen Briefen in seinen Berichten über den „Sieg“ merkwürdig kalt. Am Abend des 27. schreibt er nach Paris nichts weiter als: „Les affaires vont ici fort bien.“ Sind das Worte eines Siegers in einem Briefe, der nach seiner Hauptstadt abgeht? (Vergl. Correspondence de Napoléon. Bd. 26. S. 147.) Dagegen giebt er in drei Briefen vom 27. abends Befehle für die am 28. mit Bestimmtheit zu erwartende Entscheidungsschlacht. Er läßt Murat mittheilen, daß der Feind den Kampf am 27. nur als mißglückten Angriff ansieht; er läßt Ney wissen, daß am 28. eine große Schlacht ausgefochten werden wird und daß die feindliche Armee zahlreich ist. – Auch der „Moniteur“ bringt zunächst über den 27. August geradezu bescheidene Berichte. – Aber selbst in einem Brief noch vom 30. August an seinen Verbündeten Friedrich von Württemberg finden wir nichts von den Verherrlichungen früherer Siege: „La grande armée des alliés a été entièrement défaite“ – das ist alles! (Corresp. de Nap. Bd. 26. S. 157.).

Daß Pelet (spectateur militaire Bd. 1.) und St. Cyr (mémoires Bd. 4) den Rückzug der Verbündeten als einen Erfolg Napoleons ansahen, ist verständlich; viel verständlicher als die späteren übertreibenden Darstellungen einiger deutscher Autoren (Bernhardi). Aber hören wir, was Pelet (S. 261) uns berichtet:

Les historiens français de cette campagne annoncent que la victoire était gagnée dans l'après midi. Ils ne connaissaient pas, ou ils avaient oublié les sentimens que manifesta Napoléon. Le grand capitaine ne croyait pas l'affaire (!) de Dresde terminée, quand il rentra dans cette capitale, à sept heures du soir. On trouve bien des fois dans ses ordres du 27.: L'ennemi n'est point en retraite. Son armée est nombreuse. Il y aura demain une grande bataille. Il est douteux que l'ennemi se retira dans la nuit. . .‘.“

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/303&oldid=- (Version vom 15.8.2024)