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am sichersten verbürgt würde. Ein solches Gutachten, das womöglich auf die Entschließung des Komitees in Worms einwirken soll, ist nicht leicht geschrieben und kostet mir mehr Zeit als andern ...

5) Dienstag ... um 4 Uhr bin ich bei Carus zur Konferenz. Hähnel ist da, auch Klee und Hübner, neu ernannte Mitglieder. Sonst fehlen mehrere. Hettner liest seinen Aufruf vor, der genehmigt und zum Druck befördert wird ... Mein Kränzchen habe ich heute aufgegeben, da Ludwig in der „Stummen“ den Masaniello giebt. Ludwig singt und spielt ganz ausgezeichnet. Er zeigt, daß er zum Heldentenor berufen ist. Ich hätte die Lebendigkeit und Energie des Spiels nicht von ihm erwartet. So wirkt die Macht seiner Stimme, wie die Süßigkeit und Innigkeit des Gesangs in der Schlummerarie, in einer Weise, wie sie mir bisher noch nicht vorgekommen ist. Ludwig wird durch reichen Beifall belohnt ...

7) Donnerstag. Endlich auch einmal ein ziemlich ungestörter Arbeitstag im Atelier, welcher der Aufzeichnung des Umrisses zu dem Lutherbild im Großen sehr förderlich ist. Es steht die Komposition mit Ausnahme der Architektur nun vor mir. Die Größe der Figuren sagt mir sehr zu. Sie bleibt so sehr unter der Lebensgröße, daß man überhaupt an wirkliche Menschen nicht denkt, und das ist vortheilhaft. Auch hoffe ich in den bescheidenen Dimensionen mit dem Malen fertig zu werden ...

10) Sonntag ... Noch am Vormittag mache ich bei Frau Professor Rietschel einen Besuch, da ich ihr die Abschrift des Bunsenschen Gutachtens zurückzugeben und nach einem Versprechen meiner Frau mein Gutachten ihr mitzutheilen hatte. Frau Professor sagt mir, daß Hübner auch bei ihr gewesen sei, um Notizen für die von der Augsburger Allgemeinen Zeitung verlangte biographische Skizze über Rietschel sich zu erbitten. Sie bemerkte ihm, daß Hettner, der regelmäßige Korrespondent der Allgemeinen Zeitung, auch die Absicht ausgesprochen, einen Lebensabriß ihres Mannes zu liefern, und daß sie diesem ihre Notizen übergeben habe ...[1] Mein übriger Tag verstreicht, ohne daß ich etwas thue ... Dagegen bietet der Abend, wo nicht Arbeit, doch überreichen Genuß durch das Theater, in welchem heute die Hugenotten mit Ludwig als Raoul zur Aufführung kommen. Nach Ludwigs erstem Auftreten wird die Szene bei dem Gastmahl schon anziehend durch sein vortreffliches Spiel. Die Romanze singt er ausgezeichnet schön. Die Szene mit Valentine im dritten [richtiger: vierten] Akt ist sein Meisterstück. Ist der Beifall heute überhaupt lebhaft, so wird er nach diesem Akt stürmisch. Valentine und Raoul werden nach demselben dreimal gerufen. Das Haus war überfüllt und das ganze Publikum fühlbar erregt.

11) Montag ... Gegen 9 Uhr zeigt sich ein großer Brand gegen Westen. Der neuaufgerichtete hölzerne Festsaal neben dem Feldschlößchen steht in hellen Flammen ...

12) Dienstag ... Bevor ich es [das Atelier] verlasse, macht mir Joh. Zumpe einen Besuch. Er befragt mich über den Stand der Korridorangelegenheit. Hähnel wünscht, daß er sich bei den Entwürfen für eine der Kuppeln betheilige und daß die jungen Leute eine Petition an den König richten, in welcher sie um die Erlaubniß bitten, bei der genannten Aufgabe konkurrieren zu dürfen. Nach dem Essen mache ich dem Salzburger Bildhauer Greinwald einen Besuch, um, wie er es wünschte, sein Basrelief noch einmal zu sehen. Er hat dasselbe jetzt sauber ausgeführt. Was eigentliche Durchbildung betrifft, so fehlt es ihm doch zu sehr an eingehendem Studium, um etwas Gediegenes leisten zu können ...

13) Mittwoch. Ein Kgl. Lakai meldet mir, daß Seine Majestät der König 3/4 2 Uhr das Rietschelsche Atelier besichtigen wird ... Etwa um 2 Uhr kommt der König mit der Königin, den Prinzessinnen Sidonie und Sophie. Der König betrachtet alles mit größter Theilnahme und auch das Lutherdenkmal im Kleinen, sowie die vollendeten großen Standbilder in eingehendster Weise. Ueber Rietschels Tod spricht er sich mit tiefer Bekümmerniß, und über des Meisters Kunst, wie über dessen edle, liebenswürdige Persönlichkeit mit herzlichster Anerkennung aus. Donndorf, von welchem der König ohnehin schon Näheres weiß, wird bei dieser Gelegenheit ihm persönlich bekannt. Die hohen Herrschaften bleiben etwa 3/4 Stunde. Nach deren Entfernung statte ich der Frau Professor Bericht über den hohen Besuch ab ...

18) Montag ... Restaurationszimmer. Schirmer. Das erwähnte[2] Oersche Bild[3], die Kopie nach Dürers St. Hubertus (bekanntlich hat der Meister diese Komposition nur als Stich ausgeführt), ist inzwischen herbeigebracht worden. Ich besehe mir dasselbe genau. Es weicht in einigen Stücken von dem Original ab, z. B. ist die Figur des St. Hubertus hier kleiner als im Kupferstich, es ist aber eine höchst gediegene Arbeit aus der Zeit, in welcher das Original entstanden ist. Von wem die Kopie ist, wird schwer zu ermitteln sein. Ich

möchte an einen Deutschen oder Niederländer denken,


  1. Ein Nekrolog auf Rietschel, der in den Beilagen zu Nr. 84 und 85 des Jahrgangs 1861 der Allgemeinen Zeitung abgedruckt ist, weist am Schluß die Namensabkürzung J. H. auf und ist sonach von Julius Hübner, nicht von Hermann Hettner verfaßt.
  2. Die betreffende Stelle ist hier weggeblieben.
  3. Jetzt in der Kgl. Gemäldegalerie unter der Bezeichnung „Der heilige Eustachius (oder Hubertus)“ Nr. 1873.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/221&oldid=- (Version vom 14.9.2024)