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und: „Man erwartet nunmehr,“ heißt es weiter, „daß die Alliirten mit neuen Vorteilen wieder über das Gebirge nach Sachsen werden vordringen können“, zumal die Siege der Nord- und schlesischen Armee „auf den ferneren gesammten Gang der Kriegsoperationen von entscheidendem Einfluß sein müssen“[1]).

Damit genug der offiziösen Darstellungen aus dem Lager der Verbündeten. Sie gehen in Einzelheiten auseinander, stimmen aber zum größeren Theil in folgenden Punkten überein: Die böhmische Armee ist auf Dresden gerückt, kehrt aber nach dem mißlungenen coup de main am 26. und der heftigen Kanonade sowie den übrigen Gefechten des 27. August zurück, da äußere Schwierigkeiten ein längeres Verweilen gefährlich machen und der Endzweck, Napoleon auf sich zu ziehen, erreicht ist.

Aus keinem der Berichte ist auf eine größere Schlacht (es ist auch stets nur von „Gefechten“ die Rede), geschweige denn gar auf eine Niederlage der Verbündeten zu schließen.

Auf die Gerüchte, die sich kurz nach dem Dresdner Zuge andernorts bildeten, will ich nur mit einem Worte eingehen – der Vollständigkeit wegen, da sie an sich ja ohne Belang sind.

In den Berliner Tagesrapporten, die zur Kennzeichnung der Stimmung in der Stadt für den General L’Estocq geliefert wurden, heißt es (Geh. St. A. R. 91. A. I. Generalia No. 2. Vol. 9.) am 5. September, es sei „gestern viel Betrübniß in Berlin durch die Sagen verbreitet worden, daß die österreichische Armee bei Dresden geschlagen sei“. Der Berichterstatter verzeichnet dann das Gerücht von der schweren Verwundung Moreaus, das aber unglaubwürdig sei, da es in der Leipziger Zeitung[2] gestanden habe. – Uebrigens sei es wünschenswerth, meint der Referent, wenn auch das kleine Publikum, das sich keine Zeitungen halten könne, durch billige Extrablätter von dem Gang der Ereignisse Kenntniß erhielte. Aber bei dem Ausrufen dieser Blätter „verdient ein Mißbrauch Rüge, der der Hauptstadt nicht zur Ehre gereicht, indem ich gestern einen Knaben rufen hörte: Neue Beschreibung von dem Bombardement von Dresden, Bonaparte hängt im Schornstein. Heute hingegen hörte ich wieder einen Knaben rufen: Neue Beschreibung der großen Schlacht bei Dresden, Napoleon reitet auf dem Besen. Wahrscheinlich hat diese Schmähung Bezug auf die verbreitete Sage, die mir gestern der Pfandverleiher Müller zuflüsterte: daß nämlich Napoleon als Schornsteinfeger gekleidet aus Dresden entkommen sei“.

Das Gerücht von einer vollständigen Niederlage der Verbündeten wird am 7. September mit vielen Einzelheiten vermerkt. Die Armee sei bis nach Böhmen zurückgeschlagen worden. Der Aktuarius Henneberg, heißt es, äußerte, „daß die Sachen wieder nicht mit Klugheit geleitet wurden, ohnerachtet der Kronprinz von Schweden gerathen habe, sich nicht zu früh an Dresden zu wagen, weil es sonst eine Schlappe geben werde, so wäre dennoch eine Charge unternommen worden, um Dresden durch einen coup de main zu nehmen, der aber nach wiederholten Stürmen nicht bloß mit einer Schlappe, sondern mit einer völligen Niederlage bezahlt worden sei, indem die russischen Garden allein bei 15 000 Mann verloren hätten“. „Es sei zu bezweifeln, ob die alliirte Armee wieder vorrücken werde, welcher traurige Umstand auch auf die Situation des Kronprinzen wirken müsse.“

Wir sehen übrigens, daß zu dem Aktuar, von dem diese Aeußerungen stammen, immerhin etwas von dem Kriegsplan der Verbündeten durchgesickert ist, und zwar scheint er seine Informationen von Bernadette nahe stehender Seite erhalten zu haben.

Welchen Werth die oben verzeichneten Gerüchte aber gehabt haben müssen, ergiebt sich daraus, daß der Referent unter dem 9. September meldet,

„es zirkulire das Gerücht, daß Se. Majestät der König eine Schlacht bei Dresden gewonnen habe, welche sehr wichtig sein soll. . .“

Eine ähnliche Nachricht wird noch unter dem 15. September verzeichnet. Vielleicht haben wir es hier mit Gerüchten zu thun, die auf die Kulmer Schlacht Bezug haben. Doch verlassen wir dies Gebiet.

Die Zeugnisse von Mitkombattanten haben für uns natürlich größere Bedeutung, wennschon deren Berichte meist sehr subjektiv sind und den Verfassern derselben der tiefere Zusammenhang der Ereignisse ja verborgen geblieben ist.

Als verunglückte Operation, als einen abgeschlagenen Angriff, als größeres Manöver betrachten v. Müffling (C. v. W.: Napoleons Strategie i. J. 1813 –

1827), v. Hofmann (Zur Geschichte des Feldzuges von 1813 – 1843), Lützow (Beiträge zur Kriegsgeschichte der Feldzüge 1813/1814 – 1815), v. Colomb (Tagebuch des Rittmeisters v. Colomb 1813/1814 – 1854) u. a. m. Die Dresdener Ereignisse. Der Eindruck einer größeren Schlacht oder einer Niederlage


  1. Uebergehen können wir hier einen acht Druckseiten umfassenden Bericht, „Precis des evenemens militaires depuis le 16. Aout“ (bis 16. September reichend), der in Stargard in französischer Sprache unter die Presse gegeben und an die Kommandeure der verschiedenen Blockade-Korps gesandt wurde mit der Bestimmung, den französischen Besatzungen in die Hände gespielt zu werden, um, wie es in dem Konzept des Begleitschreibens (Geh. St. A. R. 91. B. Sect. XXV. Pars 2. No. 1) heißt, „durch selbige die französischen Festungsbesatzungen von der Lage der Dinge zu unterrichten und ihre Hoffnungen auf Entsatz in Mutlosigkeit zu verwandeln“.
  2. Auf dieses Blatt werden wir weiter unten noch zu sprechen kommen.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/302&oldid=- (Version vom 14.8.2024)