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Der Dekan der theologischen Fakultät daselbst, Abt D. Ehrenfeuchter, übersendet mir mit ebenso herzlichen als ehrenden Worten das Ehrendiplom der theologischen Doktorwürde als Dank für mein Bibelwerk Namens der theologischen Fakultät ...

18) Freitag ... 5 Uhr Sitzung des Akademischen Raths. Bei meinem Eintreffen hat man bereits Beschluß gefaßt über die Anschaffung meiner „Bibel in Bildern“. Hettner sagt mir viel Schönes darüber, unter anderm auch über das Vorwort. – Um 7 Uhr begebe ich mich in die Dreyßigsche Singakademie, welche heute den Judas Makkabäus zur Aufführung bringt, und zwar unter Ludwigs Mitwirkung, welcher die Partie des Judas singt. Sein Gesang schlägt gewaltig durch und zündet in den Gemüthern ...

20) Sonntag ... Ludwigs Verhältnisse am Theater trüben sich in Folge des Rollenmonopols, das Tichatscheck früher schon zugestanden und, wie anzunehmen, auch bei der jetzigen Erneuerung seines Contractes ihm gelassen worden ist. Dadurch wird Ludwig, gegen Herrn von Lüttichaus schriftliche Versprechungen, aus dem Kreise der Rollen hinausgedrängt, die zu seinem Fach gehören, und in das Gebiet der lyrischen Partien geschoben, das er weder seiner Neigung noch seinen Stimmmitteln angemessen findet ...

22) Dienstag ... Herr von Lüttichau gesteht von vornherein zu, daß er Ludwig das Versprechen gegeben habe, ihn im Fache des Heldentenors zu beschäftigen, daß Tichatschecks Weigerung, jetzt in die Stelle eines Ehrenmitglieds des Theaters einzutreten oder eine größere Zahl seiner Rollen abzugeben, bei dem Verlangen des Königs, ihn (Tichatscheck) zu halten, der Intendanz Schwierigkeiten Ludwig gegenüber bereite. Man könne Tichatscheck nicht umgehen, wolle aber auch Ludwig nicht entbehren und werde sehen, wie sich eine Ausgleichung finden lasse ... Ludwig erklärt, nicht bleiben zu können, wenn er in seinem Fach nicht verwendet werde etc. etc. ...

26) Samstag ... Nach Tisch ordne ich vollends Rietschels Exemplar der Bibel in Bildern und bringe ihm dasselbe. Er empfängt mich sehr freundlich und ich bleibe über eine halbe Stunde bei ihm ... Gegen 7 Uhr begebe ich mich ... nach dem Hotel de Saxe, wo Herr Baumfelder ein Concert giebt, bei welchem Ludwig mitwirkt. Ludwig singt unter anderm Glucks herrliche Arie des Pylades „Nur einen Wunsch, nur ein Verlangen etc.“. Ludwig wird bei seinem Eintreten mit Applaus empfangen und nach dem Gesang mit Beifall belohnt ...

31) Donnerstag. Fortsetzung der Durchsicht der Erklärungen[1]. Ich habe immer wieder Gelegenheit, mich zu überzeugen, daß diese Durchsicht nicht unterlassen werden dürfte. Aber ich finde auch immer mehr Ursache, mich dieser Erklärungen zu erfreuen ... Seine [Ludwigs] Verhältnisse zum Theater haben sich ... nach Wunsch geordnet. Tichatscheck hat ihm selbst davon Mittheilung gemacht und sich mit dem Abkommen zufrieden erklärt, da man mit möglichster Rücksicht gegen ihn von Seiten der Intendanz verfahren ist ...

Februar.

1) Freitag ... Kunstverein. Die Photographie der Schwindschen „Sieben Raben“ ist ausgestellt, und ich gehe dahin, um endlich diese so berühmt gewordene Schwindsche Schöpfung zu sehen. In der That ist das Werk ausgezeichnet und charakterisiert des Künstlers Gaben in glänzendster Weise ...

3) Sonntag ... Sodann gehe ich nach dem Rietschelschen Hause, wo, wie ich gehört, viel Sorge um den theuern Hausvater herrscht. Die liebe Frau Rietschel öffnet mir die Hausthüre und eröffnet mir in wenigen Worten, daß Dr. Walther gestern den Kranken untersucht und das Uebel sehr vorgeschritten gefunden habe. Ich verstehe, was das aus dem Munde der Frau sagen will. Die Frau Professor meint aber doch, daß es Rietschel freuen werde, mich zu sehen, und er empfängt mich auch. Der Verfall ist sichtlich, dabei zeigt sich deutlich, daß Rietschel selbst keine klare Vorstellung von seinem Zustand hat. Er bemerkt mir z. B., daß er bei der nächsten Wahl eines neuen Mitgliedes für den Orden pour le mérite den Wunsch aussprechen werde, daß das Resultat der Abstimmung den auswärtigen Mitgliedern jedesmal angezeigt werde. Andreas Oppermann, welcher sich im Krankenzimmer einstellt, begleitet mich beim Fortgehen und sagt mir ebenfalls, daß es sehr übel stehe – Rietschel habe übrigens sein Haus geordnet! ... Gegen Abend kommit Direktor Wackernagel ... Nach längerer heiterer Unterhaltung beim Thee kommt die Rede auf die Oberammergauer Passionsspiele, und es entzündet sich bei der Erwähnung, daß auch das heilige Abendmahl dargestellt werde, ein Streit, der sehr unangenehm wird und die Möglichkeit eines wiederholten Beisammenseins von Wackernagel mit Ludwig und Malvina abschneidet. Auch ich bin der Meinung, daß ein Sacrament nicht zur Schein-Darstellung kommen dürfe, ... ich bedaure aber, daß ein so trefflicher Christ, wie Wackernagel, nicht so viel Liebe und Weisheit besitzt, um so ernst- und wohlgesinnten Menschen gegenüber, wie Ludwig und Malvina sind, den rechten Ton in seinen Aeußerungen treffen zu können. Er verurtheilt Darsteller und Zuschauer mit großer Härte und meint, man hätte die Darsteller mit faulen Aepfeln werfen müssen. Dafür wird nun freilich Wackernagel, nachdem er sich entfernt

hat, wahrhaft gesteinigt, und es wird Böses reichlich


  1. Des Pfarrers Merz zur Bibel in Bildern.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/216&oldid=- (Version vom 13.9.2024)