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bei der er gleichfalls keinen Eid, sondern nur das Gelübde der Armuth und Keuschheit ablegte. Sein Vermögen gewährte ihm hinreichende Mittel, daß er nicht auf die Erlangung eines kirchlichen Benefiziums auszugehen brauchte, sondern sich frei und unabhängig von den Verpflichtungen eines solchen der Nachfolge des armen Lebens Christi, d. h. der Ausübung des geistlichen Berufs, wie er und seine Gesinnungsverwandten ihn auffaßten, widmen konnte. Messe und Abendmahl hielt er nach der oben erwähnten Form ab, – nur im letzten Jahre seines Lebens ist er seiner Aussage nach nicht mehr dazu gekommen, weil er fortwährend unterwegs war. Die Befugniß zu dem von ihm ausgeübten Predigtamt, für welches er seinen Richtern allerdings keine amtliche Ermächtigung vorweisen konnte, leitete er ab aus dem ihm bei seiner Weihung zugerufenen Spruch Ev. Matth. 28, 19. Der priesterlichen Verpflichtung zum Lesen der Horen meinte er am besten durch Lesen der Heiligen Schrift zu genügen, der ja doch die liturgischen Formeln nur entnommen seien.

Drändorff hat nach empfangener Weihe in Neuhaus und in Prag über drei Jahre lang gepredigt. Neuhaus liegt im südöstlichen Böhmen, nahe der Grenze Mährens und Niederösterreichs, und hat in der religiösen Bewegung jener Zeit eine gewisse Bedeutung gehabt. Daß er sich dort im Herbst 1421 aufgehalten hat, erfahren wir aus seiner Antwort auf die Frage seiner Richter: wo er gewesen sei, als das Kreuzheer vor Saaz lag. Man hatte ihn wohl im Verdacht, irgendwie an den Ereignissen betheiligt gewesen zu sein, die eben damals zu der schmählichen Flucht jenes in das nordwestliche Böhmen eingerückten Heeres führten.

Wahrscheinlich bald darauf hat sich dann Drändorff zu der Reise aufgemacht, auf der wir ihn noch zu begleiten haben. Sie führte ihn zunächst nach Meißen und Sachsen, wo er auch seinen Heimathsort noch einmal besucht haben mag. Wenn er sagt, seine Verwandten und Freunde daheim seien ihm nicht entgegengetreten, als er sich dem armen Leben Christi zuwandte, so darf man vielleicht annehmen, daß er auch hier Gesinnungsgenossen fand, wenn nicht sogar schon von Kindheit an nach dieser Richtung hin Anregungen empfangen hatte. Daß waldensische Anschauungen auch im nördlichen Deutschland verbreitet waren, ist nachgewiesen. Im Uebrigen möchte ich vermuthen, daß er sich erst später, als man gewöhnlich annimmt, von dort nach dem südwestlichen Deutschland gewendet hat. Denn wenn er zu Ostern 1424 in einem Dorfe des Vogtlandes, wo die religiösen Neuerer gleichfalls Fuß gefaßt hatten, gepredigt und gebeichtet hat, so geschah das wohl eben anläßlich dieser Reise. Den Namen des vogtländischen Orts und des betheiligten Geistlichen hat Drändorff in wohlgemeinter Absicht seinen Richtern verschwiegen.

Der Umstand, daß die böhmische Bewegung sich zugleich insbesondere gegen das Deutschthum im Lande und gegen das anerkannte Reichsoberhaupt richtete, die Furcht vor den bösen Husiten hatte zwar in den anderen Reichsgebieten eine merkliche Rückwirkung zur Folge. Nicht bloß die Kreise, die zunächst an der Erhaltung der bestehenden Verhältnisse interessirt waren, Klerus, Fürsten, Ritterschaft, städtische Aristokratie, schlossen sich unter einander und mit der herrschenden Kirche enger zusammen. Trotzdem war eine husitische Propaganda in Deutschland keineswegs aussichtslos. In mehrfach erwähnter Art kamen ihr religiöse Meinungen entgegen, boten ihr politische und soziale Uebelstände und Begehrlichkeiten Anknüpfungspunkte; und sie ist, wie namentlich neuere Forschungen dies festgestellt haben, in ziemlich weitem Umfange versucht worden.

Man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß unter Anderen auch Peter von Dresden in solcher Absicht aus Böhmen aufgebrochen sei. Denn die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht durchaus dafür, daß er mit dem „Petrus de Dräsen“ gleichzusetzen ist, der 1421 in Regensburg wegen wiclifitischer Irrlehren verbrannt wurde. Eine nach anderer Richtung hinweisende Aussage Drändorffs in dem Verhörsprotokoll, wie es uns gedruckt vorliegt, steht dem meines Erachtens nicht unbedingt entgegen.

Drändorff, den wir im Vogtland verließen, hat die Würzburger Diöcese nur durchreist, übrigens bei dieser Gelegenheit wohl den einen der beiden Diener mit sich genommen, die später mit ihm verhaftet wurden, einen Schneider aus Franken namens Henselin, während der andere, ein Weber namens Martin, aus seiner Heimath stammte und wohl von längerer Zeit her in seinem Dienste stand.

Dann ist er weiter durch Schwaben gezogen. Er ist später bei seinem Verhör speziell nach dem Grunde seines Erscheinens hier gefragt worden und hat daraufhin ausgesagt: er habe sich von dem Zustande der Geistlichkeit in diesem Lande überzeugen und sehen wollen, ob er Kleriker finde, die nach der Regel Christi lebten. Freilich habe er wahrgenommen, daß dies nur wenige von ihnen thun wollten, vielmehr Simonie, Habsucht und Verschwendung in ihrer Mitte herrschten. Es liegt nahe genug, Drändorffs Angabe über jene Absicht auf die ganze Reise überhaupt zu beziehen, und sie weist mit aller Deutlichkeit darauf hin, daß die Anknüpfung von Beziehungen zu Anhängern des Waldenserthums die Grundlage seiner Thätigkeit abgeben sollte. Die Bemessung seines Aufenthalts in den verschiedenen Gegenden stand jedenfalls im Zusammenhang mit der Zahl und Ergiebigkeit der Anknüpfungspunkte, die er fand.

Weiterhin hat er am oberen Rhein gepredigt, wo er sich in den Diöcesen von Straßburg und Basel und

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/27&oldid=- (Version vom 17.9.2024)