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30) Samstag ... Um 10 Uhr rüste ich mich zum Empfang der angemeldeten Deputation der hiesigen Kunstgenossenschaft. Bei längerer Erwägung der Verhältnisse schien es mir heute gewiß, daß die Beschickung der Cölner Ausstellung mit einigen Kartons, wozu mich schon Peschel aufgefordert hatte, der Grund sei, welcher die Deputation zu mir führte. Ich täuschte mich. Die Deputation, mit Bürkner, dem Vorstand der Kunstgenossenschaft, und Hübner, dem Wortführer, an der Spitze, überreichte mir eine Zuschrift, in welcher die Kunstgenossenschaft Dresdens mir ihre Glückwünsche zur Vollendung der „Bibel in Bildern“ darbringt. Dieser Ausdruck der Theilnahme und Anerkennung machte mir um so mehr Freude, als ich nicht im mindesten etwas der Art erwartete ...

April.

2) Dienstag ... Um 6 Uhr bin ich im Theater, um Ludwig als Hüon in Webers Oberon zu hören ... Ludwig singt sehr schön und sieht prachtvoll aus, doch kann uns die Oper nicht gefallen.

3) Mittwoch ... Als ich im Begriff bin, mich zu Langbein zum Kränzchen zu verfügen, kommt Geheimer Rath Kohlschütter, um über einige Angelegenheiten mit mir zu reden, die zur Erledigung drängen. Vor allem ist es wieder die Korridorsache, die lebhaft erörtert wird. Obwohl meine Vorschläge nicht angenommen worden sind, bleibe ich bei meinen Ansichten und lehne jede Zusage ab, mich bei einer andern Behandlung der Aufgabe zu betheiligen. Nur in dem Fall, daß die jungen Leute mit ihrer Petition durchdringen und ein von ihnen aufgestelltes Projekt, das mir gefällt, acceptiert wird, werde ich meine Hülfe zur Verfügung stellen. Dann wird das Projekt eines Rietschel-Museums besprochen. Kohlschütter theilt die Bedenken nicht, die gegen unsere Behandlung der Sache erhoben worden sind. Ich sage ihm, daß die Leipziger gern für das Lokal in Leipzig sorgen würden, wenn das Projekt in Dresden an dem Mangel eines Lokals scheitern sollte. Endlich besprechen wir auch die Angelegenheit des Lutherdenkmals. Kohlschütter stimmt ganz mit meinen und Hettners Ansichten ...

5) Freitag ... Nicolai sagt mir auch, in welchen nahen Beziehungen er zu dem Lutherdenkmal steht, da der architektonische Theil von ihm im Einverständniß mit Rietschel schon bis auf das kleinste Detail ausgearbeitet und festgestellt worden ist. Hettner, dem ich dieses mittheile, möchte nun, daß Nicolai mit als Beirath bei der Ausführung des Denkmals zugezogen wird ...

6) Samstag. Durch Herrn Oppermann benachrichtigt, daß die Herren Abgeordneten aus Worms heute morgen nach 8 Uhr mich erwarten würden, begebe ich mich um diese Zeit zu ihnen. Da wir von vorn herein auf gleichem Boden stehen und ich ohne Rückhalt meine Ansicht ausspreche, so verständigen wir uns sehr bald. Mit Hähnel haben die Herren gestern bereits gesprochen. Derselbe will gern die Stelle eines Beiraths annehmen, wenn außer mir kein Anderer zugezogen wird ... Beim Nachhausegehen besuche ich die Anlagen am Dohnaschen Schlag. Man hat aus dem ehemaligen Johannis-Kirchhof eine schöne große Eiche dieser Tage hierher versetzt. Möge sie gedeihen! ...

7) Sonntag ... Unter Tages begegnete ich Nicolai ... Er sagt mir, daß er die Herren aus Worms gesprochen habe und daß sein Antheil an dem Werk geordnet sei.

8) Montag ... Kietz sucht mich auf, um mir zu sagen, daß die Herren Abgeordneten aus Worms wieder abgereist seien und die Angelegenheit des Denkmals sich nach Wunsch geordnet habe. Hähnel und ich werden gemeinschaftlich den Beirath bilden; Schilling wird bei der Ausführung der Städtefiguren einen Antheil erhalten, Kietz und Donndorf arbeiten aber unabhängig von ihm und haben nur mit Hähnel und mir zu thun ...

10) Mittwoch ... Museum. Der Herr Minister ist in der zweiten Etage und, wie von einem Dämon dahergeführt, zu einem Zeitpunkt gekommen, wo eine große Dummheit, die auf meine Verwaltung ein schlechtes Licht wirft, ist begangen worden. Voigt, der sonst so tüchtige Mensch, giebt sich der Meinung hin, daß die Thieleschen Landschaften doch zum Schmuck eines Kgl. Schlosses verwendet werden, und bestimmt Renner, sich zum Hofsekretär Müller zu verfügen und diesen zu bitten, die Bilder, die ihm (Voigt) im Wege sind, abholen zu lassen. Der Hofsekretär schickt auch Leute, welche eine Partie Thielescher Landschaften wegtragen und in dem weißen Saal des Schlosses unterbringen. Dieses ist alles möglich, ohne daß ich, der ich täglich im Museum bin und gestern zweimal daselbst war, von den braven Beamten erst gefragt werde. Und in dem Augenblick, als die Dummheit geschehen, kommt der Minister und ich erst nach ihm und muß wie ein dummer Junge ihm sagen, daß ich von nichts weiß! ... Die große Aufregung und Verstimmung, in welche die unangenehme Geschichte mich versetzt, mäßiget sich bei der ungestörten Arbeit Nachmittags im Atelier und ganz besonders im Theater, wo Fra Diavolo mit Ludwig in der Titelrolle zur Aufführung kommt ... Ludwig giebt seine Partie vortrefflich und den Räuberhauptmann als Marquis mit Noblesse, Eleganz und großer Lebendigkeit ...

12) Freitag ... Nachmittags 5 Uhr Sitzung des Akademischen Rathes ... Daß Oppermann in seinen Befürchtungen Recht hat, beweist die Besprechung des Kietz-Donndorfschen Gesuchs wegen Ueberlassung der nöthigen Räumlichkeiten in dem Atelier. Hähnel behandelt die Denkmalsache höchst lieblos. Das Königliche

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/223&oldid=- (Version vom 14.9.2024)