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um die Gemüther auf eine gleichfalls tiefempfundene Beschwerde gegen den Klerus hinzulenken. Wenn das Reich, so heißt es da, unthätig zusehe und sich Städte, Land und Leute durch Bannsprüche abnehmen lasse, so werde es zuletzt auch noch dahin kommen, daß die Geistlichkeit den Bürgern ihre Frauen abbanne.

Beigegeben war ein kürzeres Begleitschreiben, in welchem Drändorff der Stadtobrigkeit in Weinsberg anheimstellt, den soeben erwähnten Sendbrief von der Kanzel vor der Gemeinde verlesen, auch abschriftlich in andern Städten verbreiten zu lassen, und sich erbietet, selbst hinzukommen, wenn er auf Schutz rechnen könne. Noch müsse er sich allerdings gleich vielen andern gesinnungsverwandten Priestern zurückhalten, „es wäre denn, daß gemein Volk und Reichsstädte die Augen baß aufthäten“. Man möge es ihm daher nicht verübeln, daß er seinen Namen und Aufenthaltsort vorläufig noch verschweige, und möge seinen Diener, den Ueberbringer, insgeheim hin und hergehen lassen.

Außer seinem Insiegel hat er unter beide Schrift stücke nur eine nicht ohne Weiteres erkennbare Andeutung seines Namens gesetzt mit dem lateinischen Zusatz: ein Priester in der Hoffnung Jesu Christi und Prediger der heiligen Gottesgelehrtheit.

Nun ist von Weinsberg eine Einladung an ihn gekommen, allerdings anscheinend noch mit einem gewissen Vorbehalt, wie dies mit Rücksicht auf die von ihm gewahrte Anonymität wohl begreiflich erscheint. Daraufhin antwortete er, jest mit voller Namensunterschrift: er warte bloß einer nochmaligen Kundgebung darüber, daß man ihn zu haben wünsche, um dann zu kommen, ungeachtet aller ihm drohenden Gefahr. Nur möge man ebendeswegen die Sache geheim halten; zugleich aber möge man auch andere besenden, die der Sache Weinsbergs von Nutzen sein könnten. Er dachte dabei augenscheinlich an die schon früher andeutungsweise bezeichneten Priester seiner Richtung. Jedenfalls hat er beabsichtigt, solche dort um sich zu versammeln, hat vielleicht auch schon Aufforderungen in solchem Sinne ergehen lassen.

Und dann ist er von Speier aufgebrochen. Kühne Hoffnungen mögen ihn erfüllt haben: jetzt bot sich die Möglichkeit, breite Volksmassen für seine Ideale zu gewinnen und günstigen falls zu offener, bewaffneter Erhebung gegen den Klerus fortzureißen. Die Reise führte ihn anscheinend zunächst nach Wimpfen. In dieser Stadt und in Heilbronn, die beiderseits mit Weinsberg besonders eng verbunden waren, war vielleicht sein Sendschreiben an die Weinsberger bereits bekannt geworden, und er trat hier mit seiner Lehre anscheinend offen hervor.

Aber gerade in Heilbronn, kaum noch eine Meile von Weinsberg, sollte ihn das Verhängniß ereilen. Er wurde hier, jedenfalls im Laufe des Januars 1425, verhaftet und erfuhr vom Bürgermeister, daß seinen Freund Peter Turnow in Speier das gleiche Schicksal betroffen habe.

Die Machthaber, die sich durch die Bewegung gleichmäßig aufs empfindlichste bedroht fühlten, griffen augenscheinlich nach gemeinsamem Plane zu. In Speier that es der Bischof. Zur Verhaftung Drändorffs hat allen Anzeichen nach Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz, mit dessen politischem Interesse sich ein besonders reger Glaubenseifer vereinigte, den entscheidenden Anstoß gegeben, ja er ist, so zu sagen, die Seele des ganzen Verfahrens gewesen. Einen äußeren Anhalt zum Eingreifen gewährte eine Schutzherrschaft, die ihm über Heilbronn, wie auch über Wimpfen und Weinsberg, zustand. Vielleicht kam ihm aber auch die Gemeindebehörde in Heilbronn auf halbem Wege entgegen. Es ließe sich wohl denken, daß den Herren im Stadtregiment vor den Kräften, die sich von unten her regten, und ihren Führern mit der Zeit bange geworden wäre. Hält es doch H. Haupt sogar nicht für unbedingt ausgeschlossen, daß die Einladung des Weinsberger Raths nur eine falle gewesen wäre, die Drändorff gestellt wurde.

Von der Verhaftung Drändorffs wurde alsbald der Würzburger Bischof Johann II. benachrichtigt, zu dessen Sprengel auch Heilbronn gehörte. Dieser aber bestimmte unter dem 4. Februar 1425, daß der Gefangene von der Stadtbehörde an den Kurfürsten ausgeliefert und nach dessen Residenz Heidelberg gebracht werde, indem er zugleich die ihm zustehende Befugniß zur Untersuchung und Aburtheilung des Falls dem Bischof Johann von Worms, in dessen Diocese Heidelberg lag,. und den Professoren der Theologie und des kanonischen Rechts an der dortigen Universität übertrug.

Das dringende Interesse, das alle betheiligten Vertreter der geistlichen und weltlichen Macht an der Unterdrückung der Bewegung hatten, giebt sich deutlich in der Raschheit kund, mit welcher in der Angelegenheit gehandelt worden ist.

Am Morgen des 13. Februars wurde das Verfahren vor dem Inquisitionsgericht eröffnet, das in der bezeichneten Zusammensehung unter dem Vorsitz des Bischofs Johann von Worms in der Heidelberger Behausung des Speierer Bischofs zusammengetreten war. Der letztere, der früher erwähnte Raban, wohnte nebst noch andern Geistlichen und Rechtsgelehrten der Verhandlung als Zuhörer bei. Dor Allem aber war auch der Kurfürst-Pfalzgraf gegenwärtig und hat sich nach Ausweis des Protokolls sogar persönlich an dem Verhör Drändorffs betheiligt.

Drändorff war sich vollkommen darüber klar, was ihm bevorstand. Wenn es möglich wäre – so sagt er bei der Befragung über seine Vermögensverhältnisse – sich für 1000 Gulden vom Tode loszukaufen, so könne

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/29&oldid=- (Version vom 15.8.2024)