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Autorität der Heiligen Schrift theils gegen die Lehre der Kirche, wie sie damals war, theils und nicht zum wenigsten gegen ihre Einrichtungen, insbesondere gegen ihren weltlichen Besitz und dessen Folgeerscheinungen scharfe Angriffe richtete.

Auch über das deutsche Reich hatte sich während des 13. und 14. Jahrhunderts in der Stille ein ganzes Netz von Waldenser-Gemeinden verbreitet. Unter einander in steter, lebendiger Verbindung, übten sie auch über ihren engeren Kreis hinaus eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die Gemüther aus, mochte die unter päpstlicher Oberleitung stehende und zugleich dem römischen Zentralismus als wirksames Werkzeug dienende Inquisition noch so unerbittlich zugreifen, sobald ihr irgendwelche Erscheinungen dieser Art zur Kenntniß gelangten.

Dazu kamen nun von England herüber die Lehrsätze Wiclifs, die namentlich in Böhmen Wiederhall fanden und sich dort nicht nur mit politisch-sozialen, sondern auch national-czechischen Bestrebungen der kühnsten Art in eigenthümlicher Weise vereinigten.

Um aber das Ansehen der bestehenden Kirche aufs tiefste zu erschüttern, hätte schon der eine Umstand reichlich genügt, daß fast vier Jahrzehnte lang erst zwei, dann sogar drei Päpste und ihre Anhänger einander mit allen Mitteln bekämpften und sich gegenseitig in den Staub zu ziehen suchten.

Dieser bewegten Zeit entstammte Johannes Drändorff, geboren 1391 als Abkömmling eines adeligen, wohlbegüterten Geschlechts zu Schlieben, einer kleinen Landstadt von jetzt annähernd 2000 Einwohnern im Kreise Schweinitz, nicht weit östlich von Herzberg an der Schwarzen Elster. Der Sitte der Zeit gemäß ist er daher später zeitweilig auch unter dem Namen Johannes von Schlieben gegangen. Der Ort gehörte politisch zu dem damals für sich bestehenden Kurstaat und Herzogthum Sachsen-Wittenberg, in kirchlicher Beziehung unterstand er dem Bisthum Meißen.

Eine Schule hat Drändorff zuerst in der damals Erzbischöflich Magdeburgischen Stadt Aken am linken Elbufer, etwa halbwegs zwischen der Mündung der Mulde und Saale, besucht.

Von dort ist er nach Dresden gekommen, – man ersieht allerdings nicht, ob zunächst etwa nur vom Zufall geleitet auf einer jener Fahrten, wie sie die Schüler jener Zeit hinaus ins Weite führten, oder angezogen von dem Ruf der Lehrer, die damals an der hiesigen Stadtschule wirkten.

Jedenfalls ist deren Einwirkung für seine weitere religiöse Richtung maßgebend geworden, insbesondere diejenige eines sonst leider ganz unbekannten Magisters Friedrich. Im ersten Theile seines späteren Verhöres vor dem Inquisitionsgericht, wo es sich um seinen Bildungsgang handelt, sagt er zwar nur aus, er habe den Grund zu seiner gelehrten Bildung gelegt in Dresden unter dem Magister Friedrich, einem Genossen des Magisters Peter von Dresden, einem demüthigen und frommen Manne, der übrigens nicht zur Sekte der Husiten gehört habe. Weiterhin aber, nachdem seine von der herrschenden Kirche abweichenden Lehrmeinungen und seine für sie entwickelte Thätigkeit in der Hauptsache festgestellt sind, beantwortet er die Frage danach, wer ihn in diese Lehre eingeführt habe, in folgender Weise: er habe sie vom Heiligen Geist überkommen, mittelbar aber von seinem Lehrer Friedrich und von Magister Peter von Dresden; ihre Lehre sei heilig und wahr, und sie seien auf dem Pfade und im Glauben Christi gestorben, und ermöchte nur wünschen, selbst so sterben zu können.

Peter von Dresden, wie sein Beiname bezeugt, ein Sohn unserer Stadt, wenn nicht etwa ihrer nächsten Umgebung, ist die älteste bekannte Persönlichkeit bürgerlicher Abkunft aus diesem Kreise, die eine höhere geschichtliche Bedeutung erlangt hat. Er tritt uns zuerst entgegen als betheiligt an dem bekannten Auszuge der deutschen Professoren und Studenten aus Prag im Jahre 1409, der unter anderem zur Gründung der Leipziger Universität führte. Er muß bald darauf Schulmeister hier geworden sein. Als Lokat wirkte unter ihm gleich dem schon genannten Magister Friedrich und in demselben Sinne auch ein Magister Nikolaus, von dem sich gleichfalls nichts weiter feststellen läßt.

Ihrer Thätigkeit wurde allerdings schon nach kurzer Frist ein Ziel gesetzt. Durch bischöflichen Befehl wurden sie 1412 oder spätestens bald nach Beginn des nächsten Jahres aus der Meißner Diöcese ausgewiesen. Ob die geistliche Oberbehörde keinen recht faßbaren Anhalt gefunden hat, um schärfter zuzugreifen, oder ob sie wegen irgendwelcher sonstigen Umstände darauf verzichtete, läßt sich nicht erkennen. Für die folgende Zeit weisen dagegen mancherlei Zeugnisse auf ein energisches Einschreiten der weltlichen Gewalt gegen ketzerische Meinungen hin, das doch eben von kirchlicher Seite veranlaßt wurde; und manche von den Unglücklichen, die hier in den nächsten Jahrzehnten ihren „Unglauben“ mit dem Tode büßen mußten, mögen von jenen Männern angeregt gewesen sein. Allerdings waren auch inzwischen die Gegensätze durch die weitere Entwickelung der Dinge, wie sie vor Allem in Böhmen vor sich ging, wesentlich verschärft worden.

Die vertriebenen Magister wandten sich nach Prag. Unter den Schülern, die sich ihnen – gezwungen oder freiwillig – angeschlossen, ist ohne Zweifel Drändorff gewesen. Peter und Nicolaus eröffneten in der Prager Neustadt am Graben, bei der Schwarzen Rose, eine Schule, während wir von Magister Friedrich nichts

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/25&oldid=- (Version vom 26.8.2024)