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welcher bereits von italienischem Einfluß berührt worden ist. Von einem der Cranachs ist sie gewiß nicht ...[1]

19) Dienstag ... Ehe ich in das Atelier gehe, verfüge ich mich zu dem Photographen Schwendler, welcher mich aufgefordert hatte, zu einer kleinen Porträtfigur, wie sie jetzt in zierlichen Albums gesammelt werden, zu stehen. Der Photograph hat mir eine schlechte Stellung gegeben, und das Abbild, das ich auf dem Glase sehe, erinnert mich an die Stelle im „Bauer als Millionär“, wie er der Erscheinung des Alters gegenüber sich verwandelt ...

20) Mittwoch ... Schwendler sendet mir mein Porträt. Es ist zum Erschrecken. Namentlich ist die Gestalt höchst kümmerlich. Die Meinen wollen, daß ich noch einmal stehen soll, und Ludwig erbietet sich, mit mir zum Photographen zu gehen ...

23) Samstag. Galerie-Kommission ... Man bittet Direktor Gruner, den Dürerschen Kupferstich zur Vergleichung herbeizuschaffen und sich selbst bei der Prüfung zu betheiligen. Der Hauptunterschied liegt darin, daß in dem Bilde die Figur des Heiligen viel kleiner ist als in dem Stich. Dann ist im Bilde die Meereslinie weggelassen. Man schafft dann auch die kleine Anbetung der Könige nach Raphael[2] herbei, um die Hunde[3] zu vergleichen. Zwei gleichen sich vollkommen bis auf die Farben, welche gewechselt sind. Die Kommission ist einig in ihrer Ansicht, daß die Erwerbung des Bildes wünschenswerth ... sei ...

24) Sonntag ... Joh. Zumpe kommt zu mir, um wegen der beabsichtigten Petition an Seine Majestät den König sich mit mir zu verständigen ... Abends ist die große Aufführung des Judas Maccabäus und der achten Symphonie von Beethoven im Theater. Der Zudrang ist außerordentlich, und kaum erhalten wir noch zwei Plätze ... Ludwig singt prachtvoll und, wer noch zweifeln wollte, würde sich heute überzeugen können, daß Ludwig ein geborner Heldentenor ist. Das Oratorium wird mit sichtlicher Spannung angehört, eine Aeußerung des Beifalls wird bei Oratorien, die am Palmsonntag zur Aufführung kommen, in Folge alter Ueberlieferung nicht für angemessen erachtet. Diese Palmsonntags-Aufführungen fanden nämlich früher in der Kirche statt und erhielten hierdurch eine kirchliche Weihe. Die prachtvolle Symphonie wird dagegen durch Klatschen ausgezeichnet.

25) Montag ... 7 Uhr haben wir eine Sitzung in Angelegenheiten des Weber-Denkmals. Der Stadtrath hat seinen Plan wegen der Einfriedigung des Denkmals eingesendet. Wir finden das Projekt zu kleinlich und bestehen auf einem ordentlichen Eisengitter, das mit dem Monument zu einem Körper sich verbindet ... Da wir immer noch 600 Thaler in der Hand haben, so werden wir das Eisengitter selbst machen lassen, anstatt das Geld dem Stadtrath zur Verfügung zu stellen.

27) Mittwoch. Clauß hat mir gestern den Nekrolog über Rietschel[4] gebracht. Er scheint mir vortrefflich, und mit viel Geschick sind meinem Wunsche gemäß sowohl die Angelegenheiten des Lutherdenkmals wie des Rietschel-Museums dabei zur Sprache gebracht ... Professor Gustav Heine benachrichtiget mich auf vertrauliche Weise, daß nächsten Samstag eine Deputation der hiesigen Kunstgenossenschaft mir einen Besuch abstatten will. Was mögen Sie vorhaben? ...

28) Gründonnerstag ... Bei Giese[5] sehe ich Zumpes kolorierte Zeichnung seines Einzugs Christi in Jerusalem. Die Zeichnung ist köstlich und bezeugt Zumpes wahrhaften Beruf zur hohen Kunst. Ich überzeuge mich von neuem, daß er einer der Träger der ernsten großen Richtung sein wird, die von Cornelius und Overbeck ins Leben gerufen wurde ... Um 4 Uhr versammelt sich das Komitee des Rietschel-Museums bei Geh. Rath Carus. Heute stellt sich auch Herr von Wietersheim ein. Hähnel fehlt. Man bespricht die Bedenken, welche gegen die Weise, wie wir in der Sache verfahren sind, erhoben worden. Das Komitee erörtert seine Gründe, warum es mit dem Aufruf nicht gezaudert hat ... Es sind bis jetzt gegen 800 Thaler eingegangen. Die Sache wird gehen ...

29) Charfreitag ... Wir gehen nach Meißen ... Nach 1 Uhr sind wir im Meißner Bahnhof, wo Ludwig uns empfängt. Wir speisen zusammen im Sommerpavillon des Gasthauses zum Schiff, begeben uns dann in die Stadt, und da Ludwig sein großes Zimmer im Hirsch von andern Gästen besetzt findet ... ersteigen wir langsam den Schloßberg. Oben eröffnet uns ein Porzellanmaler Namens Born sein Haus und Garten, wo wir ein herrliches sonniges Plätzchen mit einer prachtvollen Ueberschau über die Stadt und Ferne gegen Nord-Ost-Süd haben, zum Verweilen bis zum Beginn der Aufführung des Messias ... 1/2 5 Uhr beginnt das Oratorium. Die Töne wirken gewaltig, doch ist etwas zu viel Schall, und die Worte des Textes sind kaum zu verstehen. Mich stört auch anfänglich die große Unruhe der Zuhörer bei vielem Ab- und Zugehen. Endlich siegt die Wirkung der gewaltigen Tonschöpfung. Ludwigs Stimme nimmt sich prachtvoll aus. Sein Gesang bildet doch wieder die Spitze des Genusses. 1/2 8 Uhr ertönt das große Amen, Amen, Amen! ...


  1. Auch nach Wörmann ist sie „vielleicht von niederländischer Hand“.
  2. Richtiger Baldassare Peruzzi, jetzt Nr. 99.
  3. Nach Wörmann sind in dem anscheinend „von nordischer Hand herrührenden Bilde“ Nr. 99 die drei Hunde ein „Zusatz des Kopisten“.
  4. Abgedruckt im Christlichen Kunstblatt 1861 Nr. 9 and 10.
  5. Ernst Giese, der bekannte, bis vor kurzer Zeit in Dresden wirkende Architekt, gest. 12. Okt. 1903 in Charlottenburg.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/222&oldid=- (Version vom 14.9.2024)